Telegram-Chef Pawel Durow in Paris festgenommen
25. August 2024Pawel Durow kam per Privatjet aus Aserbaidschan. Der russische Milliardär, der nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt, hatte in Paris ein Abendessen geplant, wie eine mit dem Fall vertraute Quelle sagte. Doch daraus wurde nichts. Nach der Landung auf dem Pariser Flughafen Le Bourget nahm die Polizei den Gründer und Chef des Messengerdienstes Telegram in Gewahrsam, wie mehrere französische Medien melden. Denn Frankreichs Strafverfolgungsbehörden suchten den Russen, es gab einen Haftbefehl.
Laut Medienberichten laufen Vorermittlungen gegen ihn. Die Ermittler werfen demnach Durow fehlendes moderierendes Eingreifen auf Telegram-Kanälen vor. Die französische Polizei sehe darin einen Umstand, der kriminelle Aktivitäten auf dem Kurzmitteilungsdienst ungestört ermögliche. Der 39-Jährige habe sich damit und zudem durch unzureichende Kooperation mit den Ordnungskräften des Drogenhandels, Betrugs und Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch mitschuldig gemacht.
Russische Botschaft schaltet sich ein
Obwohl Durow im Exil lebt - er hat Russland vor zehn Jahren verlassen - schaltete sich die russische Botschaft in Frankreich ein. Die diplomatische Vertretung habe sofort Schritte unternommen, die in einer solchen Situation notwendig seien, heißt es in einer von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS verbreiteten Stellungnahme des Außenministeriums in Moskau. Man sei bemüht, die Situation zu klären, "obwohl die Vertreter des Geschäftsmanns keinen Antrag gestellt haben".
"Wir haben die französischen Behörden unverzüglich aufgefordert, die Gründe für diese Inhaftierung zu erläutern, und gefordert, dass seine Rechte geschützt werden und ihm konsularischer Zugang gewährt wird", zitierte die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti Russlands Botschaft in Paris. "Bis heute weigert sich die französische Seite noch immer, in dieser Angelegenheit zu kooperieren", hieß es weiter.
Der Vertreter Russlands bei den internationalen Organisationen in Wien, Michail Uljanow, warf Frankreich vor, sich wie eine Diktatur zu verhalten. "Einige naive Personen, die eine Rolle im internationalen Kommunikationsbereich spielen, verstehen nicht, dass es für sie nicht sicher ist, in Länder zu reisen, die sich in Richtung totalitäre Gesellschaft bewegen", schrieb Uljanow auf seinem Social-Media-Kanal.
Weitere russische Politiker schlossen sich dieser Kritik an. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, fragte auf Telegram, ob Nichtregierungsorganisationen die Freilassung von Pawel Durow fordern würden. "Werden sie sich an Paris wenden oder werden sie schweigen?"
Exzentrischer Internet-Milliardär
Durow, von dem es keine offiziellen aktuellen Fotos gibt, hatte Telegram mit seinem Bruder Nikolai gegründet. Zuvor hatten beide bereits das Netzwerk Vk.com ins Leben gerufen hatten, eine Art russischsprachiges Facebook. Telegram ist in Russland eines der wichtigsten Online-Netzwerke, das auch viele Behörden und Politiker zur Kommunikation verwenden. Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wird der Dienst von beiden Seiten für Mitteilungen genutzt.
Durows Verhältnis zur russischen Obrigkeit gilt als schwierig. Der Verkauf von Vk.com erfolgte unter Druck. Zuvor hatte er sich geweigert, Daten der Teilnehmer der Protestbewegung in der Ukraine gegen den damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch an den russischen Geheimdienst weiterzugeben. Er selbst floh kurz darauf aus Russland. Danach hat er nach eigenen Angaben in Berlin, London, Singapur und San Francisco gelebt und sich schließlich für Dubai entschieden, den Unternehmenssitz von Telegram.
Der Messengerdienst wirbt damit, dass er anders als US-Angebote Daten nicht zur kommerziellen Verwendung preisgibt. Die Durow-Brüder versprechen, die Daten der Nutzerinnen und Nutzer von Telegram zu schützen. Mit den russischen Behörden legte sich der exzentrische Internet-Milliardär deshalb schon vor Jahren an.
Aber auch im Westen gibt es massive Kritik an dem Brüderpaar. Den Telegram-Machern wird vorgeworfen, nicht konsequent genug gegen Hassrede und Gewaltaufrufe vorzugehen. Durows Messengerdienst gilt in Deutschland und anderen Ländern als Plattform für Rechtsextreme und Verschwörungsmystiker. Bei islamistischer Terrorpropaganda soll es westlichen und russischen Behörden gelungen sein, Telegram zu Löschaktionen zu bewegen.
AR/fab (dpa, afp, rtr)