Tierarznei hilft auch bei Kindern
24. Februar 2014Peitschenwürmer wird man nur schwer wieder los. Die Parasiten leben im Übergangsbereich zwischen Dünn- und Dickdarm des Menschen. Etwa 750 Millionen Menschen sind weltweit infiziert, vor allem in tropischen und subtropischen Entwicklungsländern. Die Würmer breiten sich vor allem da aus, wo es kein sauberes Wasser gibt und Toiletten fehlen. Kinder stecken sich mit den Parasiten besonders schnell an, da sie oft in verunreinigter Erde spielen.
Forscher des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts in Basel haben jetzt ein wirksames Mittel gegen Peitschenwürmer gefunden, schreiben sie im New England Journal of Medicine. Sie haben Schulkinder auf der tansanischen Insel Pemba mit Oxanthel-Pamoat behandelt, einem Bestandteil von Entwurmungstabletten für Hunde und Katzen.
Nach nur einer Tablette waren 31 Prozent aller erkrankten Kinder frei von Peitschenwürmern. "Die Standardmedikamente waren hingegen viel schlechter", sagt Benjamin Speich, Erstautor der Studie, im DW-Interview.
Arzneien auf dem Markt ungenügend
In vielen afrikanischen Ländern erhalten Schulkinder prophylaktisch ein- oder zweimal im Jahr ein Entwurmungsmittel. Standardmedikamente dafür sind Albendazol und Mebendazol.
Sie wirken sehr gut gegen Haken- und Spulwürmer, aber gegen Peitschenwürmer sind sie so gut wie machtlos. Speich und seine Kollegen fanden, dass Albendazol lediglich 2,6 Prozent aller Kinder von Peitschenwürmern befreite. Die Zahl der Wurmeier im Stuhl verringerte sich gerade mal um 45 Prozent.
Verabreichten die Forscher das Standardmedikament Albendazol aber gemeinsam mit Oxanthel-Pamoat - dem Wirkstoff der Tierarznei - nahm die Zahl der Peitschenwurmeier im Stuhl der erkrankten Kinder um 96 Prozent ab. Eine Kombination beider Wirkstoffe könne sicherstellen, dass die Kinder von allen Wurmarten geheilt werden, inklusive der Peitschenwürmer, schreiben die Forscher.
Keine Nebenwirkungen
Als Tablette geschluckt, verbleibt Oxanthel-Pamoat im Darm; die Substanz geht nicht in den Blutkreislauf über. Das könnte erklären, warum die Kinder nach der Behandlung kaum Nebenwirkungen hatten. "Ein paar Kinder haben von leichten Kopfschmerzen und Übelkeit berichtet", sagt Speich, "aber das haben sie auch schon vor der Behandlung und auch in ähnlichem Ausmaß bei den Standardmedikamenten."
Bevor der Wirkstoff aber für Menschen zugelassen werden kann, braucht es weitere klinische Studien mit mehr Versuchspersonen. Die Forscher müssen auch noch untersuchen, welche Dosis und Verabreichungsform die beste ist.
Menschen zu behandeln lohnt sich oft nicht
Wie ein Blick in die Datenbank aller Medikamente zeigt, sind die Philippinen das einzige Land, in dem der Wirkstoff bereits für die Behandlung am Menschen zugelassen wurde. Forscher haben Oxanthel-Pamoat bereits in den 1970er Jahren erfolgreich am Menschen getestet. Aber die klinische Studie geriet in Vergessenheit. "Wurmkrankheiten beim Menschen kommen meist da vor, wo Menschen arm sind, und daher ist es für die Pharmaindustrie nicht interessant, solche Medikamente zu entwickeln", sagt Speich.
Tiere zu behandeln, rentiere sich oft eher. Kühe beispielsweise bilden unter Umständen weniger Fleisch aus, wenn sie Würmer im Darm haben. Daher würden solche Wurmmedikamente oft zuerst in der Tiermedizin entwickelt und gelangten später in den Arzneischrank des Humanmediziners.
Außerdem, fügt Speich hinzu, könne es durchaus sein, dass es in den 70er Jahren noch keinen Bedarf gab, weil die Standardmedikamente noch wirksam waren. "Das Problem, dass dieser eine Wurm nicht mehr auf die Medikamente anschlägt, beobachten wir erst seit einiger Zeit." Möglicherweise sind Peitschenwürmer inzwischen resistent gegen die gängigen Medikamente geworden.
"Ein totaler Sonderfall"
Rolf Hömke vom Verband der forschenden Pharmaunternehmen kennt noch ein paar andere Fälle, in denen ein Medikament zunächst für Tiere zugelassen wurde und sich später als wirksam beim Menschen herausstellte. Eine dieser Substanzen wirkt gegen Fadenwürmer, die die sogenannte Flussblindheit hervorrufen.
"Aber das sind totale Sonderfälle", sagt er. Oft sei es andersherum: Seit Jahren behandeln Ärzte ihre Bluthochdruckpatienten mit dem Wirkstoff Telmisartan. Erst seit Kurzem ist diese Substanz auch als Tierarznei auf dem Markt: gegen Nierenversagen bei Katzen.
Meistens aber entwickeln Unternehmen den gleichen Wirkstoff parallel zu einer Tier- und zu einer Menschenarznei. "Es gibt eine hohe Übereinstimmung zwischen dem Menschen und seinen Haus- oder Nutztieren", sagt Hömke. Sie sind fast alle Säugetiere.
"Klinische Studien sind immer teuer", fügt er hinzu. Eine Pharmafirma könne kein Geld sparen, wenn sie zunächst eine Tierarznei entwickelt und diese dann später für die menschliche Behandlung abwandelt. Wenn ein Wirkstoff für eine andere Art zugelassen werden soll, müssen klinische Studien laut Hömke immer quasi wieder bei Null anfangen.