Tradition belastet
31. Oktober 2001Über die Summen wäre so manch' anderes in Not geratene Unternehmen heilfroh gewesen. Fast zwei Milliarden Mark sind allein in den vergangenen zwei Tagen bedrängten Luftfahrtgesellschaften von ihren Regierungen als Staatshilfe zugesagt worden. Die Schweiz will mit rund 600 Millionen Mark den Flugbetrieb der abgestürzten Swissair wenigstens zeitweilig sichern. Die belgische Regierung will mit rund 250 Millionen Mark ihre Staatslinie vor dem endgültigen Absturz retten. In Neuseeland macht Finanzminister Michael Cullen rund 800 Millionen Mark locker, um die in Not geratene Air New Zealand wieder flott zu machen. Und auch in Deutschland wird hinter den staatlichen Kulissen schon an einem millionenschweren Rettungspaket gebastelt, um den Ferienflieger LTU, der von der Swissair mit in den Strudel gerissen worden ist, in der Luft zu halten.
Die Vorgänge um den Zusammenbruch der traditionsreichen schweizerischen Fluggesellschaft macht auch einer breiteren Öffentlichkeit eines deutlich: Das Bekenntnis von Regierungen, sie seien für einen Luftverkehr, der allein nach den Regeln eines freien Wettbewerbs abläuft, staatliche Eingriffe seien hier ebenso wenig erwünscht wie in anderen Branchen, gilt nur so lange, wie es den Carriern gut geht. Geraten sie aber in Schwierigkeiten wie jetzt, dann ist der Staat nur allzu gern bereit, ganz schnell Geld locker zu machen, um die Flugunternehmen wieder stärker an die staatliche Kandare nehmen zu können.
Bornierte Banken
Gerechterweise muss man sagen, daß sich die schweizerische Regierung lange geweigert hat, der immer heftiger ins Trudeln geratenen Swissair mit staatlichem Geld neuen Aufwind zu geben. Erst die bornierte Haltung der schweizerischen Banken, die bei der Überweisung von Überbrückungshilfen mit schweizerischer Sorgfalt, aber auch mit schweizerischer Langsamkeit vorgegangen waren, hat bei der Regierung in Bern die Kassen geöffnet. Denn auf schweizerischen Flughäfen gestrandete Passagiere, die wegen des plötzlich eingestellten Flugbetriebs der Traditionsgesellschaft nicht mehr weiter konnten, waren nun wahrlich keine gute Imagewerbung für das Tourismusland inmitten der Alpen.
Doch mit ihrem Schritt haben die Schweizer Politiker so wie ihre Kollegen in Brüssel oder in Auckland massiv in den marktwirtschaftlichen Prozess eingegriffen. Sie wollen mit Staatsgeldern Unternehmen retten, die aufgrund von eklatanten Managementfehlern tief in die roten Zahlen geflogen sind. Sie wollen Firmen künstlich am Leben halten, die bei konsequenter Anwendung der marktwirtschaftlichen Regeln schon vor Monaten oder gar vor Jahren beim Konkursrichter gelandet wären. Die belgische Fluggesellschaft Sabena hält sich schon seit vielen Jahren nur dank ständiger Zahlungen aus der Staatskasse noch in der Luft. Portugals Staatslinie TAP hätte schon längst den Betrieb einstellen müssen, wenn die Regierung in Lissabon nicht immer wieder helfend eingegriffen hätte. Griechenlands Olympic Airways wäre schon längst von den internationalen Flughäfen verschwunden, wenn die Athener Regierung nicht Sonderrechte bei der EU-Kommission durchgesetzt hätte.
Nationale Symbole
Viele Luftfahrtgesellschaften sind eben nicht Unternehmen wie jedes andere. Zahlreiche Gesellschaften sind trotz aller Privatisierungsaktionen immer noch 'flag carrier', die die Landesfarben in alle Welt hinaustragen. Wenn ein Regierungsmitglied zum Besuch in andere Länder fliegt, dann nimmt er nicht ein x-beliebiges Flugzeug, sondern natürlich eine Maschine, die das nationale Symbol am Bug oder Leitwerk trägt.
Und solche Unternehmen können deshalb auch nicht Pleite machen. Sie werden gegen jede wirtschaftliche Vernunft mit staatlichen Finanzmitteln am Leben erhalten, offene oder versteckte Subventionen sorgen dafür, daß schwere Managementfehler ohne Konsequenzen weggebügelt werden, Staatskredite helfen über selbst verschuldete Liquiditätsprobleme hinweg.
Für die vernünftig und orientiert allein an WWirtschaftlichkeitsmaßstäben arbeitenden Unternehmen ist das immer wieder ein Ärgernis. Denn sie können ihre Preise nicht nach den Kriterien des Marktes kalkulieren, sondern müssen immer auch noch die subventionierten Tarife der staatliche unterstützten Carrier im Auge behalten. Forderungen von Politikern, der Luftverkehr müsse privatwirtschaftlich organisiert und dem freien Wettbewerb unterworfen werden, bleiben deshalb solange Lippenbekenntnisse, solange dieselben Politiker nichts gegen die offenen oder heimlichen Staatshilfen unternehmen.