Thailands König ist ein "Desaster"
4. Mai 2020Das Coronavirus hat auch in Thailand das Leben zum Stillstand gebracht. Die Straßen in Bangkok sind verwaist, am Suvarnabhumi-Flughafen, sonst eine Drehscheibe des internationalen Tourismus, kommt nur ein Bruchteil der sonst üblichen Passagiere an. Die wichtige Tourismusbranche, die 2018 etwa ein Fünftel zum thailändischen Bruttoinlandsprodukt beitrug, liegt am Boden. In so einer Krise erwarten die Menschen von ihrem Staatsoberhaupt Solidarität und Zuspruch, wie sie etwa Königin Elisabeth II. den Menschen im Vereinigten Königreich und dem Commonwealth in einer viel beachteten Rede spendete.
Doch Thailands König Rama X. Maha Vajiralongkorn ist seit Ausbruch der Krise nur für kurze Aufenthalte in sein Königreich zurückgekehrt. Die meiste Zeit verbringt er in Deutschland. Er lebt mit einer Sondergenehmigung im Hotel Sonnenbichl in Garmisch-Partenkirchen. Die Sondergenehmigung rechtfertigt das zuständige Landratsamt so: "Bei den Gästen handelt es sich um eine einzige homogene Personengruppe, bei der keine Fluktuation vorliegt. Das Hotel ist für den normalen Beherbergungsbetrieb nicht zugänglich."
Autoritärer Monarch
Begleitet wird der König von einer etwa 100-köpfigen Entourage, darunter einem Harem von mindestens 20 Frauen. Ende März veranstaltete er laut Recherchen der Zeitung "Bild" Spazierflüge durch Deutschland. Mit seiner Boeing 737-800 soll er nach Hannover, Leipzig und Dresden geflogen sein. Allerdings stiegen seine Majestät nicht aus, sondern starteten nach dem Aufsetzen sofort wieder durch. Nur so zum Spaß, um sich als Pilot weiter zu qualifizieren.
Der König bleibt sich mit seinem exzentrischen Verhalten treu. Am 13. Oktober 2016 folgte er seinem Vater auf den Thron. Die prunkvolle Krönungszeremonie fand vor einem Jahr vom 4. bis zum 6. Mai statt. Doch statt in die Fußstapfen seines von vielen Thais verehrten Vaters zu treten, reißen die Skandale nicht ab.
"Das Verhalten des Königs ist ein Desaster für das Ansehen der thailändischen Monarchie", urteilt der Journalist und Aktivist Andrew MacGregor Marshall. Auf die Frage, was Thailands Staatsoberhaupt in einem Satz charakterisieren würde, antwortet Marshall: "Ein gestörter, sadistischer und autoritärer Monarch, der im 21. Jahrhundert keinen Platz haben sollte."
Kritik wird lauter
So offen wie der Autor des in Thailand verbotenen Buchs "A Kingdom in Crisis" darf kein Thai Kritik äußern, denn das Königshaus wird durch ein drakonisches Majestätsbeleidigungsgesetz vor jeder Kritik geschützt. Verstöße können mit bis zu 15 Jahren Haft geahndet werden. In der Vergangenheit gab es mehrere Fälle, bei denen Thais für das Teilen eines Facebook-Posts für mehrere Jahre ins Gefängnis mussten. Dennoch sind die sozialen Medien, neben Gesprächen im Privaten, die einzige Quelle, um zu erfahren, wie vor allem junge Thais die Monarchie sehen.
Trotz der Risiken für die Nutzer machte Ende März ein Tweet des im Exil lebenden Historikers Somsak Jeamteerasakul die Runde, der die Flugroute der königlichen Boeing nach Deutschland zeigte und auf Thai die Frage stellte: "Wozu brauchen wir einen König?" In kürzester Zeit wurde er tausendfach geteilt und führte die Trends in Thailand an.
In den sozialen Netzwerken werden seit längerem Memes beispielsweise aus der HBO-Serie "Game of Thrones" geteilt, in denen es heißt: "Wir dienen nicht irgendeinem Sch***könig, der nur König ist, weil sein Vater König war."
Sturz des Königs?
Ein kleiner Teil der Nutzer weitete die vor allem auf Rama X. gemünzte Kritik auf die Monarchie als Ganze aus. Ein Nutzer auf Facebook etwa schrieb: "Es macht mich glücklich zu sehen, dass der König auf Twitter in Frage gestellt wird. Aber wir müssen über die Beleidigungen hinausgehen. Ich wünsche mir, dass sich die Leute informieren und verstehen, warum es einen König gibt, warum er als sehr wichtig erachtet wurde und warum er im Augenblick überflüssig erscheint."
Einige Nutzer gingen sogar soweit, implizit die Abschaffung der Monarchie zu fordern: "Ehlich gesagt wünschte ich mir, wir hätten schon einen Präsidenten."
Allerdings ist die Kritik an Monarch und Königshaus vor allem auf die jüngere Generation beschränkt, wie ein thailändischer Experte der DW bestätigte, der aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannt werden will. Thais über 30, die Rama IX. noch aktiv erlebt hätten, hielten an der Institution fest, auch wenn sie den Nachfolger insgeheim missbilligten.
Militär und Königshaus
Das thailändische Königshaus schweigt zu dem Shitstorm. Aber am 22. März 2020 twitterte Puttipong Punnakanta, der als Minister für Digitales und Gesellschaft im Kabinett sitzt, eine Drohung. Es sei gefährlich, Inhalte zu posten, die die nationale Sicherheit gefährden könnten. Das dazugehörige Bild sprach eine deutliche Sprache:
Offensichtlich schützt die aus einem Militärputsch 2014 hervorgegangene Regierung den aktuellen König. Der Grund ist eine gegenseitige Abhängigkeit von Monarchie und Militär. Der ungeliebte Regent braucht das Militär und dessen Regierung, um seine Macht abzusichern. Das Militär setzt auf den König, weil es einfacher ist, sich mit einem auf Lebenszeit herrschenden Monarchen zu arrangieren, als mit wechselnden Politikern und Parteien in einem demokratischen System.
Die ungebrochene Macht des Königs
Der Thailand-Experte Marshall glaubt wegen der Unterstützung von Regierung und Militär nicht, dass der wachsende Unmut in konkrete Schritte gegen die Monarchie münden wird. Vajiralongkorn habe das Königreich seit Amtsantritt erfolgreich in Richtung einer absoluten Monarchie verändert, obwohl Thailand offiziell eine konstitutionelle Monarchie sei, so Marshall. Dazu baute er eine Eliteeinheit aus Soldaten und Polizisten unter seiner direkten Kontrolle auf. Er brachte das Vermögen des Königshauses, das früher vom Crown Property Bureau (CPB) verwaltet wurde, unter seine direkte Kontrolle. Nach Schätzungen immerhin 30 bis 60 Milliarden US-Dollar (27,6 bis 55,2 Milliarden Euro).
Marshall sagt: "Es ist klar, dass der König nicht die Unterstützung der Mehrheit der Thais hat. Aber es wird sehr schwierig, seine Macht herauszufordern, da er die Kontrolle über das Militär hat." Ein Aufstand würde laut Marshall zu einem Blutvergießen in Bangkok führen. Der zweite Interviewpartner der DW ist sich bezüglich der Mehrheit der Thais nicht sicher. Er glaubt, dass zwar eine Mehrheit der jüngeren Thais König und Monarchie kritisch sehen, aber nicht unbedingt eine Mehrheit der Bevölkerung. Diese Kritik werde vermutlich erst nach einem Generationenwechsel zu konkreter Politik und einer Schwächung der Monarchie führen.