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Tansania: Vertreibung der Maasai für Luxustourismus

Simone Schlindwein
6. Juli 2024

Tansanias Regierung will mehr Naturschutzgebiete ausweisen und vertreibt damit Maasai aus ihrem traditionellen Lebensraum. Stattdessen sollen mehr Luxustouristen kommen - auch Donald Trumps Sohn spielt eine Rolle.

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Vier Massai stehen auf einer Straße, drei blicken in die Kamera
Maasai sind im Ngorongoro-Schutzgebiet im Norden Tansanias nicht mehr erwünschtBild: Hua Hongli/picture alliance

Das Leben der Maasai-Bevölkerung in Tansania werde immer schwieriger, berichtet eine örtliche Vertreterin der Maasai-Frauen der DW. Aus Sicherheitsgründen will sie nicht namentlich genannt werden. Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter des Hirtenvolkes wurden in den vergangenen Jahren festgenommen, wenn sie die Pläne der tansanischen Regierung kritisierten.

"Zwei schwangere Frauen sind kürzlich gestorben", so die Maasai-Vertreterin. Es habe stark geregnet und die Straßen waren für den Krankenwagen nicht passierbar. "Fast jede Woche stirbt eine schwangere Frau im Ngorongoro-Schutzgebiet und in Loliondo", sagt sie. Weitere Quellen, zu denen die DW Zugang hatte, bestätigen diese Angaben. Die Maasai machen Tansanias Regierung dafür verantwortlich.

Maasai halten Protestplakate und strecken Fäuste in den Himmel
Protest im Jahr 2022: "Unser Land ist unser Leben - wir sterben lieber, als dass wir wieder von dem Land unserer Vorfahren vertreiben werden"Bild: DW

Einem örtlichen Flugdienst, der normalerweise bei Notfällen Patienten mit seinen Propellermaschinen ins Krankenhaus transportiert, wurde von der Regierung vor über zwei Jahren die Fluglizenz entzogen. Es steht die Vermutung im Raum, dass dies Teil eines größeren Plans ist, Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung oder Bildung in den von Maasai bewohnten Gebieten einzustellen - um sie zu bewegen, die Savannenlandschaft im Norden des Landes endgültig zu verlassen.

Ein Regierungsvertreter brach das Telefonat ab, als die DW ihn mit den wachsenden Problemen bei der Gesundheitsversorgung konfrontieren wollte.

Mehr Naturschutzgebiete - zu welchem Preis?

Präsidentin Samia Suluhu Hassan verfolgt große Pläne. Sie will die Landfläche, die in Tansania unter Naturschutz steht, von derzeit mehr als 30 Prozent auf 50 Prozent des Staatsgebiets erweitern. Sollten diese Pläne umgesetzt werden, wäre das ostafrikanische Land weltweit führend. Die internationale Gemeinschaft setzt sich zum Ziel, bis zum Jahr 2030 rund 30 Prozent der Erdoberfläche unter Naturschutz zu stellen.

Doch diese Pläne haben in Tansania verheerende Folgen. Denn laut Gesetz dürfen in diesen Gebieten keine Menschen leben und keine Häuser, Schulen oder Krankenhäuser gebaut werden. Infrastruktur für Tourismus ist davon ausgenommen. Was an staatlicher Infrastruktur bereits existiert, wird nun dem Zerfall überlassen, so Joseph Oleshangay, Maasai-Chief im Bezirk Ngorongoro und Anwalt, der die Maasai-Bevölkerung in zahlreichen Gerichtsverfahren vertritt.

Häuser und Hütten in einer grünen, offenen Landschaft
Wie lange kann diese Maasai-Siedlung im Ngorongoro-Schutzgebiet noch bleiben?Bild: Hua Hongli/picture alliance

"Bereits am 12. April 2021 erklärte die Regierung öffentlich die Zerstörung von neun staatlichen Schulen, sechs Gesundheitszentren sowie neun Dorfämter und vier Kirchen." Dagegen hatte der Anwalt damals Klage eingereicht. Das Gericht gab Oleshangay Recht und wies die Regierung an, die Pläne nicht weiter zu verfolgen - vergeblich, sagt der Anwalt: "Mittlerweile haben wir nun hier Gesundheitsstationen, die keine einzige Schmerztablette für ein Kind mehr vorrätig haben." Die desolate Lage wird von weiteren Quellen, die sich nicht öffentlich äußern wollen, bestätigt.

Luxustourismus statt Rinderherden

Tansania erhofft sich durch die Erweiterung der Schutzgebiete ausländische Investitionen in Milliardenhöhe und mehr Touristen. Mehr als eine Million Menschen besuchten die Naturschutzgebiete zuletzt pro Jahr.

Über neun Millionen Dollar investiert China in einen Geo-Park im Ngorongoro-Krater. Für Touristencamps, Luxushotels und Picknickanlagen mit Aussichtsplattformen wird das Gebiet eingezäunt. Die Maasai, deren Vorfahren das Land gehörte, müssen draußen blieben.

