Tsipras hofft auf Merkel und Hollande
31. Mai 2015Die Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen internationalen Geldgebern werden nach Angaben von Teilnehmern wohl auch kommende Woche weitergehen. Die von der griechischen Regierung selbst gesteckte Frist einer Einigung am Sonntag werde offenbar verfehlt, sagte ein Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Die Gespräche mit der früher Troika genannten Gruppe aus Internationalem Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission würden fortgesetzt
Im Kampf gegen die drohende Staatspleite setzt Griechenland nach Medienberichten auf Bundeskanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten Francois Hollande. Das Griechenland-Thema könne beim Treffen der beiden mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Montagabend zur Sprache kommen, berichtete der Athener Radio- und TV-Sender Skai am Sonntag. Juncker sagte der "Süddeutschen Zeitung", Griechenland sei zwar offiziell nicht der Kern der Berliner Gespräche, "es würde mich aber sehr wundern, wenn er es nicht würde".
"Gute Stimmung"
Ein griechischer Regierungsvertreter erklärte, dass Ministerpräsident Alexis Tsipras, Merkel und Hollande am Sonntag telefoniert hätten. Die drei Politiker seien sich einig gewesen, dass schnell eine Lösung gefunden werden müsse. Die Stimmung bei dem Gespräch sei sehr gut gewesen. Es war die zweite derartige Unterredung innerhalb von vier Tagen.
Athen steht in den Verhandlungen mit den Geldgebern unter enormem Zeitdruck. Im Juni muss das pleitebedrohte Land knapp 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Tsipras hatte sich am Samstag mehr als acht Stunden lang mit dem Team der griechischen Unterhändler beraten. In Medienberichten hieß es, bei dem Treffen sei schließlich auch der Entwurf für ein Übereinkommen mit den internationalen Geldgebern formuliert worden. Der Premier wolle diesen Vorschlag nun Merkel und Hollande vorlegen. Die Gespräche mit der Kanzlerin und dem Präsidenten könnten per Telefonkonferenz oder am Rande des Berliner Treffens stattfinden.
Die Regierung hofft offensichtlich darauf, dass dabei die wichtigsten Hindernisse aus dem Weg geräumt und ein Durchbruch in den Verhandlungen erzielt werden könnten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dämpfte jedoch Erwartungen an ein rasches Ergebnis: "Die positiven Nachrichten aus Athen spiegeln sich noch nicht vollständig im Gesprächsstand mit den Geldgebern wider."
Druck von links
Tsipras geriet in Griechenland derweil in seinem eigenen Linksbündnis Syriza unter Druck. Der linke Flügel der Partei ist gegen weitere Zugeständnisse an die Geldgeber. Mehrere Syriza-Politiker protestierten zudem am Wochenende gegen die Entscheidung von Finanzminister Yanis Varoufakis, die Ökonomin Elena Panaritis zur neuen griechischen Delegierten beim IWF zu ernennen. Die Wissenschaftlerin hatte dem sozialistischen Ex-Regierungschef Giorgos Papandreou als Beraterin gedient. Varoufakis äußerte sich zu den Protesten auf Twitter: "Die Gerüchte über meinen bevorstehenden Rücktritt sind (wieder einmal) völlig verfrüht."
Die EU-Kommission mahnte Athen in den Verhandlungen erneut zur Eile. "Die Zeit läuft ab", sagte der Vizepräsident der Brüsseler Behörde, Valdis Dombrovskis, der griechischen Zeitung "Kathimerini". "Wir brauchen ein umfassendes und glaubwürdiges Bündel von Reformen, zu deren Umsetzung die griechische Regierung bereit ist."
Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion würde der Eurozone nach Junckers Ansicht mehr Probleme verschaffen als lösen. An dem Tag, an dem ein Land aus dem Euro ausscheiden sollte, "würde sich die Idee in den Köpfen festsetzen, dass der Euro eben nicht irreversibel ist", warnte er in der "SZ". Die Folge könnte ein Rückzug internationaler Investoren sein.
In griechischen Medien wurde spekuliert, Athen könne sich mit der EU-Kommission und der EZB auf eine Übergangslösung verständigen. Diese könne nur diejenigen Punkte umfassen, über die bisher eine Einigung erzielt worden sei, berichtete die Zeitung "To Vima". Die Geldgeber würden demnach im Gegenzug nur einen Teilbetrag der ausstehenden Hilfen auszahlen. Eine solche Teillösung sei allerdings nur ohne den IWF möglich.
Griechenland soll im Rahmen des Ende Juni auslaufenden Hilfsprogramms noch 7,2 Milliarden Euro erhalten. Die Geldgeber zahlen die Mittel aber erst aus, wenn sich die Linksregierung zu Reformen verpflichtet.
Aus Sicht von Tsipras ist nicht die griechische Regierung für die lange Dauer der Verhandlungen mit den Geldgebern verantwortlich. In einem Artikel in der französischen Zeitung "Le Monde" machte er, ohne konkrete Namen zu nennen, neoliberale Führer in der EU dafür verantwortlich, dass die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen worden seien. "Griechenland ist das erste Opfer", schrieb der Regierungschef. "Alle Länder, die der Macht (der Neoliberalen) nicht nachgeben wollen, sollen demnach hart bestraft werden."
Stu/haz