Kulturprojekt mit Konfliktpotential
22. Juni 2016Es scheint so, als habe das Atom-Abkommen mit dem Iran unter den westlichen Staaten ein Wettlauf um Gunst und Geschäfte ausgelöst. Die Deutschen mischen ganz vorne mit. Schon kurz nach Abschluss des Abkommens reiste Wirtschaftsminister Gabriel nach Teheran. Und jetzt ist laut dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" auch Bundeskanzlerin Merkel bereit, den iranischen Präsidenten Hasssan Rohani in Berlin zu empfangen, nachdem sie wegen der israelfeindlichen Haltung des Mullah-Regimes lange gezögert hatte. Ein großes kulturpolitisches Kooperationsprojekt sollte die Annäherung zusätzlich flankieren. Doch es droht zum unüberwindbaren Stolperstein zu werden.
"Die Moderne aus Teheran kommt nach Berlin", hatte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz noch im Herbst des vergangenen Jahres feierlich verkündet, nachdem sie eine entsprechende Vereinbarung mit dem Tehran Museum of Contemporary Art (TMoCA) über eine spektakuläre Ausstellung ausgehandelt hatte. Spitzenwerke europäischer und amerikanischer Malerei aus der Sammlung der früheren persischen Kaiserin Farah Pahlavi sollten erstmals seit der Islamischen Revolution wieder gezeigt werden. Und zwar nicht in London, Paris oder Rom, sondern in Berlin. Darunter Werke von Claude Monet, Max Ernst und Jackson Pollock. Die Entscheidung für Deutschland war damals als politischer Coup gesehen worden. Die Intention der Deutschen war, mit der Ausstellung Wertschätzung zu demonstrieren und den Iran weiter zu öffnen.
Holocaust-Karikaturen in Teheran
Doch noch bevor das erste Bild aus Teheran in Berlin eingetroffen ist, liefert der Iran etwas anderes: Zündstoff für heftige innen- und außenpolitische Diskussionen. Das Teheraner Mullah-Regime veranstaltete nämlich in der Zwischenzeit einen umstrittenen Karikaturen-Wettbewerb. Prämiert wurden Einsendungen, die den Holocaust als Erfindung darstellen und die Opfer verhöhnen. Ausgerechnet Majid Moullanourouzi, der Direktor des TMoCA und Abteilungsleiter im iranischen Kulturministerium, überreichte die Siegerurkunden. Das alles könnte das Ausstellungsprojekt jetzt gefährden.
Bundesaußenminister Steinmeier höchst selbst war im Oktober 2015 bei der Vertragsunterzeichnung dabei und lobte den Abschluss damals als "Diplomatie der Kultur". Nun wird sein diplomatisches Geschick gebraucht, um aus der Diplomatie der Kultur keine Konfrontation wegen Kultur werden zu lassen. Ob unter solchen Vorzeichen das Ausstellungsprojekt überhaupt politisch haltbar ist, wurde vermutlich auch im Auswärtigen Amt diskutiert. Auf Anfrage der Deutschen Welle hieß es jetzt aber von dort: "Unser Grundsatz ist, dass wir nicht weniger, sondern mehr Gesprächskontakte, mehr Austausch gerade im Kulturbereich brauchen, auch wenn es manchmal schwierig und mühsam ist." Außenminister Steinmeier hält also offensichtlich an dem deutsch-iranischen Ausstellungsprojekt fest. Gleichzeitig stellte sein Ministerium gegenüber der DW klar: "Für eine Leugnung des Holocaust kann es in Deutschland keine Bühne geben."
Steinmeier in Erklärungsnot
Wem man in Berlin auf keinen Fall eine Bühne geben will, das ist der umstrittene Museumsdirektor Moullanourouzi. Doch die Ausstellung wollen die Deutschen auf jeden Fall in die Hauptstadt holen - so der Stand bisher. Das Auswärtige Amt verweist in diesem Zusammenhang auf die Regierungspressekonferenz vom 18. Mai. Dort hatte der Sprecher des Auswärtigen Amtes gesagt, dass Außenminister Steinmeier den Karikaturenwettbewerb bereits bei seiner letzten Iran-Reise Anfang Februar verurteilt habe und gegenüber der iranischen Regierung die Erwartung geäußert hatte, den Wettbewerb nicht stattfinden zu lassen.
Dass er nun trotzdem ausgerichtet wurde, stoße "auf großes Unverständnis", so der Sprecher auf der Regierungspressekonferenz vom 18. Mai. Auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), der offizielle Partner des Teheraner Museums, will definitiv an der Ausstellung festhalten. Ähnlich wie das Auswärtige Amt verurteilt sie "jede Form der Leugnung des Holocaust aufs Schärfste". Doch die Ausstellung könne "die Zivilgesellschaft und die liberalen, nach Weltoffenheit strebenden Kräfte im Iran stärken". Die SPK argumentiert gegenüber der Deutschen Welle, dass die ausgestellten Werke die "Sprache der Freiheit und der Liberalität" sprechen.
Gefördert von der Kulturstaatsministerin
Neben dem Auswärtigen Amt und der SPK ist auch die Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM), Monika Grütters, an dem deutsch-iranischen Ausstellungsprojekt beteiligt. Wie ihre Pressestelle der Deutschen Welle auf Anfrage mitteilte, fördert das BKM die Ausstellung mit bis zu 3 Millionen Euro, während das Auswärtige Amt 500.000 Euro beisteuere. "Damals war von der Holocaustleugnung des Vertragspartners nichts bekannt", heißt es in der Stellungnahme. Außerdem wird bekräftigt: Für Holocaustleugner werde es von der Staatsministerin "niemals eine politische Unterstützung geben". Allerdings lässt das BKM bis jetzt nicht erkennen, ob es die Förderzusage nach Bekanntwerden des Holocaustwettbewerbs überdenkt.