Tourismus für die Seidenstraße
8. Dezember 2009"Wir träumen von einem Strom von Menschen, der der Seidenstraße über die Ländergrenzen hinweg folgt", sinniert Mikhail Shamshidov, der Direktor der usbekischen Reiseagentur Oriental Express. Denn sein Heimatland Usbekistan hat sich mit den anderen Staaten Zentralasiens zusammengeschlossen, um den Tourismus an der Seidenstraße stärker zu fördern. Und so blickt Shamshidov versonnen in die Zukunft. „Die Seidenstraße ist ja nicht nur ein Weg. Sie besteht aus mehreren Handelsrouten. Und genauso gibt es hier auch Platz für mehrere Arten von Tourismus." Seit Jahrhunderten fasziniert die Seidenstraße die Menschen in Europa genauso wie im Fernen Osten. Es ist genau diese Strahlkraft, sagt Shamshidov, die die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion jetzt für sich nutzen wollen.
Tourismus und Infrastruktur fördern
Gemeinsam mit der UN-Welttourismusorganisation (UNWTO) haben die Anrainerstaaten der alten Handelsroute die so genannte "Seidenstraßen-Initiative" ins Leben gerufen. Wichtige Ziele sind die Verbesserung der Infrastruktur, der Auf- und Ausbau von Hotels, Übernachtungs- und Reisemöglichkeiten sowie die Förderung des Handels. Rafshan Turakulov, der Büroleiter der UNWTO im usbekischen Samarkand, koordiniert den Zusammenschluss von insgesamt 24 Ländern. Besonderes Augenmerk liege auf den zentralasiatischen Staaten, da diese eine gemeinsame Geschichte besäßen und beinahe dieselbe Sprache sprächen. "Deshalb ist es einfacher, erstmal diese Länder zur Zusammenarbeit zu bewegen", sagt Turakulov.
Rivalität geht vor Zusammenarbeit
Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Denn mehr als Absichtserklärungen haben die zentralasiatischen Staaten bislang nicht zuwege gebracht. Und das, sagt Uwe Halbach von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, liege vor allem an drei Gründen: Nationale Unabhängigkeit rangiere für sie höher als regionaler Zusammenhalt. Gerade bei der Verteilung des Trinkwassers gibt es Konfliktpotential, da alle Staaten von nur zwei Flüssen abhängig sind. Der dritte Grund liege in der politischen Kultur: "Alle zentralasiatischen Staaten sind Präsidialautokratien", sagt Halbach, "da gibt es keine Gewaltenteilung im Inneren. Warum sollte man dann die Gewalt auf regionaler Ebene teilen?“
Extreme Unterschiede
Vor fünf Jahren hat die UNWTO die Seidenstraße-Initiative in die Wege geleitet, doch bis heute haben die zentralasiatischen Staaten mit vielen Problemen zu kämpfen. „Das touristische Potential ballt sich in Usbekistan," bemängelt etwa Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik: "Hier gibt es Städte wie Samarkand und Buchara, während der Tourismus in anderen Bereichen Zentralasiens, etwa in den endlosen Weiten Kasachstans oder im Hochgebirge von Tadschikistan doch noch sehr unterentwickelt ist.“ Doch selbst in Usbekistan gibt es bislang nur rund 300 Hotels. Auch verkehrstechnisch ist die Region ganz unterschiedlich erschlossen. Selbst der Pamir Highway, die Hauptverkehrsader Zentralasiens, ist noch nicht durchgängig asphaltiert. Und auch bei den Einreisebestimmungen für ausländische Touristen konnten sich die zentralasiatsichen Staaten bislang nicht einigen.
"Geben Sie uns Zeit!"
Dennoch ist Mikhail Shamshidov optimistisch. Auch wenn es noch Jahrzehnte dauern könne, bis sich Zentralasien wirklich zum bequemen Reiseziel für Jedermann entwickelt, wirbt der Tourismusfachmann um Verständnis: „Wir waren mal ein Land. Jetzt sind wir in mehrere Einzelstaaten zerfallen, und unsere Regierungen sind noch nicht so weit, aber wir arbeiten dran. Also geben Sie uns einfach ein bisschen Zeit. Eines Tages werden wir es schaffen.“
Autor: Thomas Latschan
Redaktion:Silke Ballweg