Transplantationsgesetz soll reformiert werden
22. März 2012Mit großer Einigkeit hat der Bundestag ein neues Gesetz zur Organtransplantation auf den Weg gebracht. Redner aller Fraktionen sprachen sich für die vorgesehene Entscheidungsregelung aus. Sie sieht vor, dass die Versicherten von ihren Krankenkassen regelmäßig angeschrieben und gefragt werden, ob sie im Falle ihres Todes als Organspender zur Verfügung stehen.
Die Beantwortung der Frage soll auch in Zukunft freiwillig bleiben. Flankiert werden soll diese Maßnahme durch mehr Aufklärung und Information der Bevölkerung, durch die Einführung von Transplantationsbeauftragten an den Kliniken - und wer spendet, soll davon auch profitieren. Umstritten ist nach wie vor, ob die Entscheidung der Versicherten in Zukunft auf einer elektronischen Gesundheitskarte gespeichert wird oder wie bisher auf einem Pappausweis.
Große Einigkeit im Deutschen Bundestag
Die Debatte war geprägt von nachdenklichen Reden ohne politische Auseinandersetzungen und ohne scharfe Kontroversen. "Es ist eine höchst persönliche Entscheidung, ob jemand seine Organe zur Verfügung stellen will oder nicht", sagte der Fraktionsvorsitzende von CDU/CSU Volker Kauder. Darum wolle man mit dem neuen Gesetz nicht mehr Druck auf die Bürger ausüben, sondern mehr dafür werben, dass die Menschen sich zur Organspende bereit erklärten.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der im Sommer 2010 seiner erkrankten Ehefrau eine Niere gespendet hatte, erinnerte an Claudia Kotter, eine schwer kranke junge Frau, die sich bis zu ihrem Tod im vergangenen Sommer für Organspenden eingesetzt hatte. Bis zuletzt habe sie eindringlich für Verbesserungen der gesetzlichen Lage geworben. "Organspende ist eine Frage der Mitmenschlichkeit und Politik hat diese Mitmenschlichkeit möglich zu machen", so Steinmeier.
Dem schloss sich auch der Vorsitzende der FDP-Fraktion Rainer Brüderle an. Er betonte, die Organspende rühre an der Urangst der Menschen vor dem Tod. Dies führe dazu, dass die Entscheidung gern verdängt werde. Dem solle das neue Gesetz entgegenwirken.
Persönliche Erfahrungen der Angeordneten
Zahlreiche Redner verwiesen in der Debatte auf Fälle aus ihrem persönlichen Umfeld. Es herrschte fast beklommene Stille, als Jürgen Trittin, der sein Privatleben sonst streng von der Öffentlichkeit abschirmt, vom Unfalltod seiner Lebensgefährtin berichtete. Er sei in dieser schweren Situation nicht in der Lage gewesen, ihren Willen zu interpretieren und wäre froh gewesen, wenn er einen klaren und unmissverständlichen Auftrag gehabt habe. "Auch im Namen der Angehörigen werben wir für diese Botschaft", so Trittin.
Dieses Argument wurde von Rednern aller Fraktionen aufgegriffen. Er wolle die Angehörigen schützen, sagte Linken-Fraktionschef Gregor Gysi, indem er die Menschen animiere, sich bei Lebzeiten selbst zu entscheiden, ob sie ihre Organe spenden wollten. "Ich finde es nicht falsch, wenn die Gesellschaft an die Menschen eine Frage stellt. Um mehr geht es nicht." Auch wenn ein Mensch entscheide, dass er sich nicht entscheiden wolle, sei dies eine legitime Antwort.
Er selbst bevorzuge eigentlich die Widerspruchsregelung, sagte Gysi. Sie sieht vor, dass automatisch jeder Mensch als Organspender gilt, der dem nicht ausdrücklich widerspricht. Da es dafür aber keine Mehrheit im Bundestag gebe, stimme er dem gemeinsamen Antrag ausdrücklich zu.
12.000 Patienten in Deutschland warten auf ein Organ
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sagte, viel zu viele schwer kranke Menschen warteten in Deutschland auf ein lebensrettendes Organ. Man müsse von den Bürgern erwarten können, dass sie sich wenigstens mit der Frage nach einer Organspende auseinandersetzten, wenn sie von den Krankenkassen dazu aufgefordert würden. Dies bekräftigte auch seine Parteifreundin Gabriele Molitor. 74 Prozent der Deutschen seien bereit, Organe zu spenden. Nur 25 Prozent aber trügen tatsächlich einen Spenderausweis bei sich. Diese Lücke gelte es zu schließen.
In Deutschland warten derzeit rund 12.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) sterben pro Jahr rund tausend Patienten, die auf der Warteliste stehen. Das sind ungefähr drei pro Tag. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei der Spendenbereitschaft im unteren Drittel.