1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteAsien

Teheran: Kein sicherer Ort für Feinde Israels

2. August 2024

Noch bekennt sich niemand zu dem tödlichen Attentat auf den Hamas-Anführer Ismail Hanija in Teheran. Der Iran wirft Israel vor, ein Geheimdienstnetzwerk im Land zu unterhalten.

https://p.dw.com/p/4j24F
Portraitbild des Hamas-Führers Ismail Hanija, der in Teheran getötet wurde
Ismail Hanija wurde gezielt in Teheran getötetBild: IMAGO/NurPhoto

Zwei Tage nach dem herzlichen Empfang von Ismail Hanija in seinem Büro sprach Irans religiöser Führer Ayatollah Chamenei das Totengebet am Sarg des Hamas-Führers. Von dem Schock über die Tötung des Chefs des Politbüros der Hamas in der iranischen Hauptstadt scheint sich der 85-Jährige Ayatollah nicht erholt zu haben.

Die Hamas ist eine militante, islamistische, palästinensische Gruppe. Die Europäische Union, ebenso wie die USA, Deutschland und weitere Länder stufen die Hamas als Terrororganisation ein. 

Bei der Trauerfeier am 1. August schaute Chamenei mehrmals besorgt in den Himmel und beobachtete seine Umgebung. Laut Medienberichten wurde Hanija gezielt von einer Rakete getroffen. Er befand sich im Gästehaus des iranischen Präsidenten in der Saadabad-Palastanlage.

Spekulationen über Todesursache

Diese Anlage liegt in einer Hanglage in den Ausläufern des Elburz-Gebirges im Norden Teherans. Die Umgebung der Palastanlage ist frei zugänglich; Bergsteigen in dieser Region gehört zu den Freizeitaktivitäten in der Hauptstadt.

Hanija könnte womöglich durch eine kleine, mit Sprengstoff präparierte Quadcopter-Drohne getötet worden sein, berichtete eine Quelle der Neuen Zürcher Zeitung am 31. Juli. Die gleiche Vermutung wurde auch in dem englischsprachigen Nahostportal Amwaj.media angestellt.

Am ersten August berichtete die US-amerikanische Zeitung New York Times, Hanija sei durch eine ferngezündete Bombe getötet worden, die in das Gästehaus geschmuggelt worden sei.

"Ich habe mir die Bilder von dem Gebäude, in dem er sich befand, angeschaut. Angesichts des geringen Schaden an dem Gebäude kann ich nicht genau sagen, was eingesetzt wurde", sagt Fabian Hinz, Experte für Drohnen- und Raketensysteme, im Gespräch mit der DW.

Hinz forscht beim Thinktank International Institute for Strategic Studies (IISS) zu den Themen Verteidigung, Militäranalyse und Nahost.

"Der Schaden an dem Gebäude war sehr begrenzt. Es ist durchaus möglich, dass eine Quadcopter-Drohne eingesetzt wurde. Es gibt Quadcopter, die vor Ort gesteuert werden, oder solche, die über Satelliten und Internet gesteuert werden. Es könnte aber auch andere Munition gewesen sein."

Versagen der Sicherheitsbehörden

Fakt ist, dass Hanijas Aufenthaltsort kein Geheimnis war. Der Politbüro-Chef der Hamas war nicht zum ersten Mal in Teheran.

Zuletzt reiste er im Mai 2024 nach Teheran, um an der Beerdigung des bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommenen Präsidenten Raisi teilzunehmen. Diesmal war er Gast bei der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian.

Ismail Hanija - wer war der getötete Hamas-Chef?

"Hanija wusste, dass Teheran für ihn nicht sicher war", sagt Guido Steinberg, Nahost- und Terrorismusforscher bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, im Gespräch mit der DW.

Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 haben die israelischen Agenten alle Anführer der Terrororganisation ins Visier genommen. Bei dem Angriff wurden 1200 Israelis getötet und 240 Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt.

