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100 Jahre Unabhängigkeit Albaniens

Vilma Filaj-Ballvora28. November 2012

Als letztes der Balkan-Länder erklärte Albanien 1912 seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich. Eine Staatsgründung, die viele Albaner außen vor ließ - vor allem im Kosovo gibt es Vereinigungsgedanken.

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Mann mit albanischer Flagge auf dem Rücken feiert Jahrestag der Unabhängigkeit.
Bild: picture-alliance/ZUMA Press

Der Traum einer Vereinigung des Kosovos mit Albanien hat seit der Unabhängigkeit des kleinen Landes im Februar 2008 neuen Auftrieb gewonnen. Die nationalistische Bewegung "Vetëvendosja" (Selbstbestimmung) ist als drittstärkste Kraft im Kosovo-Parlament vertreten. "Der nationale Zusammenschluss des Kosovos mit Albanien ist ein unstrittiges Recht der Albaner, weil sie in der Geschichte zu Unrecht getrennt wurden", argumentiert Glauk Konufca, einer der führenden Politiker von "Vetëvendosja", und beruft sich dabei auf die hundertjährige Geschichte der albanischen Selbstständigkeit. Seine Partei strebt einen Volksentscheid über die Vereinigung an, blieb aber bisher mit ihrem Antrag im Parlament erfolglos.

Die Bewegung "Vetëvendosja" ist mit ihren Plänen keineswegs allein. In Albanien vertritt die im Sommer 2012 gegründete Partei "Aleanca Kuq e Zi" (Rot–Schwarze Allianz) ähnliche Ziele. Gleichzeitig gibt es in anderen Siedlungsgebieten der Albaner in den benachbarten Staaten, wie etwa in Mazedonien und Montenegro sowie im Süden Serbiens, nationalistische Bestrebungen und Gruppierungen. Sie sehen die Fahne mit dem doppelköpfigen schwarzen Adler auf rotem Grund als ihre Nationalfahne an und würden sich lieber heute als morgen Albanien anschließen.

Staatsgründung aus der Gunst der Stunde

Schon die Gründung Albaniens stand im Zeichen der Teilung der Siedlungsgebiete der Albaner. Als vor 100 Jahren die Siegermächte des ersten Balkankrieges, allen voran Serbien, Bulgarien, Griechenland und Montenegro, bereits mit der Aufteilung der vom Osmanischen Reich eroberten Gebiete begonnen hatten, riefen die Albaner am 28. November 1912 in der Hafenstadt Vlora einen unabhängigen Staat aus. Das war das Gebot der Stunde, erklärt der Historiker Oliver Schmitt: "Die albanische Unabhängigkeitserklärung war nicht das Ergebnis eines langen Planes der albanischen Nationalbewegung."

In Tirana feiern die Menschen den 100. Jahrestag der Unabhängigkeit ihres Landes. (Foto: Ani Ruci, DW) 1. Tirana celebrating the Anniversary of Albania 100 years of Indipendence.
In Tirana feiern die Menschen den 100. Jahrestag der Unabhängigkeit ihres LandesBild: DW/A. Ruci

Der Zusammenbruch der osmanischen Herrschaft und die Tatsache, dass die serbischen, montenegrinischen und griechischen Truppen sehr rasch in die von Albanern besiedelten Gebiete vorgerückt waren, "rief die damaligen Großmächte, insbesondere die Österreich-Ungarische Monarchie und Italien, auf den Plan," erläutert Schmitt. Sie waren besorgt, dass Serbien, ein enger Verbündeter Russlands, sein Staatsgebiet bis zur Adria ausweiten würde und damit die Machtbalance in der Region verschieben könnte.

Die Großmächte erkannten Albanien in den heutigen Grenzen auf der Konferenz in London 1913 an. Damit verblieb die Hälfte der Albaner außerhalb des albanischen Staates - die meisten in den Grenzen des späteren Jugoslawiens: im Kosovo, in Mazedonien, Südserbien und Montenegro.

Großalbanische Träumereien

Im Kosovo, wo die Mehrheit der Bevölkerung bis heute albanisch ist, strebte man mehrmals vergeblich die Anerkennung als eigene Republik innerhalb Jugoslawiens an. Erst als Jugoslawien schon zerfallen war gelang es die Unabhängigkeit von Serbien zu erlangen. Mit der Ausrufung der Unabhängigkeit 2008 gründeten die Kosovo-Albaner den derzeit jüngsten Staat Europas.

Nun gibt es zwei zum Großteil albanische Staaten und mehrere Gebiete in den Nachbarländern, in denen mehrheitlich Albaner leben. Für die Nationalisten, die von einem gemeinsamen Staat aller Albaner träumen, ist so ihr nationales Projekt immer noch unvollendet. Besonders in Mazedonien und im Süden Serbiens kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen und bisweilen auch zu gewaltsamen Exzessen.

Jubiläum überall gefeiert

Der Historiker Oliver Schmitt betont aber optimistisch, dass trotz der emotionalen Debatte bisher keine konkreten Pläne zur Gestaltung eines solchen neuen Staates bestünden. "Eine Debatte, die intellektuellen Ansprüchen genügt und verfassungsrechtliche Aspekte berücksichtigt, wurde bislang nicht geführt", sagt Schmitt.

Albaner feiern am 17.02.2012 in Pristina den 4. Jahrestag der Unabhängigkeit des Kosovo (Foto: dpa - Bildfunk)
Albaner feiern in Pristina den Jahrestag der Unabhängigkeit des KosovoBild: picture-alliance/dpa

Das Bewusstsein über die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe ist zwar da, das sieht man auch daran, dass das Jubiläum der Staatsgründung überall gefeiert wird - und das nicht nur in Albanien, sondern überall dort, wo Albaner leben. Wichtig ist, sagt Veton Latifi, Professor für internationales Recht aus Mazedonien, dass offiziell "weder in Albanien noch außerhalb Pläne oder irgendeine Agenda für Großalbanien" existieren. "Offiziell", so Latifi, "gibt es nur eine Agenda: die Integration des Balkans in die EU." In großer Übereinstimmung beteuern daher die einflussreichsten albanischen Politiker in der Region, dass nur in der EU ein Zusammenleben aller Albaner möglich sei. Denn eine Grenzverschiebung in der Region würde eine Reihe unkontrollierbarer Ereignisse nach sich ziehen – das Pulverfass Balkan könnte erneut explodieren.