Tötung eines Top-Taliban verärgert Islamabad
4. November 2013Bei einem amerikanischen Drohnenangriff ist am Freitag (01.11.2013) der Anführer der pakistanischen Taliban (Tehrik-i-Taliban Pakistan, TTP), Hakimullah Mehsud, getötet worden. Ebenfalls getötet wurden bei dem Angriff in der an Afghanistan grenzenden Region Nord-Wasiristan vier weitere Personen, darunter zwei Leibwächter des Top-Terroristen.
Mehsud war 2009 im Alter von 30 Jahren an die Spitze der pakistanischen Taliban gerückt, als Nachfolger seines (mit ihm nicht verwandten) Vorgängers Baitullah Mehsud, der ebenfalls Opfer eines Drohnenangriffs wurde. Auf Hakimullah Mehsud hatten die USA ein Kopfgeld von fünf Millionen US-Dollar ausgesetzt, wegen seiner vermuteten Beteiligung an einem Selbstmordanschlag auf eine US-Basis in Ost-Afghanistan, bei der im Dezember 2009 sieben CIA-Agenten getötet wurden.
Islamabad wütend
Die pakistanische Regierung reagierte mit herber Kritik auf die US-Aktion. Der amerikanische Botschafter wurde einbestellt, um ihm die Missbilligung der Regierung von Nawaz Sharif zu übermitteln. Innenminister Chaudhry Nisar Ali Khan erklärte, es handle sich nicht "allein um den Tod einer Person, sondern um den Tod aller Friedensbemühungen." Er fügte hinzu, "alle Aspekte der pakistanisch-amerikanischen Beziehungen" müssten bei einem Treffen des Sicherheitskabinetts "auf den Prüfstand kommen", das Ministerpräsident Sharif am Montagabend (04.11.2013) einberufen wollte.
Nach pakistanischen Regierungsangaben wurde bereits eine Friedensdelegation bestimmt, die sich mit Mehsud in Nord-Wasiristan treffen sollte. Ministerpräsident Sharif hatte nach seinem Wahlsieg im Mai 2013 verkündet, er werde auf Dialog mit den Taliban anstatt auf militärische Operationen setzen. Dieselbe Linie verfolgt Imran Khan, dessen "Bewegung für Gerechtigkeit" in der Unruheprovinz Khyber Pakhtunkhwa die Regierung stellt. Khan drohte jetzt damit, erneut die NATO-Nachschubrouten nach Afghanistan zu sperren - wie bereits nach der US-Kommandoaktion zur Tötung Bin Ladens geschehen.
"Augenwischerei" der pakistanischen Regierung
Die angebliche Friedenspolitik der Regierung wird jedoch von Experten nicht ernst genommen. Farooq Sulehria, pakistanischer Journalist aus London, hält entsprechende Behaupungen Islamabads für "Augenwischerei". Gegenüber der Deutschen Welle zeigte er sich überrascht, dass "wir plötzlich von einer pakistanische Friedensdelegation hören, die mit den Taliban sprechen soll." Nur wenige Tage vor der Tötung Mehsuds hätten dieselben Taliban noch dementiert, dass die Regierung Kontakt mit ihnen aufgenommen hätte.
Der pakistanische Journalist Salem Asmi aus Karatschi stimmt dieser Einschätzung zu. "Es wurden niemals die Rahmenbedingungen für solche Friedensgespräche definiert, und es gab niemals ein Zeichen dafür, dass die Taliban überhaupt an einem solchen Friedensprozess interessiert wären." Ein solcher Friedensprozess, der noch nicht das Licht der Welt erblickt habe, könne schwerlich "ermordet" worden sein, kommentiert Asmi gegenüber der Deutschen Welle.
Farooq Sulehria glaubt auch nicht, dass es die Sorge um den angeblichen Friedensprozess ist, die die wütende Reaktion der Regierung erklärt. Vielmehr habe sie Angst vor Racheaktionen der Taliban. Eben solche haben letztere umgehend angekündigt: "Jeder Tropfen des von Hakimullah Mehsud vergossenen Blutes wird einen Selbstmordattentäter hervorbringen", hieß es in einer Verlautbarung der Taliban.
Hoffnung auf Frieden
Immerhin hatten manche Pakistaner Hoffnungen in einen Friedensprozess gesetzt. Shaukat Rehman, ein Ladenbesitzer in Karatschi, sagte der DW, es habe endlich einen Hoffnungsschimmer des Friedens gegeben, der sei jetzt zunichte gemacht worden. "Die Taliban werden den Tod Mehsuds rächen, und das ist sehr schlecht für das Land."
Menschenrechtsaktivist Arshad Mahmood aus Islamabad sieht dagegen im Tod des Top-Terroristen eine Chance für den Friedensprozess. Die Regierung sei dadurch in einer vorteilhaften Position gegenüber den Taliban, die sie ausnützen sollte. "Sie sollte die Islamisten zwingen, sich an die Gesetze und die Verfassung Pakistans zu halten", so Mahmood gegenüber der DW. Allerdings müsste sich der pakistanische Staat dafür grundlegend ändern, nämlich von einem Sicherheitsstaat zu einem Sozialstaat werden.