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Tsipras droht mit EU-Blockade

25. Februar 2016

Im Streit um die EU-Flüchtlingspolitik wird der Ton rauer: Griechenlands Premier Tsipras droht mit einer Blockade von EU-Entscheidungen. Österreichs Außenminister Kurz fordert Deutschland zum Handeln auf.

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Der griechische Premierminister Alexis Tsipras bei einer Rede im griechischen Parlament (Foto: picture-alliance/dpa/O. Panagiotou)
Bild: picture-alliance/dpa/O. Panagiotou

Griechenland werde Entscheidungen der Europäischen Union blockieren, wenn andere Länder der Europäischen Union (EU) ihrer Verantwortung nicht gerecht würden, sagte Alexis Tsipras im Parlament in Athen. Konkret forderte er eine Umsetzung der Vereinbarungen zur EU-Flüchtlingspolitik, die unter anderem eine Verteilung von 160.000 Migranten unter allen Mitgliedsstaaten vorsieht.

Athen werde nicht akzeptieren, dass es Staaten gebe, die einerseits keinen einzigen Migranten aufnehmen, aber andererseits Zäune bauten, so der griechische Ministerpräsident weiter. Seine Regierung hatte bereits zuvor die Balkanstaaten für ihre Verschärfung der Einreisebestimmungen kritisiert. Sie befürchtet eine humanitäre Krise, wenn Tausende Einwanderer an den Grenzen festsitzen. Man werde nicht zulassen, dass Griechenland zu einer Lagerhalle für Menschen werde, sagte Tsipras.

Kritik an Westbalkan-Konferenz in Wien

Zuvor hatte er sich bereits in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über das Verhalten einiger EU-Länder in der Flüchtlingskrise beschwert. Laut einer Erklärung seines Büros brachte Tsipras seine "tiefe Unzufriedenheit" darüber zum Ausdruck, dass die erst am vergangenen Donnerstag auf dem EU-Gipfel getroffene Vereinbarung zur Flüchtlingskrise nicht eingehalten worden sei. Es sei eine "Schande", dass einige Länder die Entscheidung des Gipfels zu einem "gemeinsamen" Vorgehen nicht respektierten, sagte Tsipras dazu im Parlament.

Teilnehmer der Westbalkan-Konferenz zur Flüchtlingskrise in Wien am Konferenztisch (Foto: picture-alliance/epa/C.Bruna)
Außerhalb des EU-Rahmens: Die Westbalkan-Konferenz in WienBild: picture-alliance/epa/C.Bruna

Verärgert ist der griechische Ministerpräsident vor allem über Österreich. Wien hatte am Mittwoch auf einer Westbalkan-Konferenz gemeinsam mit neun weiteren Ländern vereinbart, weniger Flüchtlinge passieren zu lassen. Weder Griechenland noch die EU oder Deutschland waren eingeladen. Es könne "nicht sein, dass ein Staat ausgeschlossen wird bei Dingen, die ihn auch betreffen", kritisierte auch eine Sprecherin von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die griechische Regierung sprach von einer "einseitigen und keineswegs freundschaftlichen Aktion".

Der Unions-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter kritisierte das österreichische Vorgehen in der Flüchtlingskrise als „Fehler“. Zur Bewältigung der aktuellen Situation bräuchten alle europäischen Staaten einander, sagte der CDU-Parlamentarier der Deutschen Welle. Das werde immer deutlicher. „Eine gemeinsame europäische Lösung bietet den einzigen Weg aus der Flüchtlingskrise.“ Dabei brauche es auch stärkere finanzielle, personelle und logistische Unterstützung für die Länder, die in der Flüchtlingskrise derzeit besonders gefordert seien. Kiesewetter mahnte zudem an, die Situation zwischen Libyen und Italien stärker in den Blick zu nehmen. Der Weg von der libyschen Küste werde im Frühling als Flüchtlingsroute wieder an Bedeutung gewinnen.

