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Badea: "Mit neuen Ichs den Alltag ertragen"

14. Juni 2018

Beim Internationalen Theaterfestival in Hermannstadt haben junge Autoren und politisches Theater einen festen Platz. Alexandra Badea war gleich mit drei Stücken vertreten. Medana Weident hat sie in Sibiu getroffen.

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Schriftstellerin Alexandra Badea
Bild: Liova Jedlicki

Alexandra Badea, 1980 geboren, studierte Regie in Bukarest. Seit 2003 lebt sie in Paris, Badea besitzt die rumänische und mittlerweile auch die französische Staatsbürgerschaft und arbeitet als Autorin und Regisseurin in Frankreich und Rumänien. Mit der DW sprach Sie über ihre Arbeit und die Inszenierung Ihrer Stücke beim Theaterfestival in Hermannstadt. 

DW: Frau Badea, Sie sind in Bukarest geboren, leben aber mittlerweile seit 15 Jahren in Frankreich. In Rumänien haben Sie seit etwa acht Jahren nicht mehr gearbeitet. Jetzt wurden drei Ihrer Stücke beim Hermannstädter Festival gezeigt – bei einem, speziell für das Ensemble des dort ansässigen Nationaltheaters "Radu Stanca" geschrieben, führen Sie auch Regie. Warum haben Sie so lange gewartet, um in Rumänien wieder eine Theaterarbeit anzunehmen?

Alexandra Badea: Ich glaube, diese Zeit habe ich gebraucht. Als mich die Anfrage des Theaters erreichte, ob ich ein eigenes Stück inszenieren würde, habe ich sofort zugesagt. Auch weil ich in der nächsten Zeit mit einer Trilogie über Frankreich und den Schattenseiten seiner Geschichte beschäftigt sein werde, was mir für andere Projekte kaum Raum lassen wird.

Stück Perfect compus
Szene aus "Perfect compus" ("Plusquamperfekt") von Alexandra BadeaBild: Sebastian Marcovici

Einer Ihrer bekanntesten Texte, "Pulvérisés"("Zersplittert"), wurde 2013 mit dem "Grand Prix de Littérature dramatique" ausgezeichnet und an vielen Theatern in Deutschland und Europa aufgeführt. Es ist ein Stück über das Leben in Zeiten der Globalisierung und erzählt parallel die Lebensgeschichten von vier Personen aus Lyon, Dakar, Shanghai und Bukarest, stellvertretend für die weltweiten Folgen dieses Phänomens: Wie fanden Sie die rumänische Inszenierung des Bukarester Theaters "Apollo111", die zu Beginn des Festivals gezeigt wurde?

Ich habe sehr viele Inszenierungen dieses Stücks gesehen – auch in Deutschland. Alle sehr unterschiedlich. Was die rumänische Interpretation betrifft, da finde ich den Rhythmus extrem dynamisch. Alles bewegt sich im Eiltempo. Es ist der Rhythmus, der das Leben der meisten Menschen prägt. Was mich interessiert, ist, inwieweit die Politik und der historische Kontext die Intimität und das Leben der Menschen zerstören. Wie das Äußere das Innenleben zersplittert. Gibt es noch ein Gleichgewicht zwischen unserem Leben im öffentlichen Raum, sprich: der Arbeit, und unserem Innenleben? Was bleibt davon eigentlich noch übrig?

Menschen in Gewölbe bei der Lesung von "White Room".
Lesung von "White Room" mit Alexandra BadeaBild: DW/M. Weident

Das sind Themen und Erfahrungen, die überall Gültigkeit haben.

Das stimmt. In meinen Texten trifft man oft Personen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturkreisen. So gibt es nicht nur eine Perspektive, sondern eine Vielfalt von Ansichten. Ich habe zum Beispiel einen Text über den Einfluss der Lobbyisten auf die Entscheidungsgremien der EU geschrieben: "Europe connexion". Nun wurde dieses Stück in Taipeh aufgeführt – mit großem Erfolg. Das Erstaunliche war, dass die Zuschauer vor Ort das Gefühl hatten, es ginge um Taiwan. Die eigene Erfahrung und der politische Kontext beeinflussen das Verständnis eines Textes. Die Menschen erkennen sich in dem Erlebten wieder.

