Bush kauft TV-Experten
21. April 2008Als herausragendes Beispiel wird der Sommer 2005 aufgeführt. Die Kritik am Gefangenenlager Guantanamo erreichte einen neuen Höhepunkt, Amnesty International sprach von einem "neuen Gulag". Die Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen drängten auf eine Schließung des Camps. Da habe man, so die "New York Times", eine Gruppe hochrangiger pensionierter Offiziere in ein Flugzeug gesteckt, das sonst von Vizepräsident Dick Cheney benutzt wird, und nach Kuba geflogen. Diese hätten dann getarnt als unabhängige Beobachter für einen Meinungsumschwung sorgen sollen.
Alte Verbindungen spielen lassen
Die Propagandisten und Spindoctors des Pentagon hätten vor allem Top-Militärs im Visier gehabt, die in den verschiedenen Fernsehsendern oft als "Analysten" angefragt werden. Über die Tätigkeit der Ex-Offiziere als Berater, Lobbyisten oder leitende Mitarbeiter in Unternehmen der Rüstungsbranche seien die Zuschauer nicht informiert worden.
Ehrgefühl und Geld
Dabei habe Washington nicht nur an das Pflichtgefühl der Berater appelliert, sondern auch Gelder fließen lassen, berichtet die "New York Times" auf ihrer Internetseite. Der Ex-Oberst und Mitarbeiter des Fernsehsenders NBC, Kenneth Allard, räumte ein, es habe sich um eine wohl überlegte PR-Strategie der Bush-Regierung gehandelt: "Das war eine abgestimmte, aktive Politik." Pentagon-Sprecher Bryan Whitman verteidigte hingegen die Bemühungen als "ernsthaften Versuch, die amerikanischen Bürger zu informieren". Es sei absurd zu glauben, diese renommierten Ex-Offiziere ließen sich als "Marionetten" des Weißen Hauses missbrauchen.
Ganze "PR-Armee" ?
75 pensionierte US-Offiziere sollen zum "Netzwerk" des Pentagon gehören. Sie hatten privilegierten Zugang zu Informationen und führenden Mitgliedern der Streitkräfte und des Kabinetts. Die eigens angeworbene Firma "Omnitec Solutions" soll die Resultate der PR-Offensive ausgewertet haben. Die Militärexperten traten in allen wichtigen US-Radio- und Fernsehsendern auf. Mindestens neun der Ex-Offiziere haben demnach auch für die "New York Times" selbst Meinungsartikel geschrieben.
Die Medien hätten bei ihrem Ringen um Insider-Informationen einen schweren Rückschlag hinnehmen müssen, so jetzt die bedauernden Kommentare. Viele TV-Stationen verweigerten eine Stellungnahme. Schon mehrfach waren die großen US-Medien wegen willfähriger und regierungsdienlicher Berichterstattung vor allem über den Irakkrieg angeprangert worden und hatten sich in öffentlicher Selbstkritik üben müssen. Schnell vergessen sind da Auszeichnungen für herausragende Gegenbeispiele, wie etwa einer der jüngsten Pulitzer-Preise für eine Reportage der "Washington Post" über katastrophale Verhältnisse in einem Militärkrankenhaus. (sc)