"Israel wollte Hanija nicht in der Hauptstadt von Katar, Doha, angreifen, wo er seit langem lebt und das politische Büro der Hamas leitet", sagt Guido Steinberg und fügt hinzu: "Doha spielt eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern und ist gleichzeitig Verbündeter der USA."

Steinberg erklärte, er sei überrascht, dass Hanija in Teheran nicht besser geschützt wurde. "Er hätte wissen müssen, dass Teheran von israelischen Agenten durchdrungen ist. Teheran ist nicht einmal fähig, seine eigenen Topleute zu schützen, wie zum Beispiel den Atomwissenschaftler Mohsen Fachrisadeh."

Auto mit Schusslöchern in der Windschutzscheibe. In diesem Auto wurde der iranische Atomwissenschaftler Mohsen Fakhrizadeh getötet.
Mohsen Fakhrizadeh wurde im November 2020 in seinem Auto in der Nähe der Hauptstadt Teheran getötetBild: Tasnim

Sabotage und gezielte Tötungen 

Mohsen Fachrisadeh, der im November 2020 in der Nähe der Hauptstadt Teheran ermordet wurde, gehörte zu den am besten geschützten Personen im Iran. Als Schlüsselfigur des iranischen Atomprogramms war er seit Mai 2018 der Weltöffentlichkeit bekannt.

Damals präsentierte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einer Pressekonferenz Material, das der israelische Geheimdienst Mossad im Iran erbeutet hatte.

Netanjahu gab brisante Details über das iranische Atomprogramm bekannt und betonte dabei: "Merken Sie sich diesen Namen, Fachrisadeh".

Israel sieht das iranische Atomprogramm als Gefahr für seine Existenz. Dem Land wird die Sabotage des iranischen Atomprogramm zugeschrieben, zum Beispiel mit dem Stuxnet-Virus im Jahr 2010, oder mit der gezielten Tötung einer Reihe von iranischen Atomwissenschaftlern.

Kampf gegen ein Geheimdienst-Netzwerk

Der Iran und Israel sind seit Jahrzehnten Erzfeinde. Seit der Revolution von 1979 spricht die Führung der Islamischen Republik Israel das Existenzrecht ab und droht dem "zionistischen Regime" mit Vernichtung.

Der Iran sieht sich als die Regionalmacht und als Zentrum des wahren Widerstands gegen den Imperialismus. Teheran unterstützt die sogenannte "Achse des Widerstands" in der Region.

Diese setzt sich aus pro-iranischen militant-extremistischen Gruppen wie der Hamas und der Hisbollah zusammen. Auch die Hisbollah steht auf der Terrorliste der EU.

Warum Iran und Israel Feinde sind

"Das große Netzwerk des Mossad im Iran, das hinter Sabotageakten gegen unsere Atomanlagen und Anschlägen auf unsere Wissenschaftler stand, haben wir unter Präsident Raisi zerschlagen", behauptete der iranische Geheimdienstminister Esmaeil Khatib noch am 24. Juli im Gespräch mit dem Staatsfernsehen.

Nur zehn Tage später wurde Hanija, einer der wichtigsten Staatsgäste, in der Präsidialresidenz der Hauptstadt getötet. Die israelische Regierung will sich nicht zum Tod des Hamas-Anführers äußern. Irans oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei macht aber Israel dafür verantwortlich und droht mit einer "schweren Strafe".

"Die härteste Rache wäre, Israels internes Einflussnetzwerk im Iran zu identifizieren und zu zerstören", schrieb Ghorbanali Salavatian, ein ehemaliger Kommandeur der Revolutionsgarden, auf seinem Twitter-Account am ersten August.

Ohne Informationen aus den höchsten internen Ebenen des Sicherheitsapparates wäre die gezielte Tötung des "Märtyrers Hanija", der unter dem Schutz des Präsidenten stand, nicht möglich gewesen, so die Einschätzung der iranischen Militärs.