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Tansanias Nebelwald von Grund auf schützen

Rachel Stern
28. März 2017

Durch lokale Umweltschutz-Projekte und Touristen-Führungen schützen die Dorfbewohner rund um das Amani-Naturreservat in Tansania das Land, das sie einst ausgebeutet haben.

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Nebelwald, Tansania
Bild: Norbert Cordeiro

Sieben Jahre lang hat Juma Ayubu Kidy Tag und Nacht einen Winkel des Nebelwaldes in Tansania durchkämmt, Chamäleons, Vögel, Schildkröten und andere Tiere gefangen, die auf dem illegalen Tiermarkt als wertvoll erachtet wurden.

Doch eines Tages erwischte ihn ein einheimischer Tierschützer, als er - im Wald kauernd - lebende Frösche in einen Korb sammelte. Anstatt auf Konfrontation zu gehen, führten die beiden Männer ein Gespräch.

"Ich überzeugte ihn davon, mit solchen illegalen Aktivitäten aufzuhören. Stattdessen versprach ich ihm einen befristeten Job als Wachmann während meiner Feldarbeit", erzählt Victor Mkongewa, Naturschützer im Amani-Naturreservat, der in der Region aufgewachsen ist und immer noch dort lebt.

Kidy arbeitet jetzt als Wachmann und Fremdenführer in dem 8000 Hektar großen Reservat und nutzt sein Wissen über heimische Tierarten, um sie zu schützen anstatt zu wildern.

"Er ist ein guter Assistent im freien Feld geworden und mag seine Arbeit sehr", fügt Mkongewa hinzu.

Und der frühere Wilderer ist nicht der Einzige, der die Seiten gewechselt hat. Durch Partnerschaften, die vom Park im Ost-Usambara-Biosphärenreservat und anderen NGOs begründet wurden, lernen Einheimische wie Kidy, wie man den Wald und das angrenzende Ackerland bewirtschaftet, anstatt es auszubeuten, und gleichzeitig seinen Lebensunterhalt verdient.

Geplünderter Naturreichtum

Die reiche Artenvielfalt der Usambara-Berge – darunter endemische und bedrohte Tierarten - hat dazu geführt, dass sie "die Galapagos-Inseln von Ost-Tansania" getauft wurden. Etwa 340 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Daressalam gelegen und früher ein Teil von Deutsch-Ostafrika, hat die Gegend eine lange Geschichte menschlicher Ansiedlung und Ausbeutung erlebt.

Die Gegend ist mit ernsten Umweltproblemen konfrontiert, zu einem durch die Einheimischen - die Bevölkerung ist um 4 Prozent gestiegen und damit fast doppelt so schnell wie der nationale Durchschnitt – zum anderen durch ausländische Firmen und Einzelne, die am Gold, der Landwirtschaft, dem Wald und Reptilien für den illegalen Handel interessiert sind.

Laut Nationalem Waldprogramm wurden zwischen 1971 und 1999 in den östlichen Usambara-Bergen mehr als 500.000 Hektar Wald jährlich abgeholzt und so der Lebensraum der Tiere zergliedert, Wildtierkorridore blockiert und Rohstoffe ausgebeutet. Obwohl im Jahr 1997 auf 84 Quadratkilometern das Amani-Naturreservat entstanden ist, hat der Raubbau nicht aufgehört. Wilderei, Goldminen und ressourcenintensive „Cash Crop“- Landwirtschaft, die große Mengen landwirtschaftlicher Produkte ausschließlich für den Export produziert, anstatt die Versorgung der Einheimischen zu sichern, ist dort noch immer anzutreffen.

Die wirtschaftlichen Probleme im Blick werden die Dorfbewohner nicht nur darin geschult, wie sie den Lebensraum der Wildtiere im Park erhalten können, sondern lernen auch, wie sie Nutzpflanzen für den Eigenbedarf anbauen können und den Überschuss auf dem lokalen Markt verkaufen können.

In Kooperation mit der Organisation "Kihime Family Africa" pflanzen Dorfbewohner über 30 heimische Baumarten auf Brachflächen. Dort wachsen sie genauso gut wie die typischen „Cash Crop“-Pflanzen Zimt und Gewürznelken.

Diese Pflanzen in der natürlichen Vegetation anzubauen, fördert die Biodiversität und steigert die Leistungsfähigkeit des Ökosystems: den Wasserkreislauf, die Bestäubung und die Verbreitung von Samen. „Gleichzeitig nützt es den Gemeinden vor Ort, die „Cash Crop“-Bäume nutzen können“, sagt Norbert Cordeiro der DW per E-Mail. Der Tansanier ist an der "Roosevelt University" in Chicago tätig und kommt einmal im Jahr in das Amani-Naturreservat.

Ein Garten für jeden

Dorfbewohner ernten auch den Samen der heimischen Bäume, zum Beispiel den der Baumart Allanblackia Stuhlmanni. Sie nutzen ihn, um Öl zu extrahieren und Produkte wie Margarine oder Seife herzustellen.

„Die Menschen nehmen die Keimlinge und säen sie auf ihrem Ackerland, das hilft ihnen die Armut zu verringern“, sagt Henry Ndangalasi von der Universität in Daressalam, der an diesem Projekt mitarbeitet.

In Partnerschaft mit dem Amani-Naturreservat bekommen Dorfbewohner, die rund um den Park leben, ihre eigenen Gemüsegärten, Bienenstöcke und Fischteiche, und verkaufen die Überschüsse auf dem lokalen Markt und an die immer größere Zahl an Touristen.

Das Naturschutzgebiet ist gut vernetzt mit den Nachbarorten und Händlern, doch die Straßen sind schlecht und brauchen neue Beläge. Bis zur Fertigstellung kann es Jahre dauern, aber dafür muss damit erst einmal begonnen werden. Doch dass es nur langsam vorangeht, ist ein bekanntes Problem, wenn es um die Umwelt geht.

Aktuelle Herausforderungen bewältigen

Dorfbewohner pflanzen Bäume
Dorfbewohner rund um Amani pflanzen dort Bäume, wo einst nach Diamanten gegraben wurdeBild: Victor Mkongewa
Ein grünes Chamäleon
Das Usambara-Dreihornchamäleon ist eine der endemischen Arten, die in dieser Region zuhause sindBild: Norbert Cordeiro
Große Pfützen, wo früher Bäume standen
Durch Abholzung wurden einst zusammenhängende Teile des Waldes in viele kleinere zerstückelt Bild: Norbert Cordeiro

Als im Jahr 2003 im Amani-Naturreservat Gold gefunden wurde, kamen Tausende Tansanier, errichteten illegale Lager, verschmutzten die Flüsse und zerstörten die heimische Vegetation. Zwar sind diese Praktiken in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen, gänzlich ausgemerzt wurden sie nicht.

Die Dörfer rund um den Park haben jeweils ihr eigenes Umweltkomitee mit zwei Repräsentanten, die im Wald patrouillieren, um illegale Aktivitäten wie Holzfällen und Goldabbau zu verhindern. Sie kennen das Gelände und machen immer leichter die Stellen aus, die wegen ihrer Ressourcen geplündert wurden. Doch Erkennen allein reicht nicht.

An einem sonnigen Dienstagnachmittag Anfang des Jahres konnte Mkongewa 700 Dorfbewohner dazu mobilisieren, Bäume auf dem schlammigen Boden, der vom Bergbau zurückgeblieben ist, zu pflanzen.

"Ich möchte den Einheimischen beibringen, den Wald zu erhalten, denn der Wald ist alles", sagt Mkongewa. "Sie begreifen, dass ihnen der Schutz des Waldes auf lange Sicht dabei hilft, ihre Existenz zu sichern, anstatt an zwei Tagen die Bäume zu fällen und 100 Jahre zu warten, bis der Wald sich erholt hat."

Dorfbewohner pflanzen Bäume
Dorfbewohner rund um Amani pflanzen dort Bäume, wo einst nach Diamanten gegraben wurdeBild: Victor Mkongewa