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Prächtige Berlinale-Eröffnung

Jochen Kürten6. Februar 2014

Auftakt der 64. Berlinale mit europäischem Autorenkino aus Texas: Regisseur Wes Anderson ist ein Zauberer des Kinos. Sein "The Grand Budapest Hotel" war ein gelungener Startschuss des Festivals.

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Filmstills - The Grand Budapest Hotel
Bild: Twentieth Century Fox

Berlin wieder im Rausch der Bilder

Kino in seiner reinen Form, das ist "The Grand Budapest Hotel". Die Zuschauer kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Phantastisch barocke Bildtableaus und ein skurriles Personenarsenal, dazu eine irrwitzige Handlung, der man manchmal kaum folgen kann. All das vereinigt Wes Andersons "The Grand Budapest Hotel", der das Rennen um den Goldenen und die Silbernen Bären am Donnerstagabend im Berlinale-Palast eröffnete.

Geschichten aus Europa

Es ist ein Film über das alte Europa, über seine Geschichte und seine Menschen, seine Kriege und Grausamkeiten, aber auch über seine Traditionen und humanistische Ideale. Gedreht hat den Film, eine britisch-deutsche Co-Produktion, ein 1970 in Texas geborener US-Amerikaner. Insofern ist Andersons Werk die perfekte Eröffnung eines großen internationalen Filmfestivals wie der Berlinale, verbindet er doch Kunst und Kommerz und bringt die verschiedenen Kulturen zusammen.

Inspirieren ließ sich der Amerikaner von der Lektüre der Bücher des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig: "Mich hat seine traditionelle Erzählform interessiert, diese 'Geschichte in der Geschichte'", sagte Anderson in Berlin und verwies auf den Zweig-Roman "Ungeduld des Herzens". So habe er auch den Film aufgebaut. Stefan Zweig habe mit viel Detailliebe vom intellektuellen und künstlerischem Wien berichtet. "In seinem Buch 'Die Welt von gestern' hat er diese faszinierende Welt nachgezeichnet." Diese Nostalgie könne er gut nachvollziehen, meinte Anderson. Das Gefühl, privilegiert zu sein, weil man in dieser Zeit gelebt habe.

Filmszene aus Wes Andersons "The Grand Budapest Hotel" (Foto: Berlinale)
Gustave (Ralph Fiennes, r.) und seine Widersacher (Adrian Brody und Willem Dafoe, l.)Bild: Twentieth Century Fox

Lachen zum Auftakt

"Wir sind kein Komödienfestival", hatte Berlinale-Direktor Dieter Kosslick noch vor kurzem gesagt, angesichts der immer wieder hinter vorgehaltener Hand geäußerten Kritik, die Berlinale zeige zu viel ernste, kritische und wenig unterhaltsame Werke. "The Grand Budapest Hotel" ist eine fulminante Komödie.

Berlin wieder im Rausch der Bilder

Wes Anderson kommt aus Houston, Texas, und arbeitet mit vielen bekannten Hollywoodschauspielern zusammen - in seinem neuen Film sind unter anderem Ralph Fiennes, Willem Dafoe und Jude Law dabei. Und doch erinnert "The Grand Budapest Hotel" mehr an vergangene europäische Filmtraditionen denn an Hollywood-Kino. Gedreht hat Anderson seinen Film vor allem in Deutschland. Im sächsischen Görlitz, aber auch in Dresden und in den Babelsberger Filmstudios. Man muss sich Wes Anderson als bekennenden Fan der europäischen Kultur vorstellen. "The Grand Budapest Hotel" lebt vom Geist des alten Europa.

Worum geht es? Schauplatz der Handlung ist ein altes, prächtiges Grandhotel irgendwo in den verschneiten Bergen einer fiktiven osteuropäischen Nation. Das ganze spielt zu Beginn der 1930er Jahre. Der elegante Concierge der Nobelherberge, Monsieur Gustave (Ralph Fiennes), pflegt ein inniges Verhältnis zu seinen Gästen. Die schrullige 84jährige Madame D. (Tilda Swinton) vermacht Gustave in ihrem Testament ein überaus wertvolles Bild aus der Zeit der Renaissance. Zum großen Unwillen der Familie Madame D.‘s allerdings.

Wes Anderson in Berlin (Foto: Berlinale)
Wes AndersonBild: picture alliance/AP Photo

Erinnerungen an Stummfilmära

Daraufhin bricht ein wahrer Strudel turbulenter Ereignisse aus, in deren Verlauf Gustav eingekerkert wird, sich befreien kann, immer wieder vor einem geheimnisvollen Auftragsmörder (Willem Defoe) fliehen muss. "The Grand Budapest Hotel" erinnert mit seinen vielen slapstickhaften Momenten an die Ära des Stummfilms. Die Schauspieler agieren oft mit starrer Mimik, das Tempo des Films ist dagegen gewaltig. Wes Anderson ist ein großer Fan Buster Keatons - hier knüpft er dann doch an Hollywood-Traditionen an.

Der Regisseur entwirft in "The Grand Budapest Hotel", grell verzerrt und subtil ironisch, ein Zeitbild des europäischen Kontinents kurz vor der Machtergreifung der Nazis. Anderson gelingt dabei das Kunststück einer liebevollen Komödie über eine dunkle Epoche, über ein Europa zwischen zwei Weltkriegen. Seine Figuren gibt er jedoch nie der Lächerlichkeit preis. Man muss lange zurückdenken, um sich der Filme zu erinnern, denen das auch gelang, Charlie Chaplin in "The Great Dictator" etwa oder Ernst Lubitsch in "To Be or Not To Be".

Filmszene aus Wes Andersons "The Grand Budapest Hotel" (Foto: Berlinale)
Nicht verkitscht: Europa als Phantasialand - Szene aus "The Grand Budapest Hotel"Bild: Twentieth Century Fox

Lob von der Kulturstaatsministerin

"Dass dieser Film, der Biografien zwischen den beiden Weltkriegen erzählt, zu Beginn unseres Gedenkjahres 2014 läuft, ist ein gelungener Auftakt", meinte Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Das zeige, dass Kino nochmal mehr leisten könne als der beste Geschichtsunterricht, weil es einen emotional packt und unter die Haut geht. Grütters hatte die 64. Berlinale gemeinsam mit Dieter Kosslick vor rund 1600 Gästen, darunter zahlreiche Stars aus "The Grand Budapest Hotel", im Berlinale-Palast eröffnet. Es war ein Auftakt nach Maß. Vor allem, weil der Film so großartig war.