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Thailands Gesellschaft im Umbruch

Rodion Ebbighausen2. Dezember 2013

Massenproteste erschüttern Thailand. Die Opposition fordert den Rücktritt der gewählten Regierung. Sie kämpft damit gegen den Willen der Mehrheit.

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Ein Demonstrant schwenkt eine Fahne auf dem Dach eines Polizeifahzeugs (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Nach der gewaltsamen Eskalation der Proteste gegen die Regierung in Thailand mit mehreren Toten hat sich die Lage vorerst entspannt. Die Sicherheitskräfte gewährten Demonstranten Zutritt zum Regierungssitz und zum Polizeihauptquartier. Die jüngsten Massenproteste haben dennoch einmal mehr gezeigt, dass Thailands Gesellschaft nicht zur Ruhe kommt .

Erst 2010 waren bei Protesten mehr als 90 Menschen getötet worden. Der Grund für die seit Jahren andauernden Auseinandersetzungen: Thailand ist ein Land im Übergang. Marco Bünte, außerordentlicher Professor an der Monash Universität von Malaysia, fasst die Herausforderung zusammen: "Es geht um einen neuen Gesellschaftsvertrag. Er ist bisher mit feudalen Elementen durchsetzt und muss demokratischer werden, um mit der jetzigen gesellschaftlichen Wirklichkeit übereinstimmen zu können."

Ursprung des Wandels und der Krise

Der Wandel begann 1992 als eine erste Zivilregierung nach langer Herrschaft der Militärs die demokratischen Strukturen stärkte. Die Demokratisierung erhielt 2001 weiter Aufwind als Thaksin Shinawatra zum 23. Ministerpräsidenten Thailands ernannt wurde. Es gelang ihm bei den Wahlen sehr erfolgreich die Mehrheit der Bevölkerung im Norden und Nordosten des Landes zu mobilisieren. Thaksin versprach ein Konjunkturprogramm für die Landbevölkerung und setzte es nach seiner Wahl auch um, wie Bünte sagt: "Thaksin war derjenige, der sich überhaupt für die ländliche Bevölkerung eingesetzt und der seine politischen Versprechen auch gehalten hat." Damit sicherte er sich auf lange Sicht eine Machtbasis.

Yingluck Shinawatra in einer TV-Ansprache am 28.11.2013 (Foto: EPA/NARONG SANGNAK)
Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra weigert sich, zurückzutretenBild: picture-alliance/dpa

Das wiederum verärgerte die politische Elite in Bangkok, die das Land bisher mehr oder weniger nach ihren Vorstellungen regiert hatte. Mit Thaksins Aufstieg entstanden zwei verfeindete Lager: die Rot- und die Gelbhemden. Die Rothemden unterstützen Thaksin und heute dessen Schwester Yingluk. Sie kommen vor allem aus den bevölkerungsreichen Nord- und Nordostprovinzen, aber inzwischen auch aus Bangkok. So haben bei den letzten Wahlen ein Drittel der Hauptstädter für Premierministerin Shinawatra gestimmt. Sie vertreten die Aufsteiger und Profiteure der sich ändernden Weltordnung. Die Gelbhemden finden ihre größte Unterstützung in den Städten, bei den bürgerlichen Eliten und im Süden des Landes. Sie halten an der alten Ordnung fest.

Thaksin gebärdete sich zu Beginn seiner Karriere als der große Hoffnungsträger der Demokratie. Doch die Hoffnungen wurden bald enttäuscht, wie Rainer Adam, Büroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Bangkok sagt: "Thaksin hat aber dann stückweise alle Mechanismen außer Kraft gesetzt, die zu einer liberalen Demokratie gehören." Er hat zum Beispiel alle Schlüsselpositionen der Regierung mit seinen eigenen Anhängern besetzt und im Parlament alle Parteien nach und nach in seine eigene eingegliedert, so dass es praktisch keine Opposition mehr gab.

Putsch und Verhärtung der Fronten

Als Thaksin 2006 bei der UN-Vollversammlung in New York war, putschte das thailändische Militär im Einvernehmen mit den Gelbhemden. Bei den 2007 folgenden Wahlen kam aber doch wieder die Nachfolgepartei Thaksins an die Macht. Die Gelbhemden gingen kurz darauf auf die Straße und drängten die Roten erfolgreich aus der Regierung. 2010 kam es dann zu Demonstrationen von Seiten der Rothemden, die eine Rückkehr Thaksins forderten. Die Gelbhemden wehrten sich verbissen. Suthep Thaugsuban, der auch heute wieder die Proteste der Gelbhemden anführt, soll damals einen Polizeieinsatz angeordnet haben, durch den 25 Menschen getötet und 800 verletzt wurden. Nach Abebben der Proteste, konnten 2011 die Rothemden die Wahlen für sich entscheiden. Seitdem ist Thaksins Schwester Yingluck Shinawatra im Amt. Doch wie die jüngsten Proteste zeigen, wollen sich die Gelbhemden nicht damit abfinden.

Suthep Thaugsuban (Foto: REUTERS/Athit Perawongmetha)
Oppsoitionsführer Suthep Thaugsuban hat der Regierung bis Dienstag ein Ultimatum gestellt.Bild: Reuters

Das ständige Hin und Her der letzten Jahre zeigt: Die Mehrheit entscheidet sich regelmäßig für die Rothemden, während die Minorität der Geldhemden unermüdlich, aber erfolglos versucht, sich durchzusetzen. Die jetzt auf den Straßen protestierende Opposition der Gelbhemden zeigt mit ihrem Ultimatum an die Regierung und der Forderung nach einem demokratisch nicht legitimierten "Volksrat", der einen neuen Ministerpräsidenten wählen soll, wie tief ihr Misstrauen gegen den Willen des Volkes ist.

Eigentlich sei ein Konflikt ja etwas Gutes, sagt Adam: "Gesellschaften verändern sich, wenn Konflikte entstehen. Aber die Konflikte müssen natürlich mit entsprechenden Mitteln ausgetragen werden. Sie müssen institutionell in einen Rahmen gesetzt werden." Genau daran fehle es aber. Die Gräben zwischen den verfeindeten Gruppen seien so tief, dass ein Dialog kaum noch möglich sei.