Tripp: "Draisaitl auf dem Weg zum NHL-Star"
16. Mai 2017DW: John Tripp, wie erleben Sie die Weltmeisterschaft, vor allem die Spiele in Köln? Die Arena war dort bei fast allen Spielen gut gefüllt.
John Tripp: Das galt natürlich vor allem für die deutschen Spiele, aber Köln ist auch wirklich eine Sportstadt. Hier gibt es Fußball, Basketball, auch Handball ist nicht so weit weg, also es ist richtig viel los. Ich war bisher noch nicht bei den Spielen in Paris, aber auch dort soll die Zuschauerresonanz ähnlich gut sein. In Köln waren bisher schon über 300.000 Leute da, das ist ziemlich gut. Die Fans können ja auch die besten Spieler der Welt erleben, das ist ein cooles Event.
Wie hat sich die deutsche Nationalmannschaft verändert, seitdem Sie ihre Schlittschuhe an den Nagel gehängt haben?
Es haben sich ein paar Dinge geändert, einige Spieler sind zurückgetreten. Wir hatten damals, als ich noch spielte, auch ein paar Erfolge. Dann gab es unter den Bundestrainern Pat Cortina und Jakob Kölliker einen Durchhänger. Jetzt unter Marco Sturm kommen sie wieder auf die Erfolgsspur, Mehr NHL-Spieler sind dabei, wie Tobias Rieder, Thomas Greiss und Dennis Seidenberg. Diese erfahrenen Spieler machen auch die jungen besser. Das passt gut zusammen.
Wie sieht es generell mit dem deutschen Eishockey aus. Entwickelt es sich in die richtige Richtung?
Vorher sah es eher schlecht aus, aber jetzt geht es in die richtige Richtung. Die Trainer der U16, U17 und U18 wurden allesamt ausgetauscht, auch das System der Vergabe von Trainer-Lizenzen wurde geändert. Das hat eine Menge gebracht. Die Spieler können sich jetzt richtig entwickeln. Die jungen Spieler sind genauso wichtig wie die erfahrenen. Du musst dich um beide kümmern.
Welchen Einfluss hat Marco Sturm, der nach der WM 2015 Bundestrainer wurde?
Er profitiert von seiner Erfahrung als Spieler. Immerhin hat er in der NHL gespielt, seit er 18, 19 Jahre alt war. Jeder Spieler kennt ihn, die Deutschen schauen zu ihm auf, so wie zu Uwe Krupp. Er hat noch immer gute Kontakte zu einigen deutschen NHL-Spielern, mit denen oder gegen die er selbst gespielt hat. Das macht es attraktiver für die NHL-Jungs, hierher zu kommen, am Ende einer NHL-Saison, mit 100 Spielen in den Knochen.
Am Samstag ist Leon Draisaitl aus Kanada kommend zur deutschen Mannschaft gestoßen. Kann er den entscheidenden Unterschied machen?
Auf jeden Fall. Alle, die gegen ihn gespielt haben, einschließlich der NHL-Profis, sagen: "Oh Mann, dieser Kerl ist wirklich gut!" Jeder schaut zu ihm auf, deshalb wird er in die Führungsrolle schlüpfen. Ich meine, er hat es in der normalen NHL-Saison immerhin auf 77 Scorer-Punkte gebracht, dazu noch einmal 13 in den Playoffs. Er ist auf dem besten Weg zu einem Top-Ten-Spieler der NHL.
Angenommen, Deutschland schlägt Lettland und zieht ins Viertelfinale ein. Wie weit kann das Team kommen?
Ich fürchte, das Viertelfinale könnte Endstation sein. Dann würde es gegen Kanada gehen. Das ist gut für Köln, weil den Leuten gutes Eishockey geboten wird. Aber Kanada ist wirklich schwer zu schlagen. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist. Alles ist möglich, aber das würde wirklich hart.
Der Deutsch-Kanadier John Tripp, geboren 1977 in Kingston, Ontario, spielte mehr als ein Jahrzehnt lang in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). In der nordamerikanischen Profiliga NHL stand er für die New York Rangers und die Los Angeles Kings auf dem Eis. Zwischen 2006 und 2014 bestritt Tripp 110 Länderspiele für Deutschland. Er gehörte zur Mannschaft, die bei der WM 2010 den vierten Rang belegte, das beste Ergebnis eines deutschen Teams seit dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck. Heute arbeitet er als Trainer beim Zweitligisten Crimmitschau Ice Pirates und als Fernsehexperte.
Das Interview führte Chuck Penfold.