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Politik

Al-Bakr begeht Selbstmord in der Haft

13. Oktober 2016

Der Selbstmord des inhaftierten Terrorverdächtigen al-Bakr hat Fassungslosigkeit ausgelöst. Bundesinnenminister de Maizière verlangte rasche Aufklärung.

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Fahndung nach Syrer Dschaber Al-Bakr nach Sprengstoff-Fund in Chemnitz
Der Terrorverdächtige Dschaber Al-Bakr (Fahndungsfoto der Polizei) Bild: picture-alliance/dpa/Polizei Sachsen

Terrorverdächtiger begeht Suizid

Das sächsische Justizministerium hat bestätigt, dass sich Dschaber al-Bakr in der Justizvollzugsanstalt Leipzig das Leben genommen hat. Zuvor hatten mehrere Medien darüber berichtet. Die Staatskanzlei in Dresden teilte mit, weitere Einzelheiten zu dem tragischen Vorfall sollten am Donnerstagvormittag auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben werden. 

Al-Bakrs Anwalt - Selbstmord ist Justizskandal

Der 22-Jährige soll sich zuvor im Gefängnis im Hungerstreik befunden und wegen Suizidgefahr unter ständiger Beobachtung gestanden haben. Nach Informationen der Deutschen Presseagentur wurde er erhängt in seiner Zelle aufgefunden.

Der Pflichtverteidiger des Terrorverdächtigen hat nach dessen Tod in der JVA Leipzig schwere Vorwürfe gegen die Behörden erhoben. Laut "Focus Online" sprach Rechtsanwalt Alexander Hübner von einem Justizskandal. "Ich bin wahnsinnig schockiert und absolut fassungslos, dass so etwas passieren kann", zitierte ihn das Internetportal. Den Verantwortlichen der Justizvollzugsanstalt sei das Suizid-Risiko des Beschuldigten bekannt gewesen und auch im Protokoll vermerkt worden. Al-Bakr habe in der Zelle bereits Lampen zerschlagen und an Steckdosen manipuliert. "Focus Online" berichtet weiter, Anwalt Hübner habe noch am Nachmittag mit dem JVA-Leiter telefoniert, dieser habe ihm versichert, dass der Häftling ständig beobachtet werde.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verlangte schnelle Aufklärung. "Was heute Nacht passiert ist, verlangt nach schneller und umfassender Aufklärung", erklärte das Bundesinnenministerium über den Kurznachrichtendienst Twitter. "Ich bin sicher, dass das mit vollem Ernst und auch angesichts der Dramatik der Lage gemacht wird", sagte de Maizière im ZDF-"Morgenmagazin". Im Übrigen erschwere der Suizid die Ermittlung nach Hintermännern und sonstigen Beteiligten.

Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, verlangte eine schnelle  Aufklärung. "Man muss sich zwar die Zeit nehmen, um das alles sorgfältig aufzuarbeiten, aber mit der Information der Bevölkerung darf man sich in der Tat nicht viel Zeit lassen", sagte Wendt am Donnerstag dem Rundfunksender SWR Info. Jetzt gebe es viele Fragen. "Es ist ja gar nicht einfach, sich das Leben zu nehmen, wenn man zum Beispiel aller Gegenstände beraubt wird, die man dazu nutzen muss." Zu klären sei, mit welchen Gegenständen Al-Bakr den Suizid vollzogen hat und ob es nicht möglich gewesen sei, diese aus der Zelle zu entfernen.

Politiker von SPD und Grünen äußerten sich im Kurzbotschaftendienst Twitter schockiert. "Was ist das los?" schrieb Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD). Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck twitterte: "Wie konnte das geschehen?" Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt schrieb: "Wenn man nur noch denkt", gefolgt von dem Hashtag "nicht schon wieder Sachsen".

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs schrieb: "Was ist denn schon wieder in Sachsen los? Irre." Sein SPD-Kollege Niels Annen zeigte sich "sprachlos". Die sächsische Grünen-Politikern Claudia Maicher nannte den Vorfall ein "Desaster".

Al-Bakr war am Montag in Leipzig festgenommen worden, nachdem er von Landsleuten erkannt, überwältigt und der Polizei übergeben worden war. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die die Ermittlungen führt, wollte die Angaben nicht bestätigen, dass Al-Bakr seine Landsleute als Mitwisser bezichtigt habe. Auch die Frage, ob die drei Syrer, die ihn überwältigt hatten, noch als Zeugen oder Verdächtige in dem Ermittlungsverfahren behandelt würden, blieb in Karlsruhe unbeantwortet.

Anschlagspläne waren weit fortgeschritten

Laut Verfassungsschutz hätte der Syrer innerhalb kürzester Zeit einen Anschlag in Deutschland verüben können. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", seine Behörde habe den Eindruck gewonnen, "dass der Verdächtige schon in dieser Woche einen Anschlag verüben könnte". Deswegen sei der Zugriff der Polizei auf den mutmaßlichen Islamisten am vergangenen Wochenende erfolgt.

Der Syrer soll nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes einen Anschlag auf einen Berliner Flughafen vorbereitet haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass er Verbindungen zur Terrormiliz "Islamischer Staat" hatte. In einer Chemnitzer Wohnung fand die Polizei 1,5 Kilogramm des hochgefährlichen Sprengstoffs TATP.  Der Mieter der Wohnung wurde als mutmaßlicher Komplize verhaftet. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft.

Reise nach Syrien?

Al-Bakr war Anfang 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Nach Recherchen des MDR war er zwischenzeitlich wieder nach Syrien zurückgereist. Das habe die Familie des 22-Jährigen mitgeteilt, berichtete der Sender. Al-Bakr war danach im Herbst vergangenen Jahres zwei Mal in die Türkei gereist und hielt sich auch einige Zeit in der syrischen Stadt Idlib auf.

qu/rk (dpa, rtr, afp)