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Chronik eines Skandals

Klaus Dahmann19. Oktober 2013

Das Schicksal des Limburger Bischofs entscheidet sich in Rom. Kann sich Franz-Peter Tebartz-van Elst trotz der Skandale im Amt halten? Wir analysieren die turbulenten Ereignisse der letzten Monate.

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Der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bild: picture-alliance/dpa

"Pass auf, das Amt kann den Charakter verderben!" Diese gut gemeinte Warnung bekam einst der katholische Erzbischof von Hamburg, Werner Thissen, von einem Amtsbruder mit auf den Weg, wie er jüngst der ZEIT-Beilage "Christ & Welt" erzählte. Da schlugen die Wellen der Empörung über das Amtsgebaren des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst bereits hoch, immer neue Details über seine verschwenderischen Ausgaben wurden bekannt, bei der Staatsanwaltschaft gingen Anzeigen gegen ihn ein.

Womit erregte Tebartz-van Elst so viel Unmut?

Schon Anfang 2012 geriet der Limburger Bischof mit einem Flug nach Indien in die Schlagzeilen: Er sei zur Unterstützung sozialer Projekte nach Bangalore gereist, sagte er nach seiner Rückkehr, um Kindern zu helfen, "die in Steinbrüchen tätig sind". Ein edles Motiv, doch das Nachrichtenmagazin SPIEGEL fand wenig später ein pikantes Detail heraus: Tebartz-van Elst war erster Klasse geflogen - "First Class in die Slums", wie der SPIEGEL titelte - eine Reise im Wert von 7000 Euro, die zum Teil durch die Einlösung von Bonusmeilen und Zuzahlung aus der Privatschatulle des Bischofs bestritten wurde.

Im Sommer 2013 sickerten dann Einzelheiten über den Neubau des Bischofssitzes in Limburg durch: Statt der ursprünglich veranschlagten 5,5 Millionen Euro standen plötzlich Kosten in Höhe von knapp 10 Millionen Euro im Raum. Mehrere deutsche Medien bohrten nach - und kamen zu dem Schluss, dass die Kosten noch viel höher liegen müssen.

Luftbild des Neubaus des Bischofssitzes (weiß) des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst unmittelbar vor dem Dom von Limburg . Foto: Thomas Frey/dpa
Der Bischofssitz in Limburg - ein Ort von Protz und Gloria?Bild: picture-alliance/dpa

Die auflagenstärkste Boulevard-Zeitung BILD enthüllte eine Preisliste von Sonderwünschen des "Protz-Bischofs": 15.000 Euro für eine frei stehende Badewanne, 100.000 für einen hängenden Adventskranz, 450.000 für Kunstwerke, knapp 800.000 für einen Garten und 2,3 Millionen für einen Lichthof… Einiges davon hatte Tebartz-van Elst erst spät in Auftrag gegeben, so dass bereits fertig gestellte Decken und Böden wieder aufgerissen werden mussten. Mittlerweile hat das Bistum die Ausgaben für den Bischofssitz mit 31 Millionen Euro beziffert - was, so wird spekuliert, auch noch nicht alle Kosten einschließt.

Wie reagierte Tebartz-van Elst auf die Vorwürfe?

Gegen den SPIEGEL ging der Bischof wegen des Berichts über die Indien-Reise juristisch vor, behauptete gar, Business Class geflogen zu sein, was er später zurücknehmen musste. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Hamburg einen Strafbefehl gegen ihn wegen falscher eidesstattlicher Versicherung beantragt.

Franz-Peter Tebartz-van Elst, Bischof von Limburg, im Innenhof vor der Kapelle des Bischofshauses auf dem Areal der alten Vikarie gegenüber dem Limburger Dom. Foto: Boris Roessler/dpa
In Erklärungsnot: Limburgs Bischof Franz-Peter Tebartz-van ElstBild: picture-alliance/dpa

Zur Kostenexplosion beim Neubau des Bischofssitzes hat sich der Bischof bisher nicht konkret geäußert. Nur Ende August wandte er sich in einem vage formulierten Brief an die Gemeinden seines Bistums: Einige seiner Entscheidungen sehe er heute "mitunter in einem anderen Licht", heißt es da. "Rückblickend gibt es Dinge, die ich anders angehen würde." Einen zweiten erklärenden Gemeindebrief hatte er für Mitte Oktober angekündigt, aber dann kurzfristig abgesagt.

Kurz darauf reiste er nach Rom. Zum Abschied sagte er nur, die Entscheidung über seinen Dienst liege in den Händen des Papstes. Laut jüngsten Zeitungsberichten will Tebartz-van Elst sein Amt nicht freiwillig aufgeben.

