Iran geht gegen soziale Netzwerke vor
24. August 2016Die Revolutionsgarden im Iran sind ein Staat im Staate – und sie sind mächtig. Sie verfügen nicht nur über eigenständige Truppenteile für Heer, Luftwaffe, Marine, Spezialeinheiten für Auslandeinsätze oder die Freiwilligenmiliz Basidsch. Sie unterhalten auch eine Cyber-Armee und ein "Zentrum zur Überwachung und Bekämpfung der organisierten Cyberkriminalität". Was als Cyberverbrechen gilt, bestimmt eine eigene Arbeitsgruppe des Zentrums.
Am vergangenen Dienstag hat die Webseite "Gerdab" über den großangelegten Schlag gegen unliebsame Online-Aktivitäten berichtet. "Gerdab" ist die offizielle Webseite des "Zentrums zur Überwachung und Bekämpfung der organisierten Cyberkriminalität".
Das Verbrechen der Verdächtigen soll in "unmoralischen Aktivitäten, religiöser Beleidigung oder illegalen Aktivitäten im Bereich Mode" bestanden haben.
Ermittlungen gegen die Modebranche
Erst im Mai war bekannt geworden, dass das Abwehrzentrum seit zwei Jahren unter dem Codenamen "Spinne 2" verdeckt gegen die Modebranche in sozialen Netzwerken ermittelt. Acht Models wurden verhaftet. Ihnen wurde "Verbreitung antiislamischer Kultur" vorgeworfen.
Seit der islamischen Revolution im Iran müssen sich Frauen an eine strenge Kleiderordnung halten. Doch trotz Repressalien halten sich viele Frauen nicht daran.
Zahlreiche Models präsentieren die neuste Mode in sozialen Medien, besonders auf Instagram. Geschätzt 60 Prozent der iranischen Nutzer von Instagram sollen entsprechende Seiten aufrufen.
"Eigentlich müssten sie die ganze Stadt verhaften", meint der iranische Blogger Arash Abadpour im Gespräch mit der DW. "Die jungen Menschen wollen mit Programmen wie WhatsApp, Viber oder Facebook nur die staatliche Zensur umgehen und relativ frei miteinander kommunizieren. Aber die Machthaber wollen alles kontrollieren."
40 Millionen Nutzer
Der Iran ist eine junge Nation: Das Durchschnittsalter liegt bei 29 Jahren. Mehr als die Hälfte der 80 Millionen Iraner ist online. Mit großem Aufwand versuchen die Revolutionsgarden, die Aktivitäten der jungen Iraner im Netz und den sozialen Medien zu überwachen. Für sie gilt es, eine "westliche Kulturinvasion" zu bekämpfen. Aber die Iraner lassen sich nicht so leicht einschüchtern.
Der Zugang zu Facebook und Twitter ist schon lange gesperrt. Viele Iraner aber umgehen die Zensur mit VPN-Zugängen. Selbst Politiker sind auf Twitter aktiv. Und immer wieder werden Kampagnen auf Facebook oder Twitter organisiert, die sogar die Aufmerksamkeit der internationalen Medien auf sich ziehen.
Ende Juli zum Beispiel organisierte die Journalistin Masi Alinejad eine Kampagne unter dem Hashtag #meninhijab: Sie lud iranische Männer ein, Fotos von sich mit Kopftuch auf Facebook, Twitter und Instagram zu posten - als Zeichen der Solidarität mit den Frauen im Kampf für ein Ende der Kleidervorschriften. Viele Männer in und außerhalb des Irans folgten ihrer Einladung.
Im Gespräch mit der DW betont Alinejad: "Die sozialen Netzwerke sind das einzige Instrument, das wir haben. Seine Macht dürfen wir nicht unterschätzen. Damit können wir unterdrückte Stimmen und Meinungen mobilisieren und ihnen ein Gesicht geben. Ein Gesicht, das sich in den internationalen Medien widerspiegelt."