Udo ist zeitlos
28. April 2016Er ist der Erfinder zahlloser Figuren, denen er in seiner jahrzehntelangen Karriere Songs gewidmet hat. Bodo Ballermann, Rudi Ratlos, Votan Wahnwitz, Johnny Controlletti oder Riki Masorati. Er ist derjenige, der sich per Song beim früheren DDR Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker selbst eingeladen hat. Er ist der Mann mit Hut und Zigarre, er hat sich seine eigene Ikone geschaffen.
35 Studioalben, etliche Live-Platten, Kooperationen mit anderen Musikern – das Werk des fast 70-Jährigen zeigt, welch ein Arbeitswüterich er ist, wieviel Energie er in seine selbst geschaffene Figur gesteckt hat und immer noch steckt. Von seinen Fans glühend verehrt, von manchen als "ewiges Kind" belächelt, später respektvoll bewundert - Udo Lindenberg hat sich durch nichts unterkriegen lassen, auch nicht durch fast zwei Jahrzehnte, in denen er wenig Erfolg hatte, in denen sich viele fragten: Hat er das Älterwerden irgendwie nicht mitbekommen? Oder kann er gar nicht mehr anders?
Mit MTV-Unplugged ins Jetzt
Letzteres trifft sicher zu. Denn Udo ist sich treu geblieben, er will gar nicht mehr anders. Seine berühmte Schnodderschnauze hat zwar tiefe Falten bekommen, doch verstummt ist sie nicht. Als Udo sich junge und angesagte Musiker 2008 für sein Album "Stark wie zwei" ins Studio holt, horcht Pop-Deutschland auf. Mit von der Partie sind unter anderem Jan Delay und Silbermond. Sofort startet das Album durch und landet auf Platz 1 in den Album-Charts; zum ersten Mal hat eine Lindenberg-Platte einen so enormen Verkaufserfolg. Dreifach-Platin für mehr als 600 000 verkaufte Platten.
Drei Jahre später stehen Jan Delay, Clueso, Max Herre, Stefan Raab und mehr bei einem MTV-Unplugged-Konzert mit Udo auf der Bühne und performen zusammen mit ihm seine Songs. Das Album "Live aus dem Hotel Atlantic" hält sich 112 Wochen lang in den deutschen Albumcharts, belegt auch die Spitzenposition, verkauft sich über 1,1 Millionen mal. Udo Lindenberg hat damit nicht nur seine alten Fans glücklich gemacht, sondern auch deren Kinder.
Udo trifft sich selbst
Und jetzt näselt sich Udo durch seine neueste Platte, das 36. Studioalbum "Stärker als die Zeit". Die Songs sind: Reflektionen über sich selbst, sein Leben, seine Zukunft. Seit einigen Wochen schon gibt es die Single daraus – in "Durch die schweren Zeiten" begleitet er sich selbst durch seine Gegenwart. Er schreitet durch sein Zuhause, das Hotel Atlantic in Hamburg, in dem er seit Jahrzehnten eine Suite bewohnt. Er steigt in seinen roten Porsche, legt eine Kassette ein, während er durch den Elbtunnel fährt. Sein zweites Ich zündet ihm am Flussufer seine Zigarre an. "Ich trag dich durch die schweren Zeiten, so wie ein Schatten werd' ich dich begleiten... Denn es ist nie zu spät, um nochmal durchzustarten", singt Udo und versichert sich selbst, dass immer wieder "geile Zeiten" kommen werden.
Aber auch Resignation und Selbstzweifel sind zu hören, etwa wenn er in "Der einsamste Moment" die Nachrichten im Fernsehen sieht und sich angesichts von Krieg und Attentaten fragt, wie lange man sich den Wahnsinn noch reinziehen könne, ob er mit seinen Liedern überhaupt was erreichen könne, "wir wollten doch die Welt verändern, irgendwann."
In "Mein Body und ich" klopft er seinem eigