Toni Söderholm: "Gehen unseren Weg weiter"
10. Mai 2019DW: Die anstehende WM in der Slowakei ist Ihr erstes Turnier als Trainer der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft. Sie haben bereits gesagt, dass Sie dem DEB-Team einen eigenen Stempel aufdrücken wollen. Was können wir bei der diesjährigen Weltmeisterschaft von Deutschland erwarten?
Toni Söderholm: Man kann erwarten, dass wir läuferisch gut unterwegs sind, dass wir gut organisiert sind in fast allen Situationen und dass wir schnell reagieren. Wir wollen unsere Gegner immer wieder unter Druck setzen und knifflige Situationen vor allem spielerisch lösen.
Haben Sie taktisch gegenüber der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Dänemark etwas verändert?
Ja, ein wenig. Ich will, dass wir die Scheibe so viel behalten wie möglich. Wir können es uns nicht leisten, den Puck leichtfertig aufzugeben, denn in Spielen wie diesen bekommt man ihn nicht so leicht zurück. Das ist wahrscheinlich der größte Unterschied. Wir müssen die Situationen erkennen, in denen wir aggressiv spielen können und in denen wir passiv spielen müssen. Wir haben unsere Abwehr- und Forechecking-Systeme nicht viel verändert. Wir müssen lernen, Situationen besser zu lesen, damit wir schneller erkennen können, wann wir aggressiv sein und wann wir uns mehr zurücklehnen müssen.
In Dänemark war Deutschland die drittschlechteste Mannschaft in Bezug auf die Torschuss-Effizienz (Torschüsse dividiert durch erzielte Tore). Die beiden schlechteren Mannschaften, Weißrussland und Südkorea, sind aus der Spitzengruppe des internationalen Eishockeys abgestiegen. Beunruhigt Sie diese Statistik? Und was wollen Sie dagegen unternehmen?
Ich würde nicht sagen, dass es mich beunruhigt, aber es gibt offensichtlich Verbesserungsmöglichkeiten in diesem Bereich. Wir müssen uns ansehen, was hinter dieser Statistik steckt und nach Möglichkeiten suchen, die Ursache des Problems zu lösen. Die Statistiken liefern eine Antwort, die Analyse eine andere und meine eigene Perspektive als Coach wiederum eine andere. Ich glaube, man muss nach jedem Spiel, das man spielt, danach streben, sich zu verbessern und zu entwickeln, unabhängig davon, ob es sich um einen Sieg oder eine Niederlage handelt. Das ist etwas, woran ich immer zu denken versuche. Was ich von der Bank aus sehe, ist nicht immer dasselbe wie das, was die Spieler auf dem Eis sehen. Wir müssen zusammenarbeiten, um uns zu verbessern.
Unter IhremVorgänger Marco Sturm erreichte Deutschland den größten Erfolg aller Zeiten im Eishockey und gewann bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang die Silbermedaille. Dann in Dänemark gab es eine Enttäuschung - nur ein Spiel gewonnen und auf dem 11. Platz gelandet. Ist diese Olympische Silbermedaille immer noch etwas, mit dem Sie Ihre Spieler motivieren können?
Erfolg ist immer gut, deshalb spielen wir das Spiel. Wir haben zwar Olympia-Silber gewonnen, aber bei anderen internationalen Turnieren lief es auch mal nicht so gut. Wir können viel Positives daraus ziehen und versuchen, aus dem Negativen zu lernen. Wir planen, unsere eigene Geschichte zu schreiben, während wir aus der Vergangenheit lernen. Die in den letzten zwei Jahren geleistete Arbeit hat uns ein sehr solides Fundament gegeben, auf dem wir aufbauen können.
Wo sehen Sie die größten Stärken Deutschlands im Turnier?
Deutsche Eishockeyspieler sind sehr teamorientiert und arbeiten sehr hart. Es gibt keine Egos, jeder ist bereit zu lernen und Opfer zu bringen, um des Teams willen. Meiner Meinung nach wird unsere "Team first"-Mentalität unsere größte Stärke sein.
Deutschland steht in Kosice vor einer sehr schwierigen Gruppe A, mit Gastgeber Slowakei, Kanada, den Vereinigten Staaten und Ihrem Heimatland Finnland. Was haben Sie sich als Ziel für dieses Turnier gesetzt? Lautet es nur, über die Gruppenphase hinauszukommen?
Es gibt keine einfachen Gegner, und wir müssen jeden Gegner respektieren. Wir werden Spiel für Spiel betrachten. Je mehr wir gewinnen, desto besser sind unsere Chancen, eine Medaille zu holen. Es ist noch zu früh für mich zu sagen, dass wir diese oder jene Platzierung anstreben. Ich will nicht so denken. Ich muss immer realistisch bleiben und sicherstellen, dass wir Tag für Tag während des gesamten Turniers gutes Eishockey spielen.
Toni Söderholm, 41, wurde im Dezember 2018 zum Trainer der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft ernannt. Die Eishockey-Weltmeisterschaft 2019 in der Slowakei (10. Mai bis 26. Mai) wird sein erstes großes Turnier sein. Söderholms Karriere beinhaltete Stationen in den Top-Eishockey-Ligen in Finnland, Schweden und der Schweiz. Er beendete seine Spielerkarriere in Deutschland und gewann 2016 mit dem EHC Red Bull München den DEL-Titel. Söderholm vertrat Finnland bei drei Weltmeisterschaften und gewann 2007 Silber. Bevor er Bundestrainer wurde, gehörte Söderholm zum Trainerstab von Red Bull München, anschließend war er eine Saison lang Cheftrainer des damaligen Zweitligisten Riessersee.
Das Interview führte Cai Nebe.