Entschuldigung für Staatsversagen
22. August 2014Sie verneige sich vor den Opferangehörigen "mit Scham, Trauer und der Bitte um Vergebung", sagte Thüringes Ministerpräsidentin Christiane Lieberknecht (CDU) bei einer Sondersitzung des Landtags. Die Demütigungen durch falsche Verdächtigungen hätten den Schmerz der Opfer zusätzlich vergrößert. Zuvor hatte bereits Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) die Hinterbliebenen und die teils lebensgefährlich Verletzten der Sprengstoffanschläge in Köln um Verzeihung gebeten.
Vollständige Aufklärung
Die drei Mitglieder der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), die für zehn Morde, Sprengstoffanschläge und mehrere Banküberfälle verantwortlich gemacht werden, stammen aus Thüringen. Lieberknecht erklärte, Landtag und Regierung in Thüringen stünden für eine vollständige, schonungslose und transparente Aufklärung der NSU-Verbrechen. Das sei die Voraussetzung, um der Vertrauenskrise zu begegnen, "in die uns das Versagen der Behörden gestürzt hat".
Das aufgelistete Versagen der Ermittlungsbehörden muss nach Ansicht der Ombudsfrau Barbara John personelle Konsequenzen haben. Wenn jemand seine Dienstvorschriften ignorieret, dann müsse zumindest der Versuch gemacht werden, jemanden zur Rechenschaft zu ziehen, sagte die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer und ihre Angehörigen in Erfurt. Bislang sei kein einziges Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Das sei für die Familien der Opfer vollkommen unverständlich.
Bericht vorbildlich
Den Thüringer Bericht bezeichnete sie als vorbildlich. Die Abgeordneten hätten - ohne sich und andere zu schonen - den Finger in die Wunden gelegt. "Thüringen war das der Bundesrepublik Deutschland schuldig", sagte John. "Aber andere Bundesländer sind es Deutschland auch noch schuldig." In Hessen und Baden-Württemberg müssten etwa noch die Morde an Halit Yozgat und der Polizistin Michèle Kiesewetter aufgeklärt werden.
Die Sondersitzung des Landesparlaments galt dem am Vortag veröffentlichten Thüringer Untersuchungsbericht zum NSU. Darin wirft der Untersuchungsausschuss den Sicherheitsbehörden schwere Versäumnisse bei den Anfang 1998 begonnenen Ermittlungen gegen die Neonazi-Gruppe vor. Zu den 300 Gästen des Plenums gehörten neben Familienangehörigen von Opfern und Betroffenen des Anschlags von Köln auch der griechische Botschafter und der türkische Generalkonsul.
cr/mak (dpa, epd)