Tote bei neuen Protesten im Sudan
1. Juli 2019Bei erneuten Massenprotesten gegen den regierenden Militärrat im Sudan sind in der Hauptstadt Khartum und weiteren Städten des Landes zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen. Sie folgten einem Appell des zivilgesellschaftlichen Bündnisses Sudanese Professional Association (SPA), das zu einem Marsch der Millionen aufgerufen hatte. Die Teilnehmer forderten den Rücktritt des militärischen Übergangsrats und die Einsetzung einer zivilen Regierung.
Mindestens sieben Menschen wurden bei den Protesten getötet, wie ein Vertreter des Gesundheitsministeriums mitteilte. Mehr als 180 Menschen seien verletzt worden. Dagegen sprach ein Mitglied der Oppositionsbewegung von mindestens zehn Todesopfern und etlichen weiteren Verletzten.
In mehreren Stadtteilen von Khartum sowie in Omdurman auf der anderen Nilseite feuerten Polizisten Tränengasgranaten ab, wie ein SPA-Sprecher berichtet. Nach Augenzeugenberichten gab es auch in der östlichen Stadt Gadaref Tränengaseinsätze gegen Demonstranten. Es waren die ersten Massenproteste seit der gewaltsamen Auflösung des zentralen Protestlagers in der Hauptstadt am 3. Juni.
Die neuen Proteste sind eine Reaktion auf die Weigerung des Militärischen Übergangsrats, die Macht an eine Zivilregierung abzugeben, und die jüngsten Einschüchterungsversuche gegen Oppositionelle. Sicherheitskräfte hatten einer Mitteilung der SPA zufolge die Büros der Organisation durchsucht und eine für Samstagabend geplante Pressekonferenz verhindert.
Warnungen des Militärs
Die gefürchtete paramilitärische Einheit RSF war mit Maschinengewehren bewaffnet an mehreren Plätzen in Khartum präsent. Er werde keinen "Vandalismus" tolerieren, warnte der Leiter der Einheit, Mohamed Hamdan Dagalo. Der Militärrat warnte die Protestbewegung Allianz für Freiheit und Wandel, die zu den Demonstrationen aufgerufen hatte, er werde sie "vollumfänglich verantwortlich machen", falls jemandem etwas zustoße.
Zur Lage im Sudan äußerte sich am Samstag auch der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, auf Twitter.
Blutige Räumung einer Sitzblockade
Bei der gewaltsamen Räumung eines Protestcamps in Khartum Anfang Juni waren nach Angaben der Opposition mindestens 118 Menschen getötet und etwa 500 verletzt worden. Offizielle Stellen gaben die Zahl der Todesopfer mit 61 an. Das Militärregime hat die Verantwortung für das Massaker übernommen, lehnt jedoch die Machtübergabe an eine zivile Regierung weiterhin ab.
Das Militär hatte Anfang April nach monatelangen Massenprotesten den seit drei Jahrzehnten regierenden Präsidenten Omar al-Baschir abgesetzt. Die Afrikanische Union hat die Mitgliedschaft Sudans bis zur Einsetzung einer zivilen Übergangsregierung suspendiert. Ein Kompromiss unter Vermittlung Äthiopiens sieht unter anderem die Bildung einer gemeinsamen Regierung vor, in der Zivilisten knapp in der Mehrheit wären. Die Zivilgesellschaft sprach sich für den Vorschlag aus, der militärische Übergangsrat hat bisher jedoch keine Zustimmung gegeben.
Appell aus Washington
Am Samstag hatten die USA, Großbritannien und Norwegen die Militärführung im Sudan zum Gewaltverzicht aufgerufen. Die Menschen hätten das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, hieß es in einer Mitteilung der Troika, die vom US-Außenministerium veröffentlicht wurde. Der militärische Übergangsrat solle diese Rechte achten und friedliche Proteste erlauben. Die USA, Großbritannien und Norwegen unterstützten die Forderungen der sudanesischen Bevölkerung nach einem friedlichen Übergang zur Demokratie im Sudan. Man fördere auch die Vermittlungsbemühungen Äthiopiens und der Afrikanischen Union.
kle/as (epd, dpa, ape, afpe, rtre)