Verfassungsberatungen in Tunesien
3. Januar 2014"Die Verfassung der tunesischen Republik" - diesem Titel haben die Abgeordneten schon zugestimmt. Auch die ersten drei Absätze der Präambel wurden angenommen. In ihnen wird "der Stolz auf den Kampf unseres Volkes, um die Unabhängigkeit zu erreichen (...) und sich von der Tyrannei zu befreien" sowie "die Verbundenheit unseres Volkes zu den Lehren des Islam" betont.
In den kommenden Tagen soll über die 146 Artikel der Verfassung und die etwa 250 Änderungsanträge abgestimmt werden. Der Text gilt als angenommen, wenn ihm mindestens zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen. Andernfalls wird er dem Volk zum Referendum vorgelegt.
Grundrechte nur vage formuliert
Der Verfassungsentwurf ist das Ergebnis mehr als zweijähriger Debatten zwischen der dominierenden islamistischen Ennahda-Partei und der Opposition. Allein seit vergangenem Sommer wurden noch rund 30 Änderungen zugefügt.
Mehrere Menschenrechtsorganisationen, darunter Human Rights Watch und Amnesty International, riefen die Abgeordneten auf, die rechtliche Gleichheit von Mann und Frau festschreiben und ferner dafür Sorge zu tragen, dass die von Tunesien ratifizierten Menschenrechtskonventionen Vorrang vor nationalem Recht haben. Zwar garantiert der tunesische Verfassungsentwurf die zentralen Grundrechte, doch sind viele Formulierungen vage.
Mit der Verabschiedung der Verfassung will Tunesien die Übergangsphase seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Zine El Abidine Ben Ali vor drei Jahren beenden. Außerdem hofft das Mutterland des arabischen Frühlings einen Ausweg aus der politischen Krise zu finden, die durch die Ermordung zweier linker Oppositioneller im Sommer 2013 ausgelöst wurde. Die Regierung macht salafistische Extremisten für die Tat verantwortlich. Die Opposition hingegen gibt der regierenden Ennahda-Partei eine Mitschuld.
Tunesier sollen neues Parlament wählen
Sobald die Verfassung verabschiedet ist, soll ein Wahlgesetz erlassen und eine Wahlkommission ernannt werden. Dann will die Übergangsregierung die Macht an den bisherigen Industrieminister Medhi Jomaâ übergeben. Der parteilose Politiker soll im Laufe des Jahres Neuwahlen vorbereiten.
Die Ennahda-Partei hatte Anfang 2011 die ersten Wahlen nach dem Sturz des langjährigen tunesischen Machthabers Zine el Abidine Ben Ali gewonnen. Im Dezember 2010 hatte sich der Straßenhändler Mohamed Bouazizi selbst verbrannt und damit den Arabischen Frühling ausgelöst. Die Tat aus Verzweiflung über seine wirtschaftliche Lage hatte Hunderttausende auf die Straßen getrieben und schließlich zum Sturz des Langzeitpräsidenten Ben Ali am 14. Januar 2011 geführt.
cw/wl (afp/dpa)