Die Vereinigten Arabischen Emirate investieren über sieben Milliarden Dollar in Tansania. Darunter im Bezirk Loliondo in ein Jagdgebiet. Luxuslodges und ein Flugfeld für Privatmaschinen sollen die Scheichs empfangen, die zur Wildtierjagd einfliegen. Das Gelände wird derzeit ebenfalls eingezäunt, dabei ist es ein Weidegebiet für die Rinderherden der Maasai in der Trockenzeit.

Im Juni 2023 war Donald Trump Junior, Sohn des Ex-US-Präsidenten, in den betroffenen Gebieten zu Besuch. Der leidenschaftliche Großwildjäger traf Tansanias Tourismusminister Mohamed Mchengerwa. Der Minister ernannte Trump Junior glatt zu Tansanias Botschafter für Tourismus, der betuchte Jagdkunden aus den USA anlocken soll. Unter der Präsidentschaft seines Vaters Donald Trump hatten die Vereinigten Staaten die Einfuhr von Jagdtrophäen wieder zugelassen. Seither zählen US-amerikanische Großwildjäger - nach den arabischen Scheichs - zu Tansanias lukrativsten Kunden.

Blick in ein Zimmer eines Fünf-Sterne-Hotels
Tourismus ist für Tansanias Wirtschaft enorm wichtig - besonders im Luxussegment lässt sich viel Geld verdienenBild: Greatstock/imago images

Derzeit wird im tansanischen Parlament ein Entwurf debattiert, der nun die Gründung neuer Schutzgebiete vorsieht und der DW vorliegt. Darin ist von einem "strategischen Plan" die Rede, dessen nächste Phase bis 2026 abgeschlossen sein soll. Auf Landkarten sind neue Schutz- und Jagdgebiete sowie "Investitionsflächen" ausgewiesen, wo Luxushotels entstehen sollen.

Diesen Plänen müssen laut Entwurf mindestens weitere 100 Maasai-Dörfer weichen. Damit würden insgesamt 300.000 Menschen vertrieben, erläutern Nichtregierungsorganisationen und die Betroffenen. "Sollten diese Pläne umgesetzt werden, verlieren die Maasai 80 bis 90 Prozent ihres traditionellen Landes", so Roman Herre von der deutschen NGO FIAN, die sich für die Rechte der Maasai stark macht. "Dies würde quasi einer fast vollständigen Zerstörung der traditionellen Lebensweise gleichkommen."

600 Kilometer bis zur neuen Gemeinde

Um den Großinvestoren Platz zu machen, hat Tansanias Regierung weiter im Osten des Landes eine Siedlung für die Maasai errichtet, in Msomera im Bezirk Handeni. Sie liegt rund 600 Straßenkilometer von den bisherigen Wohngebieten entfernt. In modernen Steinhäusern sollen sich die halbnomadischen Maasai niederlassen.

Anfang Juni verkündete die Regierung stolz, erneut seien 600 Maasai nach Msomera gebracht worden. Damit steigt die Gesamtzahl der dorthin umgesiedelten Maasai auf rund 9000, plus rund 40.000 Nutztiere, wie das tansanische Medium  The Citizen berichtete. Der zuständige Kommissar Wilson Sakulo betonte demnach ausdrücklich, dass die Maasai ihre Heimat "völlig freiwillig" verlassen würden - und appellierte, sie sollen sich nicht von "all den Falschinformationen" abschrecken lassen.

Gelder eingefroren wegen Menschenrechtsbedenken

Bislang wurden Tansanias Pläne zum Ausbau der Naturschutzgebiete von zahlreichen internationalen Partnern unterstützt, auch von der deutschen Bundesregierung. Tansania ist in Sachen Naturschutz seit Jahrzehnten das wichtigste deutsche Partnerland in Afrika. Insgesamt fast 30 Millionen Euro hat die deutsche Entwicklungsbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) für Naturschutzprogramme in Tansania bereitgestellt. Ein kleiner Teil davon, rund 220.000 Euro, wurde im vergangenen Jahr eingefroren - wegen Bedenken, dass dadurch die Maasai vertrieben werden könnten.

Ein Tourist auf Safari fotografiert aus dem Auto heraus einen Elefanten
Mehr Schutzgebiete für mehr Naturschutz? Betroffene kritisieren, es gehe der Regierung um mehr TourismusBild: Mathieu Herduin/dpa/picture alliance

Auch die Weltbank hat aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Menschenrechte 150 Millionen Euro für den Ausbau des Tourismus in Tansania zurückgehalten. Die EU-Kommission zog ebenfalls eine Ausschreibung im Wert von rund zehn Millionen Euro zurück.

Hingegen billigte die KfW Anfang 2024 eine Aufstockung der deutschen Naturschutzgelder um neun Millionen Euro. Auf DW-Anfrage präzisiert die Entwicklungsbank: Ein Teil der Projektmittel würde den Maasai-Gemeinden im Umkreis der Naturschutzgebiete zugutekommen, für neue Gesundheitsstationen und Schulen. Gemeint sind Gemeinden in der näheren Umgebung, in die die Maasai umsiedelten, wenn sie nicht nach Msomera wollten. Deutschland finanziere damit die Vertreibungspolitik der tansanischen Regierung indirekt mit, monieren Kritiker.