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Tausende demonstrieren für Datenschutz

Jennifer Stange28. Juli 2013

In vielen deutschen Städten haben Menschen gegen Geheimdienste demonstriert und ein Ende der Internetüberwachung gefordert. Allerdings fällt der Aufstand auf der Straße weit geringer aus als im Internet.

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Breite Unterstützung von Parteien und Datenschutzverbänden Auftaktkundgebung auf dem Roßplatz in Frankfurt Frankfurt Demonstration Stop Watching Us in Frankfurt 27.7.2013 Copyright: Jennifer Stange
Bild: Jennifer Stange

Tausende Menschen haben weltweit und in mehr als 30 deutschen Städten unter dem Motto "Stop Watching Us" (Hört auf, uns zu beobachten) gegen die Ausspähung von Telefon- und Internetverbindungen demonstriert. Seit Bekanntwerden der Abhöraktionen des amerikanischen Geheimdienstes NSA war die Empörung bei Internetnutzern groß. Aber diesen Protest am Samstag (27.07.2013) erstmals auf die Straße zu tragen und auch diejenigen zu mobilisieren, die wenig Interesse am Internet haben, ist kein leichtes Unterfangen, hat Jan-Martin Zimmermann festgestellt, einer der Organisatoren der Demonstration in Frankfurt.

Denn Überwachung sei wie Radioaktivität: Man könne sie nicht sehen, hören oder spüren, aber sie sei da. Zimmermann sieht in dieser Gespensthaftigkeit der digitalen Überwachung eine Hauptursache dafür, dass die öffentlichen Reaktionen auf die NSA-Spähaffäre bisher verhalten ausfielen.

Das Motto "Stop Watching Us" geht auf eine Kampagne zurück, die eine Gruppe von Firmen und Bürgerrechtsorganisationen Anfang Juni ins Leben riefen, um gegen die Spionage der NSA zu protestieren. "Diese Art der pauschalen Datensammelei kratzt an den amerikanischen Grundwerten von Freiheit und Privatsphäre", heißt es in einer Online-Petition, die bisher mehr als eine halbe Million Menschen unterschrieben hat.

Trennung zwischen Online- und Offlinewelt

In Deutschland sind Online-Petitionen ähnlich erfolgreich. Gegen das Überwachungsprogramm Prism und die strafrechtliche Verfolgung von Whistleblowern wendet sich beispielsweise eine Petition an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Plattform change.org, die mehr als 40.000 Menschen unterzeichneten.

Demonstrationsteilnehmer warten im Schatten auf den Beginn. Links T-Shirt mit Bradley Mannings, der in den USA wg. Hochverrats vor Gericht steht. Solidarität mit Whistleblowern Frankfurt Demonstration Stop Watching Us in Frankfurt 27.7.2013 Copyright: Jennifer Stange
Ein "gläserner Bürger" auf der DemonstrationBild: Jennifer Stange

Der im Netz deutlich gezeigte Unmut sollte mit den Demonstrationen am Samstag nun auch sichtbar auf der Straße werden. "Es gibt nur eine Welt, online und offline gehören zusammen, und es müssen überall dieselben Grundrechte durchgesetzt werden", betont Mitorganisator Zimmermann. Alle müssten verstehen, "dass wir uns in einem Staat bewegen, der die Infrastruktur hat, uns alle einzuschränken und alle zu überwachen - und das darf in einer Demokratie nicht der Fall sein."

Diese gedachte Trennung zwischen Internet und Offlinewelt zu überwinden, fällt nicht nur den "normalen Menschen", sondern offenbar auch den Netzbewohnern schwer. Der ganz große Offlineprotest blieb zu diesem heißen Thema jedenfalls aus. Die Teilnehmerzahlen lagen in den meisten Städten bei unter 500. Außer in Frankfurt kamen nur in Berlin und Hamburg jeweils über 1000 Menschen zusammen. Die Veranstalter machten dafür auch das heiße Wetter verantwortlich.

Jan-Martin-Zimmermann, Sprecher von Stop Watching Us auf dem Lautsprecherwagen. Copyright: Jennifer Stange
Kampagnensprecher Jan-Martin Zimmermann: "Der Staat hat die Infrastruktur, uns alle zu überwachen"Bild: Jennifer Stange

Buhrufe für den hessischen Justizminister

Bei der Auftaktkundgebung auf dem Frankfurter Roßplatz drängten sich die Demonstranten im Schatten der Platanen. Die träge Stimmung der Mittagshitze erwachte zum Leben, als der hessische Justizminister und FDP-Politiker Jörg-Uwe Hahn den Lautsprecherwagen betrat. Er forderte ein internationales Abkommen für Datenschutz, vergleichbar mit denen für weltweiten Klimaschutz. Allerdings gingen seine Worte in Buhrufen und Pfiffen unter. Denn viele Teilnehmer waren der Meinung, dass vor allem die Regierung und etablierte Parteien wie die FDP bei diesem Thema versagten.

Einer von ihnen ist Daniel K. Er ist aus dem Westerwald angereist und sagt, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) habe "keine Ahnung", wenn er die Bürger auffordere, ihre Daten selbst zu schützen. Die Bürger müssten vielmehr vom Staat und entsprechenden Gesetzen geschützt werden. "In Deutschland haben wir ein Briefgeheimnis, warum gilt das nicht auch für E-Mail-Adressen?", fragt Daniel K.

Netzbewohner suchen Schutz im Schatten der Bäume Demonstrationsteilnehmer mit Schildern. Links Daniel K. Frankfurt Demonstration Stop Watching Us in Frankfurt 27.7.2013 Copyright: Jennifer Stange
Zwei Demonstranten mit Bildern von US-Präsident Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel.Bild: Jennifer Stange

Forderung nach Untersuchungsausschuss im EU-Parlament

Die Kampagne "Stop Watching Us" wird in Deutschland von Organisationen wie dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, dem Chaos Computer Club, Digitalcourage sowie Parteiverbänden von den Liberalen über die Grünen bis zur Linken und vor allem der Piratenpartei getragen. Sie fordern anlässlich der jüngsten Überwachungsskandale einen Untersuchungsausschuss im EU-Parlament. "Weil entsprechende Gesetzgebungskompetenzen ganz klar auf europäischer Ebene liegen. 80 Prozent der deutschen Gesetze sind auf Grundlage europäischer Richtlinien umzusetzen", sagt Kampagnensprecher Zimmermann. Deshalb müsse über Ländergrenzen hinaus etwas passieren.

Die Freiheit im Netz wird jedoch nicht nur durch Geheimdienste gefährdet. Dafür liefert auch "Stop Watching Us" ein prägnantes Beispiel. Die Facebook-Seiten der Organisationsgruppe und die Mobilisierungsseite für die Demonstration in Frankfurt waren für mehr als 24 Stunden nicht mehr erreichbar, sagt Jan-Martin Zimmermann. Nach mehrmaligen Anfragen habe Facebook auf einen technischen Defekt verwiesen, an den Zimmermann nicht glauben möchte. "Das Maß, in dem wir von Unternehmen wie Facebook, Google, oder Microsoft abhängig sind, wird so erst richtig gruselig."