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Tierschutzbund zeigt Annika Schleu und Kim Raisner an

13. August 2021

Wegen Tierquälerei bei den Olympischen Spielen in Tokio werden Fünfkämpferin Annika Schleu und Bundestrainerin Kim Raisner vom Deutschen Tierschutzbund angezeigt. Die Organisation will Grundsätzliches klären.

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Tokio | Olympia Reitsport
Obwohl Saint Boy mehrfach verweigerte und Hindernisstangen riss, ließ ihn Annika Schleu immer wieder anreitenBild: picture alliance/dpa

Eine Woche nach den teilweise verstörenden Bildern in der Frauen-Konkurrenz des Modernen Fünfkampfs bei den Olympischen Spielen in Tokio hat der Deutsche Tierschutzbund Strafanzeige gegen die Moderne Fünfkämpferin Annika Schleu und Bundestrainerin Kim Raisner gestellt. Die Organisation wirft Schleu aufgrund der Ereignisse beim Reitwettbewerb Tierquälerei vor und Raisner Beihilfe zur Tierquälerei. Das Schleu zugeloste Pferd Saint Boy hatte im Parcours in Tokio mehrfach verweigert und war schon vor dem Ritt kaum dazu zu bewegen gewesen, überhaupt über die Hindernisse zu gehen. Raisner hatte die weinende Athletin mit den Worten "Hau mal richtig drauf!" zum Einsatz der Gerte aufgefordert und Saint Boy selbst mehrfach in die Flanke geboxt. Da dies ein Verstoß gegen das Regelwerk war, wurde Raisner vom Weltverband UIPM für den Rest der Spiele suspendiert.

Schleu: "Bin mir keiner Tierquälerei bewusst"

In einem leistungsorientierten Wettkampf zwischen Menschen hätten Tiere nichts zu suchen, sagte Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder. Die Anzeige diene auch dazu, diese Frage grundsätzlich zu klären. Schleu habe in anschließenden Interviews Einsicht vermissen lassen, kritisierte der Tierschutzbund. Die Athletin sah sich nach ihrem Wettbewerb in den sozialen Medien zahlreichen kritischen Kommentaren ausgesetzt, von denen viele die Grenzen überschritten.

In einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit" hatte sich Schleu anschließend erneut gegen den Vorwurf gewehrt, ihr Pferd im Wettkampf gequält zu haben. "Ich habe das Pferd nicht extrem hart behandelt. Ich hatte eine Gerte dabei, die vorher kontrolliert wurde. Genauso wie die Sporen. Ich bin mir wirklich keiner Tierquälerei bewusst", sagte die 31-Jährige.

Tokio Olympia 2020 | Moderner Fünfkampf | Annika Schleu
Sportsoldatin Annika Schleu ist mehrfache Weltmeisterin mit dem Team und der StaffelBild: Andrew Medichini/AP/dpa/picture alliance

Allerdings gab sie zu, dass sie besonnener hätte reagieren müssen und den Ritt zur Schonung des Pferdes früher hätte abbrechen sollen. "Ich hätte eventuell früher sagen können, okay, es hat einfach keinen Wert." Die Interessenvertretung "Athleten Deutschland" hatte Schleu bezüglich der Hetze gegen sie im Netz Unterstützung zugesagt. Die Fünfkämpferin beklagte, dass sie sich dagegen vom Weltverband allein gelassen gefühlt habe. Der deutsche UIPM-Präsident Klaus Schormann habe nicht mit ihr gesprochen. Tierschutzbund-Präsident Schröder bezeichnete einen Rücktritt Schormanns als überfällig.

Veränderungen am Regelwerk

Nach den Vorfällen um Schleu und Raisner war eine Diskussion über die Regularien im Modernen Fünfkampf entbrannt. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) forderte als logische Konsequenz der Ereignisse eine "dringende" Änderung der Regeln der umstrittenen Teildisziplin Springreiten. Die Vorgänge seien "inakzeptabel" und gefährdeten das Tierwohl, sagte DOSB-Chef Alfons Hörmann: "Es schadet dem Ansehen von Sportart und Sportlern."

Kritik erntete vor allem die Tatsache, dass die Fünfkämpferinnen und Fünfkämpfer nicht auf eigenen Pferden reiten, sondern die Tiere gestellt bekommen. Sie haben kurz vor dem Wettkampf einige Minuten Zeit, sich aneinander zu gewöhnen. Zudem gehen dieselben Pferde mit verschiedenen Reitern mehrfach in den Parcours. Hier - so der allgemeine Tenor der Kritik - seien dringend Änderungen nötig. Dies sei aber, so Schormann in Tokio, nicht so einfach, da man das Reglement im Fünfkampf nur alle vier Jahre ändern dürfe. "Seit drei Jahren arbeiten wir daran", sagte der Präsident des Weltverbands, "aber in Tokio mussten wir unter diesem Regelwerk antreten, wir hatten gar keine andere Wahl."

Tokio, Japan | Klaus Schormann
Der 75-jährige Klaus Schormann ist seit 1993 Präsident des Weltverbands UIPMBild: Naoki Nishimura/imago images

Als Reaktion auf Olympia werde die UIPM eine Reit-Arbeitsgruppe zusammenstellen, um Vorschläge zur künftigen Vermeidung solcher Vorkommnisse zu sammeln, hieß es in einer Mitteilung des Weltverbands. Man wolle das Reiten modifizieren: weniger Sprünge sowie niedrigere und weniger anspruchsvolle Hindernisse. Außerdem sollen künftig Schulungen zum Tierwohl zum Training dazugehören. 

Eine Streichung der Disziplin Reiten ist jedoch nicht vorgesehen. Seit einiger Zeit wird darüber diskutiert, ob man das Reiten ganz aus dem Programm nimmt und durch eine andere Disziplin ersetzt, zum Beispiel Mountainbikefahren. Bei den Fünfkämpfern selbst trifft das aber auf wenig Gegenliebe. Das Reiten bleibe "integraler Bestandteil des Modernen Fünfkampfs - basierend auf der Vision von Pierre de Coubertin", wird UIPM-Präsident Klaus Schormann in der Mitteilung zitiert.

Diskussionen um Saint Boy

Viel spekuliert wurde auch über das Befinden und den gesundheitlichen Zustand des Pferdes. Zwar hatte der Weltverband einige Tage nach dem Wettkampf einen Tweet veröffentlicht, in dem gemeldet wurde, Saint Boy gehe es gut und er sei wieder in seinem Stall beim Minakuchi Riding Club in der Präfektur Shiga, jedoch löste auch diese Nachricht Reaktionen aus.

Vielfach wurde kommentiert, es handele sich nicht um dasselbe Pferd, zudem seien die Fotos nicht aktuell, sondern vom Winter, wie man an den entlaubten Bäumen im Hintergrund erkennen könne. Eine Nachfrage der DW an den Weltverband zum aktuellen Gesundheitszustand und Aufenthaltsort von Saint Boy blieb unbeantwortet. 

Am 12. August veröffentlichte der Weltverband auf seiner Internetseite dann ein Update zu Saint Boy. "Er ist bei guter Gesundheit, wenn auch vom Wettkampf erschöpft", werden die Besitzer zitiert. Zudem gibt es Links zu aktuellen Fotos und Videos des Pferdes.