Balkanstaaten wollen Migrationsströme stoppen

Österreichs konservative Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sagte nach der von ihr einberufenen Balkan-Konferenz, die zehn Länder hätten sich auf das Ziel geeinigt, "die Migrationsströme zu stoppen". Griechenland sieht dadurch seine Befürchtung bestätigt, mit den Flüchtlingen, die nach wie vor täglich zu Hunderten aus der Türkei über die Ägäis kommen, allein zu bleiben. Athen vermutet, dass die sogenannte Balkanroute dicht gemacht und Griechenland mit dem entstehenden Rückstau an Flüchtlingen unter Druck gesetzt werden soll.

Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und der österreichische Außenminister Sebastian Kurz (r.) (Foto: HELMUT FOHRINGER/AFP/Getty Images)
Die Initiatoren der Westbalkan-Konferenz: Johanna Mikl-Leitner und Sebastian KurzBild: Getty Images/AFP/H.Fohringer

Mazedonien hat seine Grenze zu Griechenland bereits für afghanische Flüchtlinge geschlossen und lässt nur noch Syrer und Iraker passieren. Die ehemalige jugoslawische Teilrepublik, die weder EU- noch Schengenraum-Mitglied ist, war eines der Gastländer vom Balkan in Wien. Dort wurde auch beschlossen, die Hürden für Flüchtlinge weiter zu erhöhen. So sollen etwa Menschen mit gefälschten Pässen umgehend zurückgeschickt werden.

Österreich: Politik der unbeschränkten Aufnahme ist gescheitert

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz verteidigte in einem Interview der "ARD-Tagesthemen" den Kurswechsel seines Landes in der Flüchtlingspolitik. Angesichts anhaltend hoher Flüchtlingszahlen bestehe "die dringende Notwendigkeit, nicht mehr das Weiterwinken nach Mitteleuropa zu perfektionieren", sagte Kurz. Gemeinsam mit den Balkanstaaten wolle Österreich signalisieren: "Den Weg von der Türkei nach Mitteleuropa in wenigen Tagen gibt es nicht mehr."

Die Balkanroute und alternative Fluchtwege nach Mitteleuropa (Grafik: DW)
Die Balkanroute und alternative Fluchtwege nach Mitteleuropa

Die Politik der unbeschränkten Aufnahme von Flüchtlingen in Mitteleuropa hält Kurz für gescheitert. Die Zielländer liefen Gefahr, überfordert zu werden. "Diejenigen, die für offene Grenzen eingetreten sind, haben die Flüchtlingskrise nicht ausgelöst, aber sie haben sie definitiv verschärft." Damit meine er nicht nur die deutsche Bundesregierung, sondern schließe auch sein eigenes Land ein, so Kurz.

Österreich erwartet deutsche Obergrenze

An Berlin gerichtet wiederholte Kurz die Erwartung, dass auch Deutschland eine Obergrenze definiere: "Wir können diese Zahl nicht einseitig festlegen. Wir sind gern bereit, mit anderen daran zu arbeiten, den Zustrom zu reduzieren", sagte er. "Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass es eine europäische Lösung geben wird. Aber die wird nicht sein, dass wir die Menschen möglichst schnell nach Österreich, Deutschland oder Schweden bringen." Die Lösung sei vielmehr, die europäischen Außengrenzen zu sichern und Hilfe vor Ort für die Menschen in Not zu leisten.

Afghanische Flüchtlinge protestieren am Grenzzaun gegen die Schließung der griechisch-mazedonischen Grenze (Foto: Getty Images/AFP/S. Mitrolidis)
Ende einer Flucht: Mazedonien lässt keine afganischen Flüchtlinge mehr einreisenBild: Getty Images/AFP/S. Mitrolidis

An diesem Donnerstag beraten die EU-Innen- und Justizminister in Brüssel über die Flüchtlingskrise, dabei will Wien den Druck zu restriktiveren Maßnahmen erhöhen. An der Ministerrats-Sitzung nimmt auch der türkische Vize-Innenminister Sebahattin Öztürk teil. Noch vor Beginn des EU-Treffens kommt der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) mit seinen Amtskollegen aus Ländern entlang der Balkanroute zusammen, die am Dienstag in Wien beschlossen hatten, den Flüchtlingszuzug durch verschiedene Maßnahmen spürbar zu begrenzen.

ww/se (afp, dpa, rtr)