Thailands Tourismusbranche liegt am Boden
23. September 2021Als thailändische Behörden ankündigten, ab Juli geimpfte Urlauber nach Phuket reisen zu lassen, fiel Sunisa ein Stein vom Herzen. Die 50-Jährige, die ihren richtigen Namen nicht veröffentlicht sehen will, ist finanziell auf das Tourismusgeschäft angewiesen. Nun also sind ausländische Besucher im Rahmen eines "Sandbox"-Pilotprojekts auf Thailands beliebter Urlaubsinsel zurück.
Vor Ausbruch der Corona-Pandemie verdiente Sunisa ihr Geld als Tourguide, organisierte Unterbringungen, Inlandsreisen und Ausflüge für ausländische Familien und Kleingruppen. Doch dann riegelte Thailand seine Grenzen ab, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu bekommen. Das Tourismusgeschäft brach ein.
"Ich hatte gehofft, das Phuket-Pilotprojekt würde Besucher anlocken. Und meine Erwartungen wurden erfüllt," erzählt Sunisa. "Ich hatte wieder ein paar Kunden und mein Einkommen ist gestiegen."
Trotzdem sind die aktuellen Besucherzahlen weit unter dem Vor-Pandemie-Niveau zurückgeblieben. Deshalb hofft Sunisa nun auf die Hauptsaison zwischen Dezember und März, in der normalerweise viele Touristen Thailand bereisen.
Komplizierte und konfuse Corona-Regelungen
Seit Anfang Juli dürfen vollständig geimpfte Besucher aus Übersee nach Phuket reisen, ohne sich in Quarantäne begeben zu müssen. Nach vierzehntägigem Aufenthalt ist die Weiterreise in andere Regionen Thailands gestattet.
Allerdings hat das Modellprojekt den Tourismus weniger stark belebt, als erhofft. Etwas mehr als 26.000 Touristen kamen in den ersten beiden Monaten auf die Insel - ein Viertel der anvisierten Besucherzahlen.
Schuld daran ist auch Thailands Regierung, deren konfuse Corona-Regelungen und Bürokratie ausländische Besucher abschreckt.
Auf Touristen angewiesen
In Vor-Corona-Zeiten machte Thailands Tourismusindustrie rund 20 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts aus. Doch wie in vielen populären Urlaubsländern auch hat die Branche pandemiebedingt schwere Einbußen verschmerzen müssen.
Letztes Jahr reagierte Thailand auf die erste Infektionswelle, indem es sich von der Welt abschottete. So hielten sich inländische Coronavirus-Ansteckungen in Grenzen. Allerdings brach mit dem Einreisestopp für ausländische Besucher eine wichtige Einnahmequelle weg.
Die Ausbreitung der Delta-Variante hat seit April diesen Jahres zu einem rasanten Anstieg der Infektionszahlen, Hospitalisierungen und Todesfälle geführt. Pläne thailändischer Behörden das Land vollständig für Touristen zu öffnen, wurden daraufhin verschoben.
Doch seit Anfang September wurden trotz fortwährend hoher Infektionszahlen viele Alltagsbeschränkungen gelockert. Thailand hofft so, die heimische Wirtschaft anzukurbeln. Behörden wollen eine Rückkehr zur Normalität wagen, ohne dabei die epidemiologische Lage aus dem Blick zu verlieren.
Thailand plant deshalb, weitere touristische Pilotprojekte zu genehmigen. Derzeit ist unter anderem vorgesehen, Urlaubsreisen in die Hauptstadt Bangkok, das nördlich gelegene Chiang Mai und beliebte Strandorte wie Pattaya, Cha-An und Hua Hin zu gestatten.
Gebeutelte Hotellerie
Thailands Hotellerie indes leidet schwer unter der Coronavirus-Pandemie. Das Fernbleiben ausländischer Touristen hat der Branche massive Umsatzeinbrüchen beschert.
Eine aktuelle Umfrage der Bank of Thailand und des Thailändischen Hotelverbands (THA) zeigt, dass 52 Prozent thailändischer Hotelbetriebe eine vorübergehende Schließung in Betracht ziehen; 9 Prozent erwägen die Geschäftsaufgabe.
Kleine Beherbergungsbetriebe leiden besonders unter Thailands Abschottung. Sawita Vibhatasilpin und ihr Geschäftspartner betreiben in Hostel im Herzen Bangkoks. In normalen Zeiten würden sie täglich zwischen 20 und 30 Übernachtungsgäste willkommen heißen. Doch seit Thailands Grenzen abgeriegelt wurden, steigen dort gerade einmal ein bis zwei Reisende pro Monat ab.
Zwei in der Nachbarschaft gelegenen Hostels mussten bereits schließen. Sawita fürchtet, ihrem Unternehmen könnte dasselbe Schicksal widerfahren. "Ich fürchte, wir werden schlussendlich aufgeben müssen. Unser Vermieter hat sich nachsichtig gezeigt, obwohl wir in letzter Zeit kaum Umsatz gemacht und seit sechs Monaten keine Miete gezahlt haben," sagt Sawita.
Licht am Ende des Tunnels?
Obwohl sich punktuelle Verbesserungen abzeichnen, wird es noch lange dauern, bis sich Thailands Tourismusbranche vollständige erholt hat.
"Vor vier bis fünf Monaten hatte ich überhaupt keine Buchungen," erklärt Nattakit Malaichaisong, der sein Lebensunterhalt eigentlich als Tourguide in Chiang Mai verdient. Immerhin seien seit einiger Zeit wieder einheimische Touristen in der bei Reisenden sonst so beliebten Stadt unterwegs.
"Trotzdem bezweifle ich, dass wir im Oktober alle Beschränkungen aufheben können. Hier sind weniger als 20 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft und die Infektionszahlen sind weiterhin hoch," gibt er zu bedenken. "Vor der Pandemie waren meine Dienste so sehr gefragt, dass ich während der Hochsaison praktische drei Monate lang durchgearbeitet habe," erklärt der 39-Jährige. Heute ist er die meiste Zeit zuhause und kümmert sich mit seiner Frau um den zweijährigen Sohn.
Tourismusminister Phiphat Ratchakitprakarn warnte unlängst, dass eine ungebremste Ausbreitung der Delta-Variante über den September hinaus zu einem starken Rückgang der Besucherzahlen führen könnte. In diesem Fall könne das Land bis Jahresende nur mit einer halben bis dreiviertel Million ausländischer Touristen rechnen. Thailands Fremdenverkehrsamt indes wagt eine etwas optimistischere Prognose und rechnet mit 1,2 Millionen Besuchern bis Ende des Jahres. Zum Vergleich: 2019, im letzte Jahr vor Ausbruch der Pandemie, strömten rund 40 Millionen ausländische Touristen in das Land.
"Ich denke, wir werden noch ein oder zwei Jahre warten müssen, bis sich das Reisegeschäft vollständig erholt hat," sagt Nattakit. Am wichtigsten sei, das Vertrauen der Touristen zurückzugewinnen und für ihre Sicherheit zu sorgen.