Tschuris großer Tag
13. August 2015Der Leiter des Satellitenbetriebs im Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt freute sich "Es ist alles sehr glattgegangen", sagte Paolo Ferri am frühen Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, "es war kein spektakulärer Vorbeiflug".
Bis er jetzt den sonnennähesten Punkt erreichte, hatte der Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko eine lange Reise hinter sich. Tschuri stammt aus dem Kuiper-Gürtel am äußeren Rande unseres Sonnensystems. In elliptischen Bahnen nähert er sich der Sonne immer weiter an. Irgendwann wird er sich in ihrem Umfeld wohl ganz auflösen.
Aber so weit ist es noch lange nicht. Bei seiner jetzigen Annäherung kam der Brocken aus Gestein und Eis nur gut 185 Millionen Kilometer an die Sonne heran. Das ist nicht einmal so nah wie die Erde, deren Abstand zur Sonne nur etwa 150 Millionen Kilometer beträgt.
Noch nie war ein Roboter so nah dran
Für die Wissenschaft ist es trotzdem ein spannender Moment, denn nie zuvor wurde die Annäherung eines Kometen an die Sonne so intensiv beobachtet wie jetzt: Die Raumsonde Rosetta umkreist den Kometen seit fast einem Jahr. Damals hatte sie ihn nach einer über zehnjährigen Reise in einer Sonnenentfernung von 500 Kilometern eingeholt.
Seitdem verfolgt Rosetta genau, wie sich der Eisklumpen aufheizt und dabei immer mehr Eis verdampft. Weil der Komet keine schützende Atmosphäre hat, wird es dort auch heißer als auf der Erde. Bei Oberflächentemperaturen von 80 Grad Celsius verdampfen Wasser und tiefgefrorene Kohlenwasserstoffverbindungen recht schnell.
Rosetta sammelt mit ihren Spektrometern, Kameras und weiteren Messinstrumenten in dieser kritischen Phase fleißig Daten ein. Insbesondere die chemische Zusammensetzung des Koma - also der abdampfenden Gashülle - ist für die Forscher interessant.
Jede Menge Schwefelwasserstoffe, Methan und Staub
Rosettas ROSINA-Instrument - ein Spektrometer zur Ionenanalyse, das von der Universität Bern betrieben wird - hat kurz vor dem Erreichen des sonnennähesten Punktes einige verblüffende Veränderungen festgestellt: So setzt Tschuri in der Nähe der Sonne plötzlich doppelt so viel Kohlendioxid und viermal so viel Methan frei wie in den Wochen zuvor. Vor allem der Anteil an Schwefelwasserstoff ist dramatisch gestiegen - um das siebenfache. Nur die Wasserdampfmenge ist gleichgeblieben.
Auch die Menge an messbaren Staubteilchen hat sich kurz vor dem entscheidenden Tag nochmal vervielfacht. Jetzt sind es etwa zehnmal so viele wie noch Anfang Juli.
Die Forscher rechnen damit, dass sich diese Werte in den Tagen der Sonnenannäherung und unmittelbar danach noch einmal deutlich erhöhen. "Wir erwarten weitere Explosionen und Staubwirbel bis September", sagte Ferri.
Philae spricht nicht - aber hört er?
Was allerdings mit dem kleinen Landeroboter Philae ist, den Rosetta Ende vergangenen Jahres auf dem Kometen abgesetzt hatte, wissen die Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), die ihn betreuen, derzeit nicht.
Das letzte Mal hatten sie am 9. Juli kurz Kontakt zu der Sonde. Seitdem sind alle Versuche fehlgeschlagen, noch einmal eine Kommunikationsverbindung aufzubauen. Die Sonnenannäherung erschwert dabei die Kontaktaufnahme. Rosetta muss aufgrund der starken Aktivität des Kometen derzeit einen höheren und weniger mutigen Orbit fliegen, der nicht so gut geeignet ist, mit Philae Funkkontakt herzustellen.
Aufgeben wollen die Wissenschaftler aber nicht. Sie haben vorsichtshalber Kommandos an Philae geschickt, damit dieser Messungen mit seinen Instrumenten durchführt. Sollte der Roboter die Signale empfangen und verstanden haben, könnte er seine Messergebnisse speichern. Nach dem Vorbeiflug an der Sonne haben die Rosetta-Flugkontrolleure dann wieder Gelegenheit, die Flugbahn so zu optimieren, sodass es hoffentlich noch einmal einen Kontakt zu Philae gibt.