Wie reagierten die Gläubigen?

Nach den Medienberichten über die Kostenexplosion beim Neubau des Bischofssitzes schlossen sich führende Katholiken des Bistums im August 2013 in Frankfurt zusammen. Ihr offener Brief wurde im Frankfurter Dom verlesen - unter großem Beifall. "Die Bistumsleitung muss umgehend einen anderen Weg einschlagen", hieß es da. Die Zuspitzung der Vertrauenskrise im Bistum sehe man "mit großer Sorge", es sei Zeit, "Fehlentwicklungen zu benennen und auf Änderung hinzuwirken".

Der Düsseldorfer Lichtkünstler Bienkowski hat den Schriftzug "Du sollst nicht stehlen" und einer Karikatur des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst über das Portal des Doms in Limburg projiziert. Foto: Thomas Frey/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Künstlerprotest in Limburg: "Du sollst nicht stehlen"Bild: picture-alliance/dpa

Je mehr Details bekannt wurden, desto lauter hörte man auch offene Rücktrittsforderungen, zum Beispiel von der größten Laienorganisation, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Dessen Präsident Alois Glück brachte es Anfang Oktober auf den Punkt: "Viele in der Kirche erwarten einen Rückzug."

In der vergangenen Woche stieg auch die Zahl der Kirchenaustritte. Allein im Bistum Limburg kehrten innerhalb von zwei Tagen 50 Gläubige der Katholischen Kirche den Rücken - normalerweise sind es nur eine Handvoll pro Woche.

Und auch die katholischen Hilfswerke bekommen den Ärger der Gläubigen zu spüren, vor allem der Dachverband Caritas: Nach Angaben des Deutschland-Chefs Peter Neher haben zahlreiche Spender unter Hinweis auf das Finanzgebaren des Limburger Bischofs angekündigt, der Hilfsorganisation künftig kein Geld mehr zukommen zu lassen.

Wie verhielt sich die katholische Amtskirche?

Der Vatikan schaltete sich Mitte September 2013 ein: Papst Franziskus entsandte Kardinal Giovanni Lajolo nach Limburg, der sich eine Woche lang ein Bild der Situation machen konnte. Tebartz-van Elst stimmte einer Prüfung der Baukosten zu. Details wurden nach dem Besuch nicht bekannt.

Die deutschen Bischöfe stärkten ihrem Limburger Kollegen lange Zeit den Rücken. Als der öffentliche Druck größer wurde, berief die Deutsche Bischofskonferenz eine Kommission zur Überprüfung der Baukosten ein. Und es mehrten sich kritische Stimmen: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sprach von einem "gewaltigen Glaubwürdigkeitsproblem", die gesamte Katholische Kirche in Deutschland trage den Schaden. Auch andere Bischöfe zogen nach. Am deutlichsten wurde der Trierer Bischof Stephan Ackermann: Die Situation sei so eskaliert, dass man sagen müsse, Tebartz-van Elst könne in Limburg nicht mehr arbeiten.

Eröffnung der Deutschen Bischofskonferenz durch Robert Zollitsch. Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay
Robert Zollitsch: "Gewaltiges Glaubwürdigkeitsproblem"Bild: Reuters

Anfang der Woche reiste Zollitsch nach Rom. Am Donnerstag (17.10.2013) besprach er den Fall mit dem Papst, um weitere Schritte zu erörtern.

In den vergangenen Wochen erhoben mehrere Kirchenobere aber auch schwere Vorwürfe gegen die deutschen Medien. Allen voran der Präfekt der Glaubenskongregation in Rom, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der die Vorwürfe als "Erfindung von Journalisten" und die Berichterstattung als "Medienkampagne" geißelte. Ähnlich äußerte sich auch Kardinal Lajolo nach seinem Prüfbesuch in Limburg.

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann Foto: Harald Tittel/dapd
Stephan Ackermann: "Tebartz-van Elst kann nicht mehr in Limburg arbeiten"Bild: dapd

Ist Tebartz-van Elst Opfer einer Medienkampagne?

Diesen Vorwurf weist der Deutsche Journalisten-Verband entschieden zurück: Die ausführliche Berichterstattung über das Finanzgebaren des Limburger Bischofs sei "notwendig und im Sinne des Informationsauftrags der Medien", so der Bundesvorsitzende Michael Konken.

Auch der Journalistische Direktor der katholischen Journalistenschule in München kann keine Medienkampagne erkennen: "Hier dürfen wir nicht Ursache und Wirkung verwechseln", so Bernhard Remmers. Viele Artikel und Fernsehberichte seien "erfreulich sachlich". Nur Formulierungen wie "Protz-Bischof" seien zu kritisieren.