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Steffen Freund: "Titelchancen sind sehr groß"

Arnulf Boettcher23. Mai 2012

Der Europameister von 1996 traut der DFB-Auswahl bei der kommenden EURO 2012 alles zu, sollte sie ihre schwere Gruppenphase überstehen. Nachwuchstrainer Steffen Freund äußerte sich im DW-Interview.

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DFB-Nachwuchstrainer Steffen Freund (Foto: picture alliace)
Bild: picture alliance/augenklick

Als die deutsche Nationalmannschaft bei der EM 1996 in England ihren bislang letzten Titel holte, war Steffen Freund als defensiver Mittelfeldspieler einer der Erfolgsgaranten im Kader. 1997 feierte er mit Borussia Dortmund den Gewinn der Champions League. Seit 2009 ist Freund Nachwuchstrainer beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Mit der U17-Nationalmannschaft wurde er 2011 Vize-Europameister und im gleichen Jahr WM-Dritter in Mexiko. Seitdem trainiert er beim DFB den neuen U16-Jahrgang. Im DW-Interview spricht der 42-Jährige über die erfolgreiche Nachwuchsarbeit und die EM in Polen und der Ukraine (8. Juni bis 1. Juli). Dort spiele die DFB-Auswahl in der schwersten Gruppe,  sagt Steffen Freund.

Deutsche Welle: Wie beurteilen Sie die Chancen der deutschen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine?

Steffen Freund: Die Chancen sind sehr groß, dass wir wieder einen Titel gewinnen. Alle im Umfeld und selbst die Verantwortlichen der Nationalmannschaft sprechen davon. Unsere letzten Spiele belegen das teilweise auch. Wir haben vor einigen Monaten in Hamburg mit Holland eine der Topmannschaften klar und hochverdient 3:0 geschlagen. Wir sind Vize-Europameister und auch Dritter bei der WM. Jeweils waren die Spanier vor uns. Ich glaube und hoffe auch, dass wir die Spanier schlagen, wenn wir sie noch einmal als Gegner bekommen.

Wie sehen Sie die deutsche EM-Gruppe?

Das ist die schwerste Gruppe. Portugal ist immer ein unangenehmer Gegner, eine sehr gute Mannschaft, die auch stark im Ballbesitz ist. Wir haben gegen Portugal zwar oft erfolgreich gespielt, es ist aber eine Mannschaft, die Deutschland gefährlich werden kann. Dann haben wir die Dänen als Überraschungsmannschaft mit Morten Olsen als Trainer. Da ist immer alles möglich und da sollte man natürlich vorsichtig sein. Dann haben wir mit Holland wieder den Gegner, den wir in Hamburg vorgeführt haben, was auch wieder eine Gefahr birgt. Deshalb ist es sehr wichtig, gut in das EM-Turnier zu starten. Sollten wir diese schwere Gruppe überstehen, ist alles möglich.

"Im Ballbesitz sind wir sehr stark"

Steffen Freund (l.) im Zweikampf mit dem Dänen Allan Nielsen 1996 im Münchner Olympiastadion. Die Deutsche Elf gewann gegen Dänemark mit 2:0. (Foto: picture alliance)
Steffen Freund (l.), hier im Duell mit dem Dänen Allan Nielsen, galt in der Defensivarbeit als kompromisslosBild: picture alliance / dpa

Warum ist die deutsche Mannschaft so gut, warum spielt sie so einen attraktiven Fußball?

Das ist immer auch abhängig vom Trainer. Da muss man einfach Joachim Löw ein großes Kompliment machen. Er übersetzt seine Spielphilosophie ganz klar auf die Spieler. Wir sind im Ballbesitz sehr, sehr stark. Wir nutzen jeden Zentimeter auf dem Spielfeld und schaffen Räume. Technisch gibt es kaum Fehler. Ich denke, dass gerade auch die einfachen Technik-Formen immer wieder mit den Spielern trainiert werden und diese somit wenig Fehler machen. Nicht so wie ich früher, als mir der Ball schon einmal bei der Ballannahme weit weg sprang. Deshalb sind wir auf einem sehr guten Weg. Wir waren ja immer schon sehr stark gegen den Ball. Da waren die Deutschen eigentlich nie zu schlagen, dazu kommt ihr "Spielspirit". Heute sind wir auch sehr stark im Ballbesitz. Deswegen können wir hoffentlich den Spaniern gefährlich werden. Denn die sind nach wie vor das Nonplusultra, gerade auch in der Ballance zwischen Offensive und Defensive.

Den letzten Titel gab es 1996 bei der EM in England. Sie waren dabei. Wo liegt der Unterschied zwischen den Mannschaften damals und heute?

Die heutige Mannschaft ist spieltechnisch weiter als wir. Wir hatten auch tolle Spieler mit Thomas Häßler und Andi Möller, die auch mit dem Ball sehr gut umgehen konnten. Wir hatten aber auch Spieler wie Dieter Eilts oder mich, die gegen den Ball sehr stark waren und auch ihre direkten Gegenspieler ausgeschaltet haben. Heute hat sich das verändert. Heute muss man eben immer im Raum sehr gut verteidigen und natürlich auch noch Zweikämpfe gewinnen. Das darf man nicht vergessen. Aber im Ballbesitz ist diese Mannschaft heute im Block viel stärker. Es beginnt schon in der Abwehr, wenn ich hier etwa Mats Hummels sehe und seine Spieleröffnung aus der Innenverteidigung ins Mittelfeld. Zu unserer Zeit hatten wir natürlich auch noch einen verkappten Libero mit Matthias Sammer, der das dann fast allein übernommen hat. Das hat sich verändert. Heute wird gerade im Ballbesitz jeder Spieler gebraucht.

"Nachwuchstitel sprechen für sich"

13.10.2011, Testspiel, Deutschland U16 - Ukraine U16, v.l. Trainer Steffen Freund (Deutschland) FOTO: Huebner/Scheuring Schlagworte Action, Aktion, Calcio, Fotball, Fussball, Futbol, Germany, Le Football, Soccer, Sport, SPO
Seit 2009 ist Ex-Nationalspieler Steffen Freund als DFB-Nachwuchstrainer engagiertBild: picture alliance / Foto Huebner

Ist das auch ein Erfolg der guten Nachwuchsarbeit?

Das spielt sicherlich eine große Rolle. Die U21 wurde vor einigen Jahren in Schweden Europameister, und sechs Spieler sind direkt zur Weltmeisterschaft gefahren. Wann gab es denn einmal so etwas? Das zeigt, dass wir im Nachwuchsbereich gerade mit den deutschen Nationalmannschaften wieder erfolgreich spielen. Drei Titel sprechen da für sich. Wir hatten Jahrzehnte nichts geholt. Somit kommt die Belohnung dann auch für die Spieler oben bei Joachim Löw an. Ich freue mich natürlich, dass Löw sehr schnell auf diese jungen, talentierten Spieler zurückgreift. Auch ein wenig aus der Not geboren, weil wir eine Krise zwischen der WM 1998 und der WM 2006 hatten. Wir sind zwar noch einmal Vize-Weltmeister 2002 geworden. Aber insgesamt kamen da relativ wenige Talente nach.

Sie sind Nachwuchstrainer. Wie groß ist Ihr Anteil am Erfolg?

Jetzt natürlich noch sehr gering. Ich arbeite seit drei Jahren hauptamtlich beim DFB. Von meinem Jahrgang 1994 riechen schon die ersten Spieler in die Bundesliga rein, obwohl sie noch in der A-Jugend spielen könnten. Das ist etwas Schönes, da habe ich sicherlich meinen Anteil. Aber Richtung Nationalmannschaft gibt es noch gar keinen Anteil. Dort sind es noch die Spieler von Horst Hrubesch oder Marco Pezzaiuoli, die in dem Bereich in den letzten Jahren die Erfolge und somit einen großen Anteil hatten.

"Es bewegt sich etwas"

Wenn sie sich Ihre Spieler anschauen: Muss ich mir da Sorgen um die deutsche Nationalmannschaft in den nächsten Jahren machen?

Eigentlich nicht. Das ist nicht arrogant gemeint. Wir haben unter Matthias Sammer seit 2006 unsere DFB-Philosophie. Es bewegt sich wirklich etwas. Ich kann gut erkennen, dass man umgeschaltet hat, dass man auch jüngere Trainer nachholt, um diese neuen Fußballer auszubilden und zu prägen. So werden die Voraussetzungen geschaffen, damit aus den U-Mannschaften weitere Spieler bei Joachim Löw ankommen.

Sehen Sie auch neue Özils oder Khediras?

Ja natürlich. Die sehe ich tagtäglich. Und es werden weitere Spieler folgen, weil sie auch diesen Weg mit den Nachwuchs-Leistungszentren und mit unserer Vorreiterrolle gehen. Es ist unsere Aufgabe, meine Aufgabe, den Jungs klar zu machen, dass sie es schaffen können. Aber viele scheitern natürlich noch auf diesem langen Weg.