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Politik

Queer Olympix umgeht Verbot

Volkan Ağır | Daniel Derya Bellut
28. August 2019

Dass LGBT-Veranstaltungen von türkischen Behörden verboten werden, ist nichts Neues. Das kommt immer wieder vor. Doch mit Witz und Power haben schwul-lesbische Sportler jetzt die "Queer Olympix" durchgezogen.

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Türkei Queer Olympix in Istanbul
Bild: DW/V. Ağır

"Wir lutschen Lollipops, hier kommen die Schwuchteln" - das ist in diesem Jahr einer der selbst-ironischen Slogans der Queer Olympix. Zum dritten Mal haben schwule türkische Fußballer, lesbische Boule-Spielerinnen und andere Sportler, die einer sexuellen Minderheit angehören, dieses bunte Sportfest in Istanbul veranstaltet. Austragungsort war der liberale Stadtteil Kadiköy und Höhepunkt ein Fußballturnier der besonderen Art: Angetreten sind Mannschaften mit extravaganten Namen wie "Atletik Dildoa", "Lolipop", "Q-Bitches", "Queer League Armenia" oder "Queerpool". Besonders "Atletik Dildoa" erfreut sich großer Unterstützung von Fans. Mit "Dil-Dildoa-vibriere"-Gesängen wurde das Team von seinen Anhängern zum Sieg gepeitscht.

Q-Bitches-Team beim Queer-Olympix-Fußball-Turnier in Istanbul
Q-Bitches-Team beim Queer-Olympix-Fußball-Turnier: Schneller als die PolizeiBild: DW/V. Ağır

Das Gewinner-Team darf sich über Preise wie eine Packung Kondome oder Gleitgel freuen. Bei den Queer Olympix herrscht eine ausgelassen-freundliche Stimmung; es wird darauf geachtet, dass nicht der Wettkampf im Vordergrund steht, sondern Spaß, Toleranz und Fairness - so gibt es zusätzliche Schiedsrichter, die sexistische und unsittliche Äußerungen mit Punktabzügen ahnden.

Trotz offiziellem Behördenverbot standen Joga- und Boulekurse, Dart und Armdrücken sowie einen Ausflug auf eine der Prinzeninseln im Marmarameer bei Istanbul auf dem Programm der Amateur-Olympiade. Allerdings mussten die Beachvolleyball-, Weitsprung-, Staffel- und Sprintwettkämpfe am Ende ausfallen. Rund 130 lesbische, schwule, bi- und transsexuellen Teilnehmer waren dabei.     

Queer-Olympix-Mitorganisatorin Meriç
Mitorganisatorin Meriç: "Wir versuchen, die Räume zurückzugewinnen, die uns normalerweise vorenthalten bleiben."Bild: DW/V. Ağır

"Ich finde es wichtig, dass wir mehr Vielfalt von sexuellen Identitäten herstellen", stellt Mitorganisatorin Meric klar. "Wir versuchen, die Räume zurückzugewinnen, die uns normalerweise vorenthalten bleiben. Diese Veranstaltung zeigt mir, dass mein Engagement langsam Früchte trägt," schwärmt die Aktivistin, die schon seit dem ersten Austragungsjahr bei den Queer Olympix dabei ist und diesmal einen Boule-Workshops gegeben hat.

Istanbuler Polizei: Angriff auf "öffentliche Moral"

Doch die ausgelassene Stimmung auf dem Sportfest wurde am zweiten Tag der Veranstaltung zunächst getrübt. Ursprünglich sollte das Fußballturnier im Kalamis Park im Stadtteil Kadiköy stattfinden, also im asiatischen Teil Istanbuls. Doch daraus wurde nichts. Bei der Ankunft am Sportgelände wurden die Teilnehmer schon von Istanbuler Polizisten erwartet - der Wettkampf wurde kurzfristig verboten. Begründung der Behörden: Die "öffentliche Gesundheit, die öffentliche Ordnung und die öffentliche Moral" müssten geschützt werden.

Polizeifahrzeuge beim Queer-Olympix-Austragungsort Kalamis Park
Polizeifahrzeuge am Austragungsort Kalamis Park: Schutz der "öffentlichen Moral"Bild: DW/V. Ağır

Mitorganisatorin Melis berichtet von einem Gespräch mit dem Leiter der Bezirkspolizei, der den Sportlern das Verbot damit erklärt habe, dass ein Team aus Armenien dabei ist, die Queer Olympix keinem Verband angehören, die Veranstaltung bei keiner staatlichen Behörde angekündigt wurde und keine Erlaubnis des Bezirks eingeholt wurde. Dann habe er ihnen unmissverständlich klargemacht: "Wenn ihr euch hier versammelt, dann sammeln wir euch ein."

Gay-Pride seit Jahren verboten

Das Verbot der Queer Olympix ist kein Einzelfall. Schon seit Jahren gehen Behörden streng gegen die LGBT-Szene vor. Ende Juni kam es bei einer Gay-Pride-Parade auf der Istikal Caddesi, der Hauptstraße des liberalen Stadtteils Beyoglu, sogar zu Zusammenstößen mit der Polizei. Ein riesiges Polizeiaufgebot wurde in Stellung gebracht. Mit Tränengas und Gummiknüppeln gingen Einsatzkräfte gegen Paradenteilnehmer vor, die auch ohne Genehmigung der Stadt für mehr Rechte demonstrierten wollten.

Queer-Olympix-Teilnehmer Özcan
Fußballer Özcan: "Wir würden denen nur einen Gefallen tun"Bild: DW/V. Ağır

2014 wurde die Gay-Pride-Parade in Istanbul zuletzt genehmigt - ein Jahr zuvor hatten sich sogar 100.000 Menschen daran beteiligt. Doch seitdem wurden keine Demonstrationen von den regierungsnahen Gouverneuren mehr erlaubt. Für viele Kritiker ist der zunehmend restriktive Umgang mit der LGBT-Szene ein Zeichen für ein immer konservativer werdendes Klima in der türkischen Gesellschaft. Ein Klima, so der Vorwurf, das von der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP bewusst gefördert wird.

Mit dem lockeren Umgang mit Sexualität und Geschlechterrollen ecken LGBT-Aktivisten immer wieder an - so auch die Teilnehmer der Queer Olympix. In der Türkei, wo zunehmend konservative Kräfte das Sagen haben, ist ein Verbot einer LGBT-Veranstaltung nie auszuschließen.

Queer-Olympix-Sportler
Queer-Olympix-Sportler: "Hier kommen die Schwuchteln"Bild: DW/V. Ağır

Bei den Queer Olympix half eine Ausweichstrategie: "Der Kalamis Park ist nicht der einzige Ort, wo wir Sport machen können", sagte Teilnehmer Özcan trotzig nach der unerfreulichen Begegnung mit der Polizei. "Da gibt es noch viele Orte. Wenn wir jetzt aufgehört hätten, dann würden wir denen nur einen Gefallen tun."

Schneller als die Polizei reagieren konnte, organisierte das Veranstaltungsteam spontan einen alternativen Fußballplatz, auf dem der schwul-lesbische Wettkampf stattfinden konnte. Bei der Ankunft waren dieses Mal keine gepanzerten Polizei-Busse vor Ort, die das bunte Sportfest hätten stören können.