Tschechien: Mobile Corona-Impfteams
30. August 2021Die Tschechische Republik ist relativ erfolgreich bei Corona-Schutzimpfungen. Laut Gesundheitsministerium sind 5,7 Millionen Bürger vollständig geimpft. Das entspricht mehr als fünfzig Prozent der Gesamtbevölkerung. Doch ähnlich wie in Deutschland stagniert die Impfquote.
Unter den rund 250.000 Roma in Tschechien ist die Impfquote niedriger als bei der Gesamtbevölkerung. "Roma machen einen großen Teil unserer Zielgruppe aus, hier haben wir es mit sehr niedrigen Impfraten zu tun. Im Vergleich zum nationalen Durchschnitt ist sie deutlich niedriger", so Daniel Hule von "Mensch in Not", einer humanitären Organisation, die die Impfsituation in "sozial ausgegrenzten Gebieten", wie die Roma-Viertel in Tschechien offiziell genannt werden, verbessern soll.
Keine ethnische, sondern eine Bildungsfrage
"Der Grund dafür ist das deutlich niedrigere Bildungsniveau der Roma-Bevölkerung im Vergleich zur Mehrheitsgesellschaft. Ein großer Teil der Roma verfügt nur über die obligatorische Schulbildung. Meiner Meinung nach ist die Impfrate für diese Bildungskategorie in der gesamten Tschechischen Republik niedrig. Es ist keine ethnische Frage, sondern eine Bildungsfrage", sagt Hule. "Ein weiterer Faktor ist, dass Roma oft in Großfamilien leben und parallele Gemeinschaften bilden, in denen der Widerstand gegen die Impfung verbreitet ist", so Hule zur DW. Hule zufolge kursieren in der Roma-Gemeinschaft viele Falschmeldungen über Corona. "Ein Beispiel dafür ist der Glaube an das 'Chippen', also die Verschwörungstheorie, nach der über Corona-Impfungen Mikrochips implantiert würden."
Davon berichtet auch Kumar Vishwanathan, Erzieher, Sozialarbeiter und Leiter des Vereins "Vzajemni souziti", der sich um die Verbesserung der Lage von Roma in der Region Ostrava im Nordosten der Tschechischen Republik bemüht, gegenüber dem Sender Polar TV: "Viele Roma hören Fehlinformationen und haben schreckliche Angst, dass Impfen schlecht sei, dass wir sterben werden, dass wir Chips oder Magnete bekommen werden, an denen Besteck und Münzen kleben. Das höre ich ständig."
Zusätzliche mobile Impfteams
Zwölf mobile Impfteams, die vom Gesundheitsministerium in Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden eingesetzt werden, versuchen, die Situation in den Orten mit der niedrigsten Impfrate zu verbessern. Bislang jedoch mit überschaubarem Erfolg. "Wir haben versucht, mit verschiedenen Roma-Organisationen zusammenzuarbeiten und hatten sogar deren Vertreter dabei, aber das hat zu keinem großen Ergebnis geführt", räumte der mährisch-schlesische Landeshauptmann Ivo Vondrak Mitte August ein.
Nun hat die Region zusätzliche mobile Impfteams entsandt. "Das ist keine leichte Aufgabe", sagte Vondrak gegenüber der DW. "Ein wichtiger Umstand ist das Misstrauen, das aus Fehlinformationen über die Impfung resultiert, die in diesen Gemeinschaften kursieren. Deshalb stehen die mobilen Gesundheitsteams bereit, um den Menschen alles zu erklären und geduldig alle Fragen zu beantworten", so Vondrak. Für die Impfung durch diese Teams ist keine vorherige Anmeldung oder Ausweis erforderlich. Es genügt die Geburtsnummer, die grundlegend für die Registrierung von Einwohnern in der Tschechischen Republik ist.
Fehlende Statistiken erschweren Impfungen
Eine wirksame Impfkampagne für tschechische Roma wird dadurch erschwert, dass weder das Gesundheitsministerium noch das Institut für Gesundheitsinformation Statistiken für die Roma-Bevölkerung in Tschechien führen. Die einzige statistisch gesicherte Tatsache ist, dass es in vielen Orten, in denen die Impfquoten am niedrigsten sind, starke Roma-Gemeinschaften gibt, insbesondere in den Grenzregionen.
"Wir haben die Situation hinsichtlich der Durchimpfung geografisch erfasst, können aber nicht bestätigen, dass dies die Roma-Minderheit betrifft", so Daniel Köppl, Sprecher des Gesundheitsministeriums, gegenüber der DW. Das Ministerium sei sich des Problems jedoch bewusst. "Wir haben bereits mit Vertretern der Roma-Minderheit kommuniziert", sagt Köppl, fügt aber hinzu, dass das Ministerium auch in der Zukunft keine Impfkampagne speziell für Roma plant.
Laut der Roma-Aktivistin Jarmila Balazova unterscheiden sich die Gründe für die Ablehnung von Impfungen durch die Roma nicht grundlegend von denen der Mehrheitsbevölkerung, die häufig der Meinung seien, dass Impfstoffe nicht ausreichend getestet sind. "In einigen Orten helfen gemeinnützige Organisationen und Einzelpersonen mit der Aufklärung", so Balazova gegenüber der DW.
Impfkampagne für Roma ein Erfolg in Großbritannien
Auch in Großbritannien setzten sich die Behörden in den letzten Monaten mit Impfskeptikern unter ethnischen Minderheiten - darunter auch Roma - auseinander. Die tschechische Botschaft in London schätzt, dass etwa 60.000 tschechische Roma in Großbritannien leben. Der tschechische Honorarkonsul in Peterborough, Petr Torak, ist selbst Rom. "Es war ein ähnliches Problem, das die meisten Minderheiten hier betraf. Großbritannien hat Studien in Auftrag gegeben und Organisationen der Roma-Gemeinschaft beauftragt, herauszufinden, warum Roma die Coronaschutzimpfung verweigern, wie das geändert werden könnte und wer die Schlüsselfiguren in der Gemeinschaft sind, die dabei helfen könnten", so Torak gegenüber der DW.
"Dann begann eine gezielte Informationskampagne in Kirchen und Gemeindezentren und dank dieser Kampagne stiegen die Impfraten erheblich an", sagte Torak weiter. "Auch in Großbritannien waren Falschmeldungen und Fehlinformationen wahrscheinlich das größte Problem. Der Nationale Gesundheitsdienst Großbritanniens NHS postet auf Facebook Nachrichten, die Fehlinformationen in Romani und Tschechisch widerlegen." Bleibt zu hoffen, dass ähnliche Kampagnen bald Erfolge zeigen.