Tschad: Volle Kraft voraus für Investitionen
12. September 2017"Investieren im Tschad" – so heißt die Absichtserklärung, die der Tschad und internationale Partner im Rahmen einer Geberkonferenz in Paris unterzeichnet haben. Staaten, internationale Institutionen wie der IWF aber auch Privatunternehmen haben bei dem Treffen am Wochenende 20 Milliarden US-Dollar an Krediten und Investitionen zugesagt, um die Wirtschaft des Landes wiederzubeleben. Diese stützt sich seit 2003 vor allem auf dem Erdöl-Export, der dem Tschad zeitweise 70 Prozent der Haushaltseinnahmen bescherte. Das Land lieh sich Geld, um sich im großen Maßstab ins Ölgeschäft einzukaufen. Doch in den vergangenen drei Jahren halbierte sich der Ölpreis von rund 100 auf 50 US-Dollar pro Barrel. Die Öl-Einnahmen sind eingebrochen, und der Tschad tut sich schwer, die aufgenommenen Kredite zurückzuzahlen.
Diversifizierung mit Hilfe aus dem Ausland
Die Regierung plant nun, die Wirtschaft des Tschad zu diversifizieren: Vieh- und Agrarwirtschaft, Fischerei und Bergbau sollen entwickelt werden. Die Investitionen und Kredite aus dem Ausland können dabei helfen. Die EU versprach zum Beispiel einen Kredit in Höhe von 925 Millionen Euro für Haushaltshilfe. Von dem Geld sollen die Beamten im Tschad bezahlt werden, die ihre - ohnehin schon halbierten - Gehälter monatelang nicht erhalten haben. Deutschland gab in Paris bekannt, die bilaterale Zusammenarbeit mit dem Tschad wieder aufzunehmen. Diese war vor fünf Jahren beendet worden - offiziell, um sich in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auf weniger Länder zu konzentrieren.
Die Kooperation mit dem Tschad war damals schon umstritten - und ist es weiterhin. Denn die Regierung von Präsident Idriss Deby, der seit 27 Jahren an der Macht ist, gilt als autoritär. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert unter anderem die gewaltsame Auflösung friedlicher Demonstrationen, die Festnahme von Demonstranten und Verletzungen der Pressefreiheit. Das Internet und soziale Medien werden im Tschad blockiert. Die Parlamentswahlen wurden seit 2015 zwei Mal verschoben.
Unterstützung aus Deutschland
Die Einschränkung der bürgerlichen Grundrechte sei "schon ein Problem für die internationale Gemeinschaft", sagt die Deutsche Botschafterin im Tschad, Gabriela Guellil, im DW-Interview. Es gebe zwar schon ein grundsätzliches Verständnis für restriktive Maßnahmen angesichts des Kampfes gegen Terrorismus - immerhin grenzt der Tschad an zahlreiche krisengeplagte Gebiete wie Darfur, Libyen, Nordnigeria und die Zentralafrikanische Republik - Sorge bereite jedoch die weitere Verschlechterung der Situation. Dass seit 2008 keine einzige öffentliche Versammlung genehmigt worden ist, sei "schon ziemlich heftig."
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Tschad soll vor allem bessere Bildung für Jugendliche und Frauen ermöglichen. Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit seien jedoch die Einhaltung von Menschenrechtsstandards, die Durchführung von Parlamentswahlen und gute Regierungsführung im Tschad, sagt Andreas Gies, Leiter der Abteilung "Entwicklungszusammenarbeit weltweit" im deutschen Entwicklungsministerium, im DW-Interview. Der tschadische Polit-Aktvist Abdelkerim Koundougoumi, der in Paris eine Gegenveranstaltung zur Geberkonferenz organisiert hat, bleibt skeptisch: Die Regierung des Tschad habe nun schon das dritte Mal um Hilfe gebeten, und es sei weiter fraglich, was sie mit der bisherigen Hilfe gemacht habe.
Militär als Verhandlungspfund
Trotz der katastrophalen Wirtschaftslage gibt sich der Tschad selbstbewusst. Das Land besitzt das wohl stärkste Militär im Sahel und spielt deshalb eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Terror und den Schmuggel mit Menschen, Waffen und Drogen. Unter anderem beteiligt es sich mit rund 1400 Soldaten an der UN-Mission im Mali. Darüber hinaus sind 2000 tschadische Soldaten in der multinationalen Truppe engagiert, die seit 2015 die islamistische Terrorgruppe Boko Haram bekämpft. Auch in der Flüchtlingskrise wünscht sich Europa Unterstützung vom Tschad. So soll dort auf Initiative Frankreichs ein Aufnahmelager für Migranten errichtet werden.
Die tschadische Regierung will sich keine Vorschriften machen lassen und hat angekündigt, dass sie nicht jede Art von Hilfe annehmen werde. Sie erwarte von ihren Partnern eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. "Wir wissen, was wir wollen", sagt Wirtschaftsminister Ngueto Nambaye. Als Präsident Deby im Juni das internationale militärische Engagement seines Landes in Frage stellte, sahen manche das als Erpressung. Tatsächlich ist die Finanzierung einer gemeinsamen Eingreiftruppe der G5-Sahel-Staaten teilweise noch ungeklärt. Eine weitere Geberkonferenz soll Abhilfe schaffen - am 19. September in Berlin.