TÜV: Die unbekannte Prüf-Großmacht
Erst 2018 hatte der TÜV Süd den Damm in Brasilien geprüft, der nun gebrochen ist. Dabei ist der TÜV kein unabhängiger Überwachungsverein mehr, sondern ein Unternehmen, das für Geld arbeitet.
Schlammlawine trotz TÜV-Prüfung
Nach dem Dammbruch an einem Rückhaltebecken für Bergbauabfälle begrub eine Schlammlawine ganze Siedlungen. Dabei hatte der TÜV Süd erst im September 2018 im Auftrag des Bergbaukonzerns Vale den Damm überprüft. "Dabei wurden nach unserem momentanen Kenntnisstand keine Mängel festgestellt", erklärte der TÜV Süd nach dem Unglück in Brasilien. Zwei seiner Ingenieure wurden am Dienstag festgenommen.
Der TÜV steht für Qualität und Sicherheit
Die Anfänge des TÜV reichen bis ins Jahr 1866 zurück, als ein Verein zur Prüfung von Dampfkesseln gegründet wurde. Bis heute steht in den Satzungen, ein TÜV sei "unabhängig und neutral" und prüfe "Sicherheit und Qualität nach definierten Kriterien". In Deutschland durfte lange nur der TÜV Autos für straßentauglich erklären. Er erwarb sich einen erstklassigen Ruf. Und heute?
Viele profitorientierte Unternehmen
Inzwischen gibt es "den TÜV" nicht mehr. Aus unabhängigen TÜV-Gesellschaften wurden große Unternehmen in Form von Aktiengesellschaften oder anderen privatwirtschaftlichen Rechtsformen: TÜV Süd, TÜV Nord, TÜV Rheinland, TÜV Hessen u.a. Hinzu kommen Firmen wie Dekra und SGS. Sie alle müssen Gewinn machen. Immer wieder wird der Vorwurf laut, dass sie es mit der Sicherheit nicht mehr so genau nehmen.
Prüfungen weltweit
TÜV Süd etwa, dass den gebrochenen Damm in Brasilien geprüft hatte, ist heute eine Aktiengesellschaft mit 2,4 Milliarden Euro Umsatz. Das Unternehmen beschäftigt 24.000 Mitarbeiter in 50 Ländern auf fünf Kontinenten. In der Türkei ist es an TÜVTURK beteiligt, das dort die technische Sicherheit von Fahrzeugen überwacht.
Wie steht es um die Luft?
Etwas kleiner als TÜV Süd, aber ebenfalls weltweit aktiv ist TÜV Rheinland. Die rund 20.000 Mitarbeiter weltweit erwirtschafteten zuletzt 1,9 Milliarden Euro. Im Bild eine Ingenieurin von TÜV Rheinland bei einer Messung der Luftqualität zur abendlichen Rush-Hour auf der Paseo der la Reforma in Mexico City.
Schlamperei unter der Haut
Zwischen 1997 und 2010 hatte der TÜV Rheinland Brustimplantate des französischen Herstellers PIP in der EU zertifiziert. PIP aber hat jahrelang ein nicht zugelassenes Silikongel verwendet. Die reißanfälligen Implantate wurden weltweit bei hunderttausenden Frauen eingesetzt. Im November 2018 verurteilte ein Gericht bei Paris den TÜV Rheinland zu einer Entschädigung von rund drei Millionen Euro.
Vertrauensfrage
Das Vertrauen der Kunden in die Qualität der Prüfungen ist das wichtigste Kapital der TÜV-Gesellschaften. In Deutschland hat der Ausdruck "TÜV-geprüft" sogar Eingang in die Umgangssprache gefunden. Auch in Brasilien warb TÜV Süd mit "Mehr Vertrauen". Jetzt prüfen die dortigen Behörden, wie es zu der Fehleinschätzung das Unternehmens bei der Beurteilung des Damms kommen konnte.