Demo für Pressefreiheit aufgelöst
5. November 2016Dichte Schwaden von Tränengas trieben anschließend im Istanbuler Viertel Sisli, während Polizei-Hubschrauber am Himmel kreisten. Kurz zuvor hatten die türkischen Behörden Haftbefehl gegen den Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet, Murat Sabuncu, und acht weitere führende Mitarbeiter des Blatts erlassen.
Unter ihnen sind auch der Karikaturist Musa Kart und der Kolumnist Kadri Gürsel, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldet. Sie waren am vergangenen Montag unter Terrorverdacht festgenommen worden und kommen nun ins Gefängnis.
Sabuncu und seinen Kollegen wird die Unterstützung des Gülen-Netzwerks sowie militanter kurdischer Gruppen vorgeworfen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hält den im US-Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Drahtzieher des gescheiterten Putschs vom 15. Juli. Gülen weist das zurück. Erdogan hatte nach dem versuchten Staatsstreich deswegen weitreichende "Säuberungen" angekündigt.
Krisentreffen der CHP
Die Festnahmen bei der letzten großen regierungskritischen und nicht-religiösen Zeitung der Türkei riefen scharfe Kritik bei der Oppositionspartei CHP hervor, die noch am Abend zu einem Dringlichkeitstreffen zusammenkommen wollte. Der Chef der Mitte-Links-Partei, Kemal Kilicdaroglu, sagte vor Journalisten, die Inhaftierungen seien "inakzeptabel". Von unabhängiger Justiz könne keine Rede sein in der Türkei.
Auch international stieß das Vorgehen des NATO-Partners gegen oppositionelle Stimmen auf Empörung. Erst am Freitag hatte ein Gericht in der Kurdenmetropole Diyarbakir Untersuchungshaft gegen die Vorsitzenden der prokurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag, verhängt. Nach Angaben der Partei wurde insgesamt gegen neun ihrer Abgeordneten Haftbefehl erlassen. Darunter ist auch der Chef der Fraktion im Parlament in Ankara, Idris Baluken.
Weitere Festnahmen bei der HDP
An diesem Samstag nahmen Sicherheitskräfte weitere HDP-Politiker fest. Unter ihnen sind die Provinz- und Bezirksvorsitzenden der südöstlichen Provinz Adana, wie HDP-Mitarbeiter bekannt gaben. Erdogan beschuldigt die zweitgrößte Oppositionspartei im Parlament, der verlängerte Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein.
uh/wl (rtr, ap, dpa)