25 Jahre Technoclub Tresor
24. Juli 2016Ein dunkler, kahler Raum, wenige Quadratmeter groß, niedrige Decken und feuchte Luft. An den Wänden des Kellergewölbes stehen alte Schließfächer, eine Gittertür teilt den Raum mit den dicken Stahlbetonwänden und Eisentüren. Der Weg runter führt über eine rustikale Treppe. Alles auf den ersten Eindruck ungemütlich.
Dieser Ort an der Leipzigerstraße in Berlin war Kult. Anfang der 1990er Jahre entwickelte er sich in kurzer Zeit zum Treffpunkt der Technoszene und avancierte zu einem der bekanntesten Clubs der Welt: der Tresor.
Die puristische, kalte Beton-Ästhetik verband sich perfekt mit den wummernden futuristischen Beats des US-amerikanischen Detroit-Techno (eine der ersten Techno-Spielarten), mit den Lichtblitzen des Stroboskops und den Nebelschwaden, in denen die Clubbesucher völlig entrückt tanzten.
Ursprünglich gehörte der Keller zu einem Kaufhaus und wurde tatsächlich als Tresorraum genutzt - daher der Clubname und die verbliebenen Schließfächer. Die Nationalsozialisten enteigneten die jüdischen Besitzer des Hauses, im Zweiten Weltkrieg wurde es bis auf jenen Teil des späteren Clubs zerstört und geriet in Vergessenheit. Zum Glück von Club-Gründer Dimitri Hegemann. Er entdeckte die Räume 1991 zufällig und wusste gleich, dass dieser Ort etwas Besonderes war. Er ließ ihn auch größtenteils in dem Zustand, wie er ihn vorfand.
Deckname: "Galerie mit Stehausschank"
Angemeldet unter dem von Clubs damals oft genutzten Tarnnamen "Galerie mit Stehausschank" drohte dem Tresor mit nur kurzfristig verlängerten Mietverträgen - manchmal nur für zwei bis drei Monate - oft das Aus. Bis 2005 hielt sich der Club an der Berliner Leipzigerstraße 126-128. Nach dem Verkauf des Geländes musste sich Hegemann jedoch eine neue Bleibe suchen. Aus der ursprünglichen Idee, den Club aus- und an einer anderen Stelle einfach wieder einzugraben, wurde nichts.
Stattdessen ist seit 2007 ein altes Heizkraftwerk an der Köpenicker Straße die neue Heimat des Tresors. Mit einem Festival vom 21. bis zum 24. Juli 2016 hat der Club sein 25-jähriges Jubiläum gefeiert. Zahlreiche namhafte internationale Musiker und DJs waren geladen, zur Feier des Clubbestehens aufzulegen: Zum Beispiel DJ Juan Atkins aus Detroit, ein Wegbereiter des Genres, zusammen mit dem bekannten deutschen Elektrokünstler Moritz von Oswald. Die Tatsache, dass ein Technoclub wie der Tresor sich 25 Jahre halten konnte, während andere Berliner Clubs wie der E-Werk oder der Bunker als Folge der Gentrifizierung schließen mussten, ist nicht selbstverständlic. Das zeigt, welchen Stellenwert der "Tresor" und überhaupt Techno in Berlin haben.
Techno in Berlin
Dass Techno in Deutschland und vor allem in Berlin Anfang der 1990er Jahre auf fruchtbaren Boden traf, war kein Zufall. Für Technoexperte, Soziologe und DJ Jan-Michael Kühn waren die vielen leerstehende Häuser nach der Wende und die Etablierung von subkulturellen Strukturen in Ost- und Westberlin schon vor dem Fall der Mauer wichtige Faktoren für den Erfolg von Techno, erklärt er im DW-Interview. Zudem ermöglichte die vor allem auf wiederkehrenden Rhythmen und körperlich wahrnehmbaren Bässen basierende Musik ein Gefühl von Einheit: "Die Musik, das Tanzen und die Lautstärke standen ganz im Mittelpunkt. Dadurch kam eine Art Nivellierung und Gleichheit auf dem Dancefloor zustande. Letztendlich waren alle da, um zu tanzen und Spaß zu haben", erzählt Kühn.
Doch Techno ist nicht unbedingt in Deutschland entstanden, sondern wurde maßgeblich in den USA in Städten wie Chicago und Detroit von DJs wie Juan Atkins oder Jeff Mills geprägt. Dabei gibt es zahlreiche verschiedene Stile (House, Goa, Gabba etc.), die oft an bestimmten Orten entstanden sind und ganz konkrete Charakteristika aufweisen. Für all das war Deutschland ein Sprungbrett, denn "erst in Berlin ist das Prinzip Clubkultur gewachsen. Das heißt, es wurden Diskotheken angemietet, in denen ganz bestimmte Formen von Musik gespielt wurden", erklärt Kühn.
Vorläufer von Techno, den Kühn allgemein als "eine Form von elektronischer Tanzmusik" bezeichnet, liegen aber durchaus in Deutschland. Wie zuvor schon der US-Amerikaner John Cage, experimentierte auch der avantgardistische Komponist Karlheinz Stockhausen in den 1950er Jahren mit elektronischen Klängen und Techniken. In den 1970ern waren es dann deutsche Bands wie Tangerine Dream und Kraftwerk, die Pionierarbeit für die elektronische Musik verrichteten, das Genre des Elektro-Pop maßgeblich prägten und zahlreiche Bands der 1980er wie Depeche Mode, David Bowie und New Order stark beeinflussten.
Techno zwischen Mainstream und Underground
Definieren zu wollen, wo Techno anfängt und aufhört und wie sich Mainstream und Underground unterscheiden, erachtet Jan-Michael Kühn als sehr komplex, denn "die Technoszene damals war keine homogene Musikszene von Personen, die alle dasselbe wollten." So gab es Künstler wie Dr. Motte, WestBam oder DJ Marusha, die den Techno für eine große Masse zugänglich machen wollten. Für die Popularität von Techno in den 1990ern sprechen auch Erfolge von Bands wie Scooter oder stetig wachsende Events wie die Loveparade.
Das, was man als "Underground" bezeichnen würde, findet eher in den Clubs statt, die für einen bestimmten Stil stehen und in denen lange Mixe und keine einzelnen Songs laufen. So resümiert Kühn: "Der richtige Mainstream ist in den Clubs eigentlich nie angekommen, weil er da nicht leben kann." Viele Clubs in Deutschland, wie zum Beispiel auch das berühmte Berliner Berghain, bleiben sich in ihrer Kultur treu - auch, wenn sie laut Kühn mit einem anderen Konzept bestimmt noch mehr Geld verdienen könnten.
Fest steht für Kühn auch, dass sich leektronische Musik in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit erfreut. Dies zeigen Erfolge von Künstlern wie Avicii, David Guetta oder auch die Popularität der Deutschen Felix Jaehn und Robin Schulz. Doch deren Musik würde es öfter auf Konzerten, statt in Clubs zu hören geben, so Kühn. Aber der Elektro-Boom der letzten Jahre hat eine wichtige Veränderung mit sich gebracht: Wo früher Singer-Songwriter und Bands maßgeblich den Ton angaben, haben sich mittlerweile DJs als ebenbürtige Künstler im Musikbusiness etabliert.
Jan-Michael Kühn (1980) ist promovierter Soziologe, Blogger, legt als DJ Fresh Meat auf und veröffentlichte kürzlich seine Doktorarbeit als Buch unter dem Titel "Die Wirtschaft der Techno-Szene".