Wie suchen Sie Ihre Themen aus?

Die suche ich mir nicht aus. Sie kommen, wenn Sie so wollen, zu mir. Es sind Themen, die mich ansprechen, die mich persönlich beschäftigen. Meistens Geschichten, über die man nicht wirklich spricht. Sagen wir Tabus. Ich schreibe auch nicht über mich, obwohl meine eigene Biographie, die meiner Familie und das Leben in Rumänien, für mich sicherlich prägend sind. Ich schreibe eher über Begegnungen, die geografisch nicht an eine bestimmte Gegend gebunden sind. Ich glaube auch nicht, dass uns ein einziger Ort, eine einzige Region wirklich prägt.

Ein weiteres Ihrer Stücke, das allerdings nur als Lesung in Hermannstadt vorgestellt wurde, ist "White Room". Inszeniert wird es noch in diesem Jahr in der südrumänischen Stadt Craiova. Wieder mal ein Text, der überall funktioniert?

So ist es. Es geht um das, was in unserem Inneren geschieht. Um das, was wir in dieser virtuellen Welt, in der wir leben, zu vergessen versuchen. Um unseren Versuch, uns andere Ichs zuzulegen, die es uns ermöglichen sollen, den Alltag und dessen Banalität zu ertragen. Ein Zeichen für die Universalität dieses Themas sind die Namen der Personen mit Hinweis auf ganz unterschiedliche Länder und Kulturen: Südafrika etwa oder Russland.

Stück Perfect compus
"Perfect compus" Bild: Sebastian Marcovici

Kommen wir zum Anfang unseres Gespräches zurück. Sie haben jetzt nach acht Jahren Pause wieder in Rumänien Regie geführt. Es ist ein Text, den Sie speziell für das Ensemble des Nationaltheaters geschrieben haben -  und Ihr erster Text in rumänischer Sprache.

"Perfect compus" („Plusquamperfekt") ist ein Drama über die Geschichte Rumäniens anhand dreier Generationen: von 1941, das Jahr des Pogroms gegen die jüdische Bevölkerung in Jassy (rum. Iași), einer Stadt im Norden des Landes, über die Jahrzehnte des Kommunismus bis heute. Mich interessieren Themen, die in der öffentlichen Diskussion eher fehlen, die tabu sind.

Hier kann man wieder deutlich erkennen, wie Politik und der geschichtliche Kontext Individuen zerstören. Ich glaube beispielsweise nicht, dass es in den Jahren der kommunistischen Diktatur wirklich ausgeschlossen war, jemandem nicht zu schaden. Es war sicherlich schwer, aber nicht unmöglich, Wiederstand zu leisten. Ich empfinde das Infragestellen der historischen Ereignisse als etwas sehr Positives.

Auch habe ich das Gefühl, dass der kritische Geist unter den Jugendlichen heutzutage stärker ausgeprägt ist als vor fünf oder zehn Jahren. Man ist eher gewillt, Verantwortung zu übernehmen, sich einzubringen, sich auch zu widersetzen. Und das finde ich gut. Geplant ist eine Tournee mit diesem Stück durch ganz Rumänien, wobei das Publikum - vor allem Jugendliche - die Gelegenheit haben, Fragen zu stellen und ihre Meinung dazu zu äußern.

Theater-Plakat in Hermannstadt
Das Programm des Theaterfestivals verspricht viele HighlightsBild: DW/M. Weident

Das Gespräch führte Medana Weident.

Porträt einer Frau mit schwarzen Haaren
Medana Weident Autorin, Reporterin, Redakteurin, vor allem für DW Rumänisch