Tauziehen um die innere Sicherheit
12. August 2016Nach den Anschlägen in Würzburg, München und Ansbach steht das Thema innere Sicherheit ganz oben auf der politischen Tagesordnung. Und es spielt auch für die kommenden Wahlkämpfe eine Rolle: Im September wählen die Bundesländer Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ihre Landtage und in gut 13 Monaten bestimmen alle Deutschen den neuen Bundestag.
Darum wollen die Innenminister und -senatoren der unionsregierten Länder in der kommenden Woche eine "Berliner Erklärung" verabschieden, die harte Maßnahmen vorsieht. Im Vorfeld ist die Rede vom Verbot der Vollverschleierung, einem sogenannten Burka-Verbot. Außerdem sollen die doppelte Staatsbürgerschaft abgeschafft und Flüchtlinge stärker überwacht werden. Sind die Forderungen neu? Und sind sie juristisch und politisch durchsetzbar?
Burka-Verbot
"Für mich ist die Burka ein klares Symbol für die Unterdrückung der Frau", sagt Frank Henkel, Berlins CDU-Innensenator im Boulevardblatt "Bild".
Henkel und sein Parteifreund und Ministerkollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, fordern regelmäßig ein Burka-Verbot. Auch die Berliner Erklärung soll diesen Punkt enthalten. Kein Wunder: Caffier ist - als derzeitiger Vorsitzender der Unionsrunde der Innenminister - verantwortlich für deren Entwurf.
Die prominenteste Gegenrede kam von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Er halte ein generelles Verbot der Burka in Deutschland für "verfassungsrechtlich problematisch", sagte er am Donnerstag. Und fügte hinzu: "Man kann nicht alles verbieten, was man ablehnt - und ich lehne das Tragen der Burka ab."
Mit diesem Spagat steht de Maizière in der Linie seiner Partei. Der CDU-Bundesparteitag lehnte im Dezember die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit als Zeichen "fehlender Bereitschaft zur Integration in unsere freie und offene Gesellschaft" ab, forderte aber ausdrücklich nicht deren Verbot. Vorangegangen war eine der wenigen kontroversen Debatten des Treffens. Vor allem Vize-Vorsitzende Julia Klöckner und Präsidiumsmitglied Jens Spahn warben für das Burka-Verbot und tun es noch. Im Mittelpunkt stand dabei allerdings die Integration - nicht Terror oder innere Sicherheit.
Möglicherweise wäre dieses Ansinnen auch gar nicht rechtens. "Ein generelles Verbot der Burka im öffentlichen Raum verstößt gegen das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes und lässt sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen." So urteilte bereits 2010 der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, dessen Gutachten für die Abgeordneten zur Meinungsbildung wichtig, aber nicht verbindlich sind. Letztlich geht es um Religionsfreiheit, die auch die höchste deutsche Rechtsprechung bei Urteilen stets betont.
Doppelpass
"Wir fordern eine bewusste Entscheidung für die Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung und keinen Staatsangehörigkeitsautomatismus." Damit wenden sich die Unions-Innenminister in ihrem Entwurf der Berliner Erklärung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft.
Die hatte die rot-grüne Koalition 1999 auf den Weg gebracht. Die jetzige große Koalition beschloss 2014 einen rechtlichen Rahmen dafür. Die vorausgegangene Einigung zwischen dem CDU-Innenminister de Maizière und SPD-Justizminister Heiko Maas ärgerte viele Abgeordnete der Unionsfraktion.
Für EU-Bürger in Deutschland gibt es schon seit über zehn Jahren die Möglichkeit, zwei Staatsbürgerschaften zu haben. Geduldet wird der Doppelpass auch bei Menschen, deren Herkunftsländer eine Ausbürgerung nicht akzeptieren (unter anderem Syrien, Marokko, der Iran und viele Staaten Lateinamerikas). Seit 2014 schließlich existiert der Doppelpass für Kinder ausländischer Eltern, die überwiegend in Deutschland aufgewachsen sind. Das sind vor allem türkischstämmige Deutsche.
Die Forderung, die doppelte Staatsangehörigkeit generell abzuschaffen, entspricht einerseits einer nationalkonservativen Tradition der Union. Andererseits wurde sie befeuert durch die Solidarität zehntausender Deutschtürken mit dem harten Vorgehen des türkischen Präsidenten Erdogan nach dem blutigen Putsch am 15. Juli.
"Wir sollten das Thema nicht neu eröffnen", sagte de Maizière am Donnerstag. Gleichzeitig schlug er vor, bestimmten Personen die Staatsbürgerschaft zu entziehen: Deutsche, die sich im Ausland an dschihadistischen Kämpfen beteiligen und noch einen anderen Pass besitzen, sollen den deutschen Pass verlieren. Dafür fände de Maizière vielleicht auch Zustimmung in anderen Fraktionen. Für mehr aber gewiss nicht.
Sicherheitscheck
"Wir prüfen", so Thomas de Maizière zu seinem Sicherheitskonzept am Donnerstag, "anlassbezogen ein Screening des öffentlich zugänglichen Teils von Social-Media-Zugängen der aufzunehmenden Personen."
Soll heißen: Der Innenminister will überwachen, was Flüchtlinge bei Facebook und Co. kommunizieren. Denn viele von ihnen kommen ohne gültige Ausweisdokumente nach Deutschland, haben aber ein Handy, mit dem sie Verbindung zur Familie und Heimat halten. Die Unions-Innenminister erwägen darüber hinaus, Geheimdiensten auch Kommunikationsdaten zugänglich zu machen. Das betrifft die Vorratsdatenspeicherung. Ein entsprechendes Gesetz ist nach mehreren Änderungen im Dezember verabschiedet worden; Kritiker haben Klagen dagegen angekündigt.
In Deutschland hat der Gesetzgeber Regeln festgelegt, nach denen Arbeitgeber die frei zugänglichen Social-Media-Aktivitäten von Bewerbern kontrollieren dürfen. Keine Gesetze gibt es bisher zu der Frage, inwieweit Flüchtlinge ohne gesicherte Identität überprüft werden dürfen. Abgewogen werden müssen hier der Persönlichkeitsschutz der Migranten und die Sicherheitsinteressen des Staates.
Das Daten-Screening berührt am ehesten direkt Aspekte der inneren Sicherheit. Auch wenn die Innenminister der Unionsländer nicht in allem mit de Maizière übereinstimmen - in diesem Punkt gehen sie in die gleiche Richtung.