Oscar: Triumph für Kathryn Bigelow
8. März 2010Es war das Rennen Groß gegen Klein. "Avatar" gegen "The Hurt Locker". Der teuerste jemals produzierte Film gegen eine mit wenigen Millionen Dollar hergestellte Kriegsstudie, die im Irak spielt. Am Ende gewann der Außenseiter. "The Hurt Locker" von Regisseurin Kathryn Bigelow setzte sich bei den beiden jeweils neunmal nominierten Filmen gegen "Avatar" durch. Sechs Oscars für Bigelow, nur drei für "Avatar", ein deutliches Ergebnis.
Und dann ist Regisseurin Bigelow auch noch die Ex-Ehefrau von James Cameron, der die Regie bei "Avatar" geführt hat. Bigelow erhielt die beiden prestigeträchtigsten Oscars. Den für den besten Film - in ihrer Eigenschaft als Produzentin - und den für die beste Regie. Letzteres eine Auszeichnung, die in der Geschichte Hollywoods noch nie eine Frau erhalten hatte. Die abstimmungsberechtigten 5500 Mitglieder der Oscar-Akademie haben sich also für den unbekannteren, kleineren Film entschieden. Zudem für einen Film, der noch nicht einmal an den Kinokassen reüssieren konnte.
Das ist eine Überraschung, mehr aber auch nicht. Denn schon oft in der Geschichte dieses Filmpreises sind deutliche Favoriten gestrauchelt, ist von vielen Nominierungen nicht viel übrig geblieben. Daraus nun Schlüsse ziehen zu wollen, wäre falsch. "Avatar" ist schon jetzt der kommerziell erfolgreichste Film der Kinogeschichte. Dass er technisch perfekt, in mancher Hinsicht innovativ ist, das wusste man schon vorher. "Avatar" wird weiter seine Bahnen um den Kinoglobus ziehen, höchstens die Eitelkeit von James Cameron dürfte ein wenig gekränkt sein.
Keine Heroine eines weiblichen Kinos
Kathryn Bigelow hingegen darf sich freuen - aber auch hier gilt: Voreilige Schlüsse wären verfrüht oder gar falsch. Hier hat keine Vertreterin eines "weiblichen Kinos" gesiegt - wenn es denn so etwas gibt. Wer das Werk der ehrgeizigen Bigelow kennt, der weiß, dass hier eine Regisseurin für ihren Film sechs Oscars eingeheimst hat, die sich schon lange nicht hinter den großen (männlichen) Action-Regisseurin Amerikas zu verstecken braucht. Frühere Arbeiten wie "Near Dark", "Blue Steel" oder "K-19 - Showdown in der Tiefe" sind alles andere als sensible oder zartbesaitete Kinofilme. So manche Vertreterin ihres Geschlechts dürfte sich mit Grauen abwenden.
Dass die Oscar-Akademie am Tag der Wahlen im Irak nun einen Film auszeichnet, der einen Blick auf das Kriegsgeschehen wirft - auch das sollte man nicht falsch bewerten. Zwar ist "The Hurt Locker" rasant inszeniert, erzählt seine Geschichte in bester Hollywood-Manier, ergreifend und dramaturgisch dicht, doch ist es in erster Linie ein Film über das Leiden der US-Soldaten vor Ort. Kein Film über den Irak-Krieg im Speziellen, auch kein Kommentar zum Eingreifen der US-Truppen in dem Land. Bis sich Hollywood mit den Menschen vor Ort, den Zivilisten, den Opfern beschäftigt, werden wohl noch Jahre vergehen.
Ein amerikanischer Preis
All das zeigt, dass der Oscar in vielerlei Hinsicht ein unberechenbarer Preis bleibt. Mit einigen Konstanten allerdings. Es ist zu 99% ein amerikanischer Filmpreis. Die Kategorie "Bester nicht-englischsprachiger Film" sowie die gelegentlichen Auszeichnungen an europäische Filmschaffende ändern daran nichts. Wunderbar natürlich, dass der sympathische Österreicher Christoph Waltz seine Preissammlung für den Auftritt in "Inglourious Basterds" nun auch noch um einen Oscar ergänzen kann. Das hat er verdient. Waltz ist ein brillanter und vielschichtiger Schauspieler. Das wusste man auch vorher. Nur eben in Hollywood nicht.
Und dass Waltz Landsmann Michael Haneke leer ausging und stattdessen ein argentinischer Film ("El Secreto de Sus Ojos") den Preis gewann, darüber wird der gebürtige Münchener Haneke schnell hinweg kommen. Zum einen hat er mit seinem Film "Das weiße Band" schon viele wichtige Preise bekommen und zum anderen dürfte Haneke mit seinem in der europäischen Geistesgeschichte verankerten Gedankengut nicht unbedingt nach Hollywood schielen. Ein Oscar wäre für ihn persönlich zwar schön gewesen, doch dieser Regisseur dürfte auch in Zukunft ohne den Segen Hollywoods aufregende Filmwerke abliefern.
Glanz für ein paar Tage
Amerikas Filmpreis Nr. 1 hat die Massen wieder in Bann gezogen, hat weltweit für gute Einschaltquoten gesorgt, hat einige Ausgezeichnete glücklich gemacht. Er hat interessante Filme gewürdigt und wird dafür sorgen, dass diese nun noch von ein paar mehr Menschen auf der Welt gesehen werden. Er hat auf großartige Darstellerleistungen aufmerksam gemacht. Und er hat dem künstlerisch kriselnden Hollywood-Kino wieder für ein paar Tage Glanz verschafft. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Cornelia Rabitz