EU hält Hilfsgelder für Äthiopien zurück
16. Dezember 2020Der Schritt stand schon länger im Raum - jetzt folgt der Vollzug: Die Europäische Union friert Hilfsgelder für Äthiopien ein, um der Forderung nach einem Ende der Kämpfe und einer politischen Lösung im Tigray-Konflikt Nachdruck zu verleihen. "Die EU hat beschlossen, eine Entscheidung über ein mögliches Unterstützungspaket in Höhe von 90 Millionen Euro, das bis Jahresende fällig wäre, aufzuschieben", teilte eine Sprecherin der EU-Kommission auf DW-Anfrage mit.
Als Bedingungen für eine Fortführung der Zahlungen nannte sie unter anderem der Zugang für Hilfsorganisationen sowie ein Ende von Handlungen und Hatespeech gegen ethnische Gruppen. Außerdem sollten Menschenrechtsverletzungen untersucht, die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Flucht gewährt und Kommunikationswege in die Region Tigray wiederhergestellt werden.
Humanitäre und Entwicklungshilfe der EU sei davon nicht berührt - diese Maßnahmen "werden wie gewohnt umgesetzt", teilte die EU-Kommission weiter mit.
In einem internen Dokument, aus dem die Nachrichtenagenturen AFP und Reuters zitieren, ist demnach die Rede von 88,5 Millionen Euro, die vorerst nicht überwiesen werden. Darin enthalten sind 60 Millionen Euro für den Ausbau der Logistik und Transportwege in Äthiopiens Nachbarländer sowie 17,5 Millionen Euro für das Gesundheitssystem. Der Aufschub der Zahlungen bedeute nicht, dass das Geld "für die äthiopische Regierung verloren ist", heißt es demnach in dem Dokument. Die äthiopische Regierung war laut AFP zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Viele Tote und Vertriebene
Seit Anfang November stehen sich in der abtrünnigen Region im Norden Äthiopiens Milizionäre der Tigrayischen Volksbefreiungsfront TPLF sowie des von der Zentralregierung abkommandierten Militärs gegenüber. Ministerpräsident Abiy Ahmed verkündete Ende November die Einnahme der Regionalhauptstadt Mekele. Berichten der Vereinten Nationen zufolge halten die Gefechte jedoch an.
Außerdem warfen die UN der Regierung vor, Hilfslieferungen zu blockieren. UN-Schätzungen zufolge wurden bereits Tausende Menschen infolge der Kampfhandlungen getötet. Mehr als 950.000 sind geflüchtet, 50.000 davon ins Nachbarland Sudan.
Erschwerter Zugang für Helfende
Am Wochenende erreichte erstmals seit einem Monat ein Hilfskonvoi des Roten Kreuzes die Region. Die Lage bleibe besonders in den Krankenhäusern jedoch weiter äußerst ernst, sagte der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer, dem französischen Sender RFI: So sei ein Partnerkrankenhaus in Mekele praktisch außer Betrieb, weil es keine medizinischen Instrumente mehr gebe.
Zuvor hatte es Berichte gegeben, wonach ein UN-Team auf dem Weg zu einem Flüchtlingslager beschossen wurde. Eigentlich gebe es ein Abkommen, wonach Mitarbeitende der UN und anderer Organisationen freien Zugang zur von den Regierungstruppen kontrollierten Region bekommen sollten, sagte Chris Melzer, für Äthiopien zuständiger Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, der DW. "Wir hatten möglicherweise unterschiedliche Definitionen, was 'freier Zugang' bedeutet."
Auch IKRK-Präsident Maurer zufolge ist der Zugang weiter kompliziert. Die Kriegsteilnehmer unterstützten unabhängige Hilfsorganisationen nicht, wie es eigentlich in den Genfer Konventionen vorgeschrieben sei.
Keine Informationen
Unabhängige Informationen über die Lage in Tigray sind nach wie vor rar, weil digitale und analoge Kommunikationswege unterbrochen sind. In die Kämpfe sollen auch Einheiten aus dem angrenzenden Eritrea verwickelt sein: Eritrea lag jahrzehntelang über Kreuz mit der Zentralregierung in Addis Abeba - die damals jedoch von tigreischen Eliten dominiert worden war.
Der seit 2018 regierende Ministerpräsident Abiy gehört zur Volksgruppe der Oromo und hatte sich für einen Friedensschluss mit Eritrea eingesetzt und war dafür auch mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden. Der Schritt war wiederum ein Grund für die wachsende Unzufriedenheit der in Tigray regierenden TPLF.
ehl/sti (afp, rtr, epd, DW)