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Städte treiben Energiewende voran

Carol Smith, Brendan Barrett, Natascha Küter /gcg7. Mai 2013

Eine Zukunft nur mit grünen, erneuerbaren Energiequellen? Nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima ist diese Idee viel diskutiert. Statt zu reden, machen die Transition Towns sie heute schon zur Realität.

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Ein Polizist in Schutzkleidung vor einem havarierten Schiff in Fukushima. (Foto: AFP PHOTO / YOSHIKAZU TSUNO/Getty Images)
Bild: YOSHIKAZU TSUNO/AFP/Getty Images

Das Erdbeben, der Tsunami und die anschließende Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima Daichii war wie ein Weckruf - nicht nur für die Japaner, sondern auch für viele andere Länder der Welt. Seither wird debattiert, ob der Energiebedarf auch ohne Kernenergie gedeckt werden kann. Die japanische Regierung unter Naoto Kan beschloss in der Konsequenz zunächst den Ausstieg Japans aus der Atomenergie bis zum Jahr 2040. Abgesehen von zwei, sind seit Sommer 2012 alle japanischen Reaktoren vom Netz. Zum Ausgleich soll beispielsweise vor der Küste Fukushimas bis zum Jahr 2020 der größte Offshore-Windpark der Welt entstehen. Geplant sind 143 Windturbinen mit einer Gesamtleistung von einem Gigawatt. Der Baustart ist für Juli 2013 vorgesehen.

Doch auch solche ambitionierten Projekte, können die klaffende Energielücke nicht schließen. Denn bislang deckte Japan ein Drittel seines Energiebedarfs mit Atomenergie. Der geplante Windpark hingegen produziert nur ein Viertel so viel Energie, wie das stillgelegte Kraftwerk Fukushima.

Bau einer Offshore-Windkraftanlage in Japan. (Photo: CC/Jumanji Solar http://www.flickr.com/photos/jumanjisolar/4378071292/)
Ein Windpark wie dieser soll vor Japans Küste für Strom sorgen.Bild: CC/Jumanji Solar

In der Konsequenz muss das rohstoffarme Land noch mehr Kohle aus Australien, Gas aus den USA, Öl aus dem Mittleren Osten und Südostasien importieren. Da diese Strategie auf Dauer zu teuer ist, nimmt die derzeitige Regierung wieder Abstand vom Atomausstieg.

Deswegen wollen viele Japaner nicht warten, bis die Politik endlich die entsprechenden Schritte für eine grüne Energiewende eingeleitet hat. Einzelne Städte und Gemeinden machen vor, wie ein Leben ohne fossile Brennstoffe und ohne Kernkraft aussehen kann - und werden zu “Transition Towns”, Städte im Wandel. Kernidee der Initiative ist, sich dem Klimawandel anzupassen und auf eine Zeit ohne Erdöl vorzubereiten.

Energiewende: Nicht mehr “Warum?”, sondern “Wie?”

Die Transition-Town-Bewegung ist ein internationales Netzwerk aus lokalen Bürgerinitiativen, das auf die Idee der Permakultur zurückgeht, also auf nachhaltiges Wirtschaften. Doch es geht nicht nur um ökonomische Unabhängigkeit, sondern auch um ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl, das jeden einzelnen mehr erfüllen soll. Das spiegelt sich auch in dem Namen der Initiative wider: Die Initialien der Initiative “TT”, stehen für die japanischen Worte tanoshiku und tsunagaru, was “Spaß haben” und “Vernetzen” bedeutet.

Ein Lehrer zeigt Interessierten, wie nachhaltig angepflanzt werden kann. (Foto: CC/Samuel Mann http://www.flickr.com/photos/21218849@N03/3055266364/)
Menschen müssen Anbauweisen lernen, wie hier in NeuseelandBild: CC/Samuel Mann

Auch die japanische Stadt Fujino hat sich enger vernetzt: 2008 gründeten die 10.000 Einwohner des Dorfes die erste Transition Town Japans - und führten eine eigene Währung ein, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken und wirtschaftlich unabhängiger zu sein. Mit “Yorozuya” kann man das Essen in Restaurants bezahlen, aber auch fürs Unkraut jähten oder Babysitten.

