Armenier beharren auf Rücktritt der Regierung
5. Dezember 2020Mehr als 15.000 Menschen hatten sich in der armenischen Hauptstadt Eriwan versammelt und forderten den Rücktritt von Regierungschef Nikol Paschinjan. Erstmals waren auch Vertreter der einflussreichen Armenischen Apostolischen Kirche dabei, wie Korrespondenten berichteten. Paschinjan wurde abermals als "Verräter" beschimpft. Die 49-jährige Kundgebungsteilnehmerin Manja Khaschatrijan meinte, Paschinjan habe Armenien und dem Volk "solche Wunden zugefügt, dass es mehrere Generationen brauchen wird, um sie zu heilen."
Vor knapp einem Monat hatte Paschinjan mit Aserbaidschans Staatschef Ilham Aliyev ein Friedensabkommen für die Südkaukasus-Region unterzeichnet, das unter Vermittlung von Russlands Präsident Wladimir Putin zustande gekommen war.
Vorausgegangen waren sechswöchige Kämpfe um die Region Berg-Karabach mit insgesamt mehr als 4600 Toten. Für die Einhaltung des Waffenstillstands sind laut dem Abkommen 2000 russische Soldaten zuständig. Aserbaidschan feiert das Abkommen als Sieg. Für Armenien bedeutet es große Gebietsverluste.
Viele Armenier sprechen von Kapitulation und seither halten die Proteste Paschinjan an. 17 Oppositionsparteien legten sich nun auf einen Nachfolger für den Ministerpräsidenten fest - den früheren Premierminister Wasgen Manukjan. Der 74-Jährige hatte vor 30 Jahren die damalige Sowjetrepublik in die Unabhängigkeit geführt.
Auf der Kundgebung am Samstag sagte er, Armenien werde nie seinen Frieden machen mit dem Abkommen, müsse sich aber trotzdem daran halten. "Sonst bedeutet das Krieg mit der Türkei und mit Aserbaidschan", sagte er. Aserbaidschan sieht sich in dem Konflikt von seinem "Bruderstaat" Türkei unterstützt.
Manukjan sagte, dass eine neue Regierung unter seiner Führung die vielen offenen Fragen des Abkommens zugunsten Armeniens klären müsse. Dabei wolle er sich eng mit Russland als wichtigstem Verbündeten abstimmen.
Ungeklärt ist zum Beispiel der politische Status von Berg-Karabach. Zwar hatte Paschinjan mehrere Regierungsmitglieder ausgewechselt. Einen Rücktritt lehnt er aber nach wie vor ab. Putin hatte Paschinjan am Mittwoch seine Unterstützung zugesichert und ihn für seinen "Mut" gelobt. Das Abkommen sei eine "sehr schwierige, aber notwendige Entscheidung" gewesen.
uh/sti (afp, dpa)