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Athiopiens Premier Meles Zenawi ist tot

Ludger Schadomsky21. August 2012

Der langjährige äthiopische Premierminister Meles Zenawi ist tot. Er lenkte Äthiopien seit 1991. Sein autoritärer Regierungsstil stand häufig in der Kritik.

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Portrait von Meles Zenawi (Foto: AP)
Bild: AP

Legesse Zenawi wurde am 8. Mai 1955 als Sohn eines Kleinbauern in Adua im Norden Äthiopiens geboren. Erst später nahm er den "nom de guerre", den Kriegsnamen Meles an, um einen gefallenen Widerstandskämpfer zu ehren. Eine Elite-Schule und zwei Master-Fernstudiengänge schloss er mit Auszeichnung ab. Sein dort erworbenes Wissen führte dazu, dass er vor Staatsgästen später regelmäßig intellektuelle Kurzreferate hielt.

Bereits als Medizinstudent wurde Meles (der wie in Äthiopien üblich bei seinem Vornamen gerufen wurde) politisch aktiv, schloss sich marxistischen Zirkeln an und beteiligte sich an der Bewegung, die zum Sturz von Kaiser Haile Selassie 1974 führte.

Vom Rebell zum Premier

Nach der Machtübernahme von Mengistu Haile Mariam verließ Meles die Universität und verschrieb sich dem Guerillakrieg gegen diesen. Mehr als zehn Jahre kämpfte seine Bewegung "Revolutionäre Demokratische Front des Äthiopischen Volkes" (TPLF) in den nördlichen Bergen Tigres, bevor die Rebellen größere Geländegewinne erzielen konnten. Im Mai 1991 nahmen sie schließlich, aktiv unterstützt von den USA, die Hauptstadt Addis Abeba ein. Gefragt, ob sein Land bereit sei für die Demokratie, antwortete Interimspräsident Meles der Frankfurter Rundschau 1991: "Wissen die Europäer eigentlich, dass wir schon eine Hochkultur hervorgebracht hatten, als sie noch Jäger und Sammler waren?"

Zwar versprach er, nach den dunklen Jahren des "Roten Terrors" auf eine politische Hexenjagd zu verzichten. Dennoch ging seine "Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker" (EPRDF) mit harter Hand gegen vermeintliche Mengistu-Kollaborateure, Journalisten und Kontrahenten vor. Erst 20 Jahre später berichteten ehemalige Weggefährten in Büchern, wie skrupellos sich der gewiefte Taktiker seiner Rivalen entledigte.

Plakate gegen Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien. (Foto: Ludger Schadomsky/DW)
Exil-Äthiopier demonstrieren in London gegen Menschenrechtsverletzungen der äthiopischen RegierungBild: DW

Während Äthiopien zu Beginn der 1990er erneut von einer furchtbaren Hungerkatastrophe getroffen wurde, ließ sich Meles zum Premierminister wählen. Die Kritik von Menschenrechtsorganisationen begleitete den glühenden Marxisten freilich weiter und bis zu seinem Tod.

Fackelträger der afrikanischen Wiedergeburt?

Zwei Ereignisse zerstörten schließlich Meles Image vom Hoffnungsträger einer "afrikanischen Renaissance": der verlustreiche Grenzkrieg mit dem Nachbarn Eritrea zwischen 1998 und 2000, sowie die Fälschung der Wahlen 2005, als 200 Menschen bei Protesten starben. "Ich habe für das Recht des äthiopischen Volkes gekämpft, eine echte Wahl zu treffen - ich bin heute sehr stolz", hatte Meles nach dem Wahlgang gesagt. Kurze Zeit später erschossen seine Sicherheitskräfte demonstrierende Studenten. Gefragt zum Eritrea-Konflikt betonte Meles 2005 bei einem Besuch in Bonn, er wolle "keinen dummen Krieg mehr". Dessen ungeachtet blieb das Säbelrasseln gegenüber dem Nachbarn eine beliebte Pose des Premiers.

Nach der Wahl 2005 und den Massenverhaftungen Oppositioneller prangerten Menschenrechtsgruppen weiter Willkür, Vertreibung und Korruption an. Zuletzt wurden im Juni 2012, 24 Journalisten, Oppositionelle und Aktivisten unter Äthiopiens drakonischem Anti-Terror-Gesetz verurteilt, ein Blogger bekam 18 Jahre Haft. Auch wurde Meles Regierung die Unterschlagung von Entwicklungshilfegeldern für Wahlkampfhilfe vorgeworfen.

Stratege nach 9/11

Außenpolitisch wusste Meles dagegen besonders beim strategischen Partner USA mit dem Einmarsch in Somalia 2006 zu punkten. Bis zum Abzug 2009 gelang es seinen Truppen, islamistische Milizen zurückzuschlagen. Überhaupt verstand es Meles ausgezeichnet, das strategisch günstig am Horn gelegene Äthiopien, als Partner des Westens im Kampf gegen den Terrorismus zu vermarkten. Im Gegenzug erhielt er milliardenschwere Militärhilfe und diplomatische Zurückhaltung.

Plakat gegen die Einmischung in den Somalia-Konflikt (Foto: Ludger Schadomsky/DW)
Kritik an der Einmischung in den Somalia-KonfliktBild: DW

2010 ließ sich Meles erneut im Amt des Regierungschefs bestätigen. Seine letzte Amtszeit wurde überschattet von einer weiteren schweren Dürre, Hyperinflation und explodierenden Lebenshaltungskosten. Einen Volksaufstand im Mai 2011 nach nordafrikanischem Vorbild konnte die Regierung abwenden, verschärfte danach aber die Repressionen.

Zwei Gesichter

Dass der äthiopische Premier, dessen Hobbys Lesen, Schwimmen und Tennis waren und der Besucher mit einem gewählten Englisch beeindruckte, zuletzt im Juni 2012 beim G20-Gipfel in Mexiko öffentlich auftrat, ist bezeichnend für den Mann mit den zwei Gesichtern. Daheim ein autoritärer Lenker, der Widerstand im Keim und notfalls mit Gewalt erstickte, gab Meles auf dem internationalen Parkett den charismatischen Sprecher Afrikas, etwa wenn es um die globalen Klimaverhandlungen und die Auswirkungen auf den Kontinent ging. Zugute gehalten werden Meles seine Bemühungen im Bereich Gesundheit und Bildung. Unter seiner Ägide hat sich Äthiopien in den Entwicklungsindizes verbessert, wenngleich das ungebremste Bevölkerungswachstum viele Fortschritte zunichte macht. Wirtschaftlich erlebt Äthiopien seit Jahren einen Boom - allerdings profitieren in erster Linie Parteigänger.

Parteianhänger Zenawis mit Plakat. (Foto: dpa)
Parteianhänger Zenawis bei Wahlen in Mai 2010Bild: picture alliance/dpa

Meles Gesundheitszustand

Bereits längere Zeit zirkulierten Gerüchte über eine Erkrankung, mehrfach begab sich Meles im Ausland in Behandlung. Als er im Juli 2012 auf dem Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba fehlte, verdichteten sich trotz Dementis seiner Sprecher die Zeichen eines bevorstehenden Todes.

Meles Zenawi starb am Dienstag, 21.08.2012 . Er hinterlässt seine Frau Azeb Mesfin, die als Mitglied des Zentralkommittes der EPRDF zahlreiche große Staatsunternehmen kontrolliert, und drei Kinder.