TV-Duell ohne große Überraschungen
5. September 2005Nach ersten Blitzumfragen entschied Gerhard Schröder (SPD) das TV-Duell vor einer sehr starken Herausforderin in den Feldern Sympathie und Glaubwürdigkeit für sich. Angela Merkel (CDU) wurde dagegen als kompetenter in Feldern wie der Arbeitsmarktpolitik gesehen.
Nur zu Beginn der 90 Minuten Schröder contra Merkel am Sonntag (4.9.2005) war die Atmosphäre spürbar angespannt - im Verlauf wich sie einer munteren, zum Teil angriffslustigen Atmosphäre. Beide Kandidaten, staatsmännisch dunkel gekleidet, bemühten sich um einen überwiegend inhaltlichen Disput und versuchten über weite Strecken, aggressive oder herablassende Töne zu vermeiden.
Öko-Steuer bleibt
Schröder warf den Mineralölkonzernen wegen der hohen Benzinpreise unverantwortliches Handeln vor. Auch sie hätten eine ethische Verantwortung für die Gesellschaft. Merkel sah das ähnlich, ungeachtet offensichtlicher Gegensätze in der Steuerpolitik. Die Unionskandidatin sagte, im Falle eines Wahlsiegs werde die von Rot-Grün eingeführte Öko-Steuer beibehalten: "Wir können jetzt die Rentnerinnen und Rentner nicht im Regen stehen lassen." Mit Teilen der Ökosteuer wird der Rentenbeitrag stabilisiert.
Kirchhof soll kommen
Schröder sagte, er warne davor, die Bürger in Deutschland zu "Versuchskaninchen" für die Steuerpläne des Unions-Finanzexperten Paul Kirchhof zu machen. Es sei unsozial, von Millionären und Krankenschwestern den gleichen Steuersatz zu verlangen. Merkel verteidigte Kirchhof. Er habe Visionen und beschäftige sich eher damit, was möglich sei, und nicht damit, was nicht gehe. Sie versicherte, Kirchhof werde nach einem Wahlsieg Finanzminister.
Für den Fall einer dritten Amtsperiode schloss Schröder eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus, die von der Union geplant ist. "Wir müssen die Binnenkonjunktur stützen. Da ist eine Mehrwertsteuererhöhung außerordentlich kontraproduktiv", sagte Merkel. Mit Verweis auf eine Arbeitslosenzahl von fünf Millionen sagte die CDU-Chefin zu den geplanten Reformen: "Sozial ist, was Arbeit schafft." Änderungen etwa beim Kündigungsschutz kämen denjenigen zugute, die jetzt keine Beschäftigung hätten. Schröder hob seine Sozialreformen hervor, die seit April zu wirken begonnen hätten. Deutschland sei jetzt "auf dem richtigen Dampfer".
"Weshalb ich sie liebe"
Schröder verteidigte die Kritik seiner Frau an Merkel. Doris Schröder-Köpf hatte der Herausforderin vorgeworfen, mit ihrer Biografie habe sie nicht die Erfahrungen der meisten Frauen, Beruf und Familie unter einen Hut bekommen zu müssen. Der Kanzler sagte, er sei "stolz", dass sich seine Frau als politische Journalistin in notwendige Diskussionen einmische. Seine Frau sage, was sie denke und lebe, was sie sage. "Und ich füge hinzu: das ist nicht zuletzt der Grund, weshalb ich sie liebe."
Wenig außenpolitisches
Die Außenpolitik spielte beim TV-Duell nur eine Nebenrolle. Bundeskanzler Schröder kritisierte die staatlichen Hilfsmaßnahmen in den USA bei der Katastrophe durch den Hurrikan "Katrina". Schröder sagte am Sonntagabend, der amerikanische Präsident George W. Bush selbst habe die Hilfe als "unakzeptabel" bezeichnet. Das Beispiel zeige: "Für Menschen in Not brauchen wir keinen schwachen Staat, sondern wir brauchen einen starken Staat." Merkel ging auf die Frage nur knapp ein - es sei richtig zu helfen.
Vier zu zwei
Das 90-minütige TV-Duell wurde von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 aus einem Studio in Berlin übertragen. Die Fragen stellten Sabine Christiansen, Maybrit Illner, Peter Kloeppel und Thomas Kausch.
Es war das einzige direkte Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten. Der Kanzler hatte zunächst ein weiteres Duell vorgeschlagen, die Herausforderin hatte das abgelehnt. Allerdings ist am 12. September noch eine Fernseh-Runde aller Spitzenkandidaten geplant. Gewählt wird am 18. September. Es ist die bisher dritte vorgezogene Bundestagswahl. (mik)