"Tino Sehgal finde ich eher peinlich"
4. Juli 2005DW-WORLD: Herr Odenbach, was bietet denn die älteste aller Biennalen dieses Jahr?
Marcel Odenbach: Recht wenig. Ich finde es immer schwierig bei der Biennale in Venedig zu urteilen, weil man natürlich vielen Dingen unrecht tut. Sie ist sehr viel besser installiert als in den Jahren davor. Das ist ein großes Plus, es sind sehr viel weniger Künstler in der Biennale vertreten. Ich finde sie aber sehr wenig spannend, sehr wenig aufregend. Es gibt in dem Sinne nicht eine neue Arbeit, die mich wirklich herausgefordert hat. Es gibt zum Beispiel überhaupt keinen neuen Trend in dem Sinne.
Wie gefällt Ihnen denn der deutsche Pavillon?
Den verstehe ich nicht. Ich finde ihn im Verhältnis zu anderen Jahren, in denen ich den deutschen Pavillon sehr spekulativ fand - aber doch unvergesslich im positiven, wie im negativen Sinne - nun diesmal finde ich den Pavillon … mir sagt er gar nichts. Es gibt sehr schöne Bilder von Scheibitz, es gibt eine Skulptur, die ich überhaupt nicht verstehe, die ich ganz schrecklich finde und Tino Sehgal finde ich eher peinlich.
Ihnen gefällt es nicht, dass Sehgal das Aufsichtspersonal durch den leeren Saal tanzen und singen lässt?
Nein. Aber was mir gut gefallen hat, ist der Daniel Knorr, also der rumänische Pavillon. Das ist zwar kein neues Statement in dem Sinne, dass man eine Veranstaltung oder Länderpräsentation oder Architektur überhaupt in Frage stellt, das ist sehr ähnlich beim schwedischen Beitrag von Carsten Höller und Miriam Beckström, das sind natürlich keine neuen Positionen, aber es sind im Gesamteindruck der Biennale doch Statements, die ich sehr wichtig finde.
Daniel Knor hat den Pavillon leer gelassen?
Er hat den Pavillon leer gelassen, ja er hat eigentlich mehr gemacht. Er hat den Pavillon so gelassen, wie er ihn vorgefunden hat. Und das ist etwas anderes. Er hat nichts an diesem Pavillon verändert, da war scheinbar vor anderthalb Jahren etwas anderes drin, wir wissen nicht, was es war. Er hat die hintere Tür des Pavillons geöffnet, die steht auf. Und wenn man da rausguckt oder rauskommt, steht man mitten in Venedig. Und ich glaube, das das auch sehr viel mit seinem Land zu tun hat und es ist natürlich klar, das stellt die Biennale in Frage und ist natürlich auch ein politisches Statement.
Welche Kunstrichtung sticht den besonders hervor bei der Biennale?
Keine. Ich glaube, das die Biennale auch widerspiegelt, was sich gerade in der Szene tut oder nicht tut. Wir wissen ja, das der Kunstmarkt und viele junge Künstler sich wieder sehr stark mit Malerei und Zeichnung auseinandersetzten, das ist in der Biennale zwar durch Altmeister wie Fries oder Beacon oder Tapies vertreten. Es ist aber von jungen Leuten sehr wenig vertreten und das finde ich eigentlich sehr schade. Und es sind sehr wenige politische oder dokumentarische Arbeiten, wie es früher zu sehen war, oder wie man es noch von der Biennale her kennt. Es gibt in dem Sinne keinen Trend. Das finde ich aber auch positiv.
Um noch einmal einen politischen Aspekt hineinzubringen: Was halten Sie den von der Aktion, das Werk von Gregor Schneider zu verbannen, um die Gefahr von Terroranschlägen zu mindern?
Also, ich kenne die Arbeit von Gregor Schneider, die er vor hatte für Venedig, schon sehr viel länger wie die meisten, weil ich in der Jury saß, um Gelder dafür zu bewilligen. Wir haben das sehr offen diskutiert und ich habe mich dafür eingesetzt, die Arbeit zu realisieren. Ob ich die Arbeit nun spekulativ oder interessant finde, ist eine zweite Frage. Ich finde es immer problematisch, Arbeiten zu verbieten.
Marcel Odenbach gehört zu den international anerkanntesten deutschen Videokünstlern. Seit 1975 arbeitet er künstlerisch mit den Medien Video, Performance, Installation und Zeichnung. Seit 1992 ist er Professor an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und der Kunsthochschule für Medien Köln.