Seit dem Atomunfall 2011 erhält Transition Fujino immer mehr Zulauf. Denn in Fujino, ebenso wie in anderen Teilen Japans, sind sich die Bewohner bewusst, wie wichtig die Energiewende ist. “Die Leute fragen nicht mehr “Warum brauchen wir eine Energiewende?”, sondern “Wie vollziehen wir diese Wende?”, sagt Hide Enomoto, Mitbegründer der Fujino Transition Town. Damals begannen viele Japaner darüber nachzudenken, wo ihr Strom herkommt und wie sie zu Energiethemen stehen, die sie zuvor ignoriert hatten. Die Stromausfälle nach dem Erdbeben hatten großen Einfluss auf den Alltag der Menschen, da viele elektrische Geräte zum Standard in japanischen Haushalten gehören. So haben viele realisiert, wie wichtig energetische Selbstversorgung und ein guter Strommix ist. Sie begannen sich für Systeme zu interessieren, mit denen man selbst zuhause Strom erzeugen kann, beispielsweise mit Solarenergie.

Deswegen gibt es in Fujino monatlich Workshops, bei denen die Teilnehmer lernen, wie sie zuhause ein Solarsystem mit Photovoltaik-Panelen aufbauen und installieren können. Anfangs lernte noch der eine vom anderen, doch das Interesse war so groß, dass sechs Monate später sogar Fernseh-Workshops und Magazin-Anleitungen angeboten wurden. Insgesamt produzierten die in den Workshops zusammengebauten Anlagen im Sommer 2012 über 10.000 Watt. Auch wenn die Systeme nicht den ganzen Energiebedarf decken, so machen sie doch unabhängiger von der normalen Stromversorgung und damit widerstandsfähiger gegenüber Stromausfällen.

Ausreichend erneuerbare Energiequellen vorhanden

Die Transition Town Idee zieht daher immer weitere Kreise: Seit der britische Umweltaktivist Rob Hopkins die Initiative 2005 gegründet hat, dürfen inzwischen rund 450 Städte den Titel “Transition Town” tragen und 600 weitere haben sich dafür beworben. Allein in Japan werden jede Woche Vorbereitungen für den Start einer neuen Transition Town getroffen. So verwirklicht sich automatisch die Philosophie der Bewegung. Denn die Transition-Town-Anhänger glauben, dass es die Gemeinschaften - und nicht die Regierungen - sind, die einen gesellschaftlichen Wandel vorantreiben, um sich an den Klimawandel anzupassen und vom Erdöl unabhängiger zu werden.

Ein großflächiges Solarfeld in der Ukraine. (Foto: CC/Activ Solar http://www.flickr.com/photos/activsolar/8450281002/)
Die Sonne stellt keine Rechnung - auch dank Solarparks könnte auf Atomstrom verzichtet werden.Bild: CC/Activ Solar

Dass Japan tatsächlich keine fossilen Brennstoffe braucht, sondern spätestens 2050 seine gesamte Energieversorgung aus regenerativen Energien beziehen könnte, analysierte die deutsch-japanische Studie Energy Rich Japan bereits 2003. Die Bedingungen können kaum besser sein: Der Wind entlang der 10.000 Küstenkilometer könnte mit Offshore-Anlagen in Energie umgewandelt werden - doch bislang gewinnt Japan nur 0,4 Prozent seiner Energie aus Windkraft.

Außerdem liegen die japanischen Inseln auf dem Pazifischen Feuerring: Schon in zwei Kilometern Tiefe fanden Experten bei Probebohrungen so hohe Temperaturen, dass mit geothermischer Energie ein Drittel des Energiebedarfs gedeckt werden könnte, so die Studie.

Auch das Potenzial an Sonnenenergie schöpft Japan noch nicht aus: Mit 22 Prozent höherer Sonneneinstrahlung als im Weltdurchschnitt würde es ausreichen, fünf Prozent der Landesfläche mit Solaranlagen auszustatten, um den gesamten Energiebedarf Japans zu decken.

Ein Mix aus all diesen Energieformen würde Japan unabhängig von Energie-Importen und widerstandsfähiger machen - aus “Transition Town” würde so “Transition Country” werden.

Dieser Text basiert auf einem Artikel unseres Kooperationspartner OurWorld2.0. Er wurde von einem Artikel von Yuriko Yoneda abgeleitet und ist unter CC-BY-NC-SA-3.0-Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/ veröffentlicht worden.