Tschad: Regierung lässt Kritiker verhaften
23. März 2016Wir scherzen nicht. So hätte man die Anordnung des tschadischen Ministers für öffentliche Sicherheit, Ahmat Mahamat Bachir, am vergangenen Wochenende auch übersetzen können. Einen Tag vor dem offiziellen Beginn der Wahlkampfperiode ließ er im nationalen Radio verlautbaren, dass "alle öffentlichen Demonstrationen, die nicht im Rahmen des Wahlkampfes stattfinden, verboten sind." Seitdem sind nur noch die Veranstaltungen der Kandidaten offiziell erlaubt.
Am 10. April wird im Tschad der nächste Präsident gewählt. Seit Wochen demonstrieren Kritiker und Vertreter der Zivilgesellschaft gegen die erneute Kandidatur von Idriss Déby-Itno, der bereits seit 26 Jahren an der Macht ist. Déby hatte 2004 die Verfassung ändern lassen, die bis dahin nur zwei Amtszeiten in Folge zuließ. Jetzt will er sich wieder wählen lassen - zum fünften Mal.
Viele Bürger haben genug von Déby und begehren auf. Mehrere Protestbewegungen haben sich formiert. Ihre Namen sprechen Bände: "Trop, c'est trop" - "Zu viel ist zu viel", "Ça suffit" - auf Deutsch: "Es reicht" und "Iyina", was aus dem tschadischen Arabisch übersetzt so viel heißt wie: "Wir sind müde". Ihr Aufstand ist längst zur Massenbewegung geworden.
Miese Bilanz für Präsident Déby
Idriss Déby kann die Unzufriedenheit seiner Bürger offenbar nicht nachvollziehen. "Die tschadische Regierung hat das Recht anzutreten. Warum stellt sich die Zivilgesellschaft dagegen?", fragte der Präsident bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt N'Djamena vor Tausenden seiner Anhänger. "Wir haben ein politisches Programm und wir haben viel erreicht. Wir sind ein stabiles Land, ein friedliches Land, ein aufstrebendes Land."
Doch seine Bilanz wirkt ernüchternd: Trotz der großen Ölvorkommen zählt der Tschad zu den ärmsten Ländern weltweit. Die Regierung ist an einer Militäroffensive gegen die nigerianische Islamistengruppe Boko Haram beteiligt, trotzdem fanden im Juni 2015 zum ersten Mal Selbstmordanschläge auch auf tschadischem Boden statt, bei dem rund hundert Menschen getötet und hunderte weitere verletzt wurden. Boko Haram rekrutiert im Tschad seit Jahren erfolgreich neue Mitglieder.
Staat legt harte Bandagen an
Von der impliziten Drohung des Regierungslagers zeigte sich Nadjo Kaina Palmer von der Protestbewegung "Iyina" zunächst unbeeindruckt: Die Ankündigung, alle Veranstaltungen und Demonstrationen der Zivilgesellschaft zu verbieten, würde ihn und seine Mitstreiter nur bestärken, sagte er im Interview mit der DW. "Die Veranstaltungen werden stattfinden. Wir haben Déby gebeten, nicht mehr anzutreten. Er muss endlich die Konsequenzen für seine miserable Führung ziehen und abtreten."
Jetzt sitzt Palmer in Haft. Seine Gruppe hatte gemeinsam mit anderen für den kommenden Dienstag einen friedlichen Marsch in mehreren Städten organisiert. Auch Mahamat Nour Ahmet Ibedou vom Menschenrechtbündnisses "Ça suffit!" befindet sich in Polizeigewahrsam, weil er für den Protestmarsch Flugblätter verteilt hatte. Gegen ihn ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft.
"Diese Bewegungen sind alle friedlich und verfassungskonform. Die Regierung selbst respektiert die Verfassung nicht!", schimpft Michel Barka. Er ist der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes "Union des Syndicats du Tchad" (UST) und muss seit Kurzem ohne seinen Generalsekretär auskommen, denn auch der wurde festgenommen. "Wir können nicht schweigen, was unsere Forderungen angeht", sagte Barka, der sich ebenfalls in der Protestkoalition "Ça suffit" engagiert, der DW. Zwar wolle er sich nicht einschüchtern lassen, aber im Moment bleibe er "wachsam" - damit ihn nicht bald das gleiche Schicksal ereile wie seine Kameraden.
Vier zentrale Vertreter dieser zivilgesellschaftlichen Gruppen wurden bislang verhaftet und befinden sich derzeit in Polizeigewahrsam. Ihre Anwältin, Delphine Djiraibe Kemnouloum, ist überzeugt: Der Staat habe für die Verhaftungen keine rechtlichen Grundlage. "Diese Veranstaltungen sind gewaltfreie Mittel, die die Organisationen der Zivilgesellschaft einsetzen. Sie gehen nicht über den rechtlichen Rahmen hinaus."
Ziviler Ungehorsam
Es scheint, als sei die Regierung fest entschlossen, ihre Kritiker mundtot zu machen. Denn so viel Gegenwind ist Präsident Déby nicht gewohnt. Schon seit Wochen rollt dem amtierenden Präsidenten eine nie da gewesene Protestwelle entgegen. Mit Trillerpfeifen, Kochtöpfen und sogar einem Generalstreik haben die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Gruppen ihrem Ärger Ausdruck verliehen. Selbst Beobachter sind überrascht von dem neuerlichen Mut der Tschader, offen ihren Unmut zu zeigen.
Déby will die Proteste offenbar ignorieren. Vor Anhängern sagte er kürzlich, dass er den Sieg schon in der ersten Runde holen werde. Es werde ein "KO-Sieg". Fragt sich nur, für wen.
Mitarbeit: Dariustone Blaise aus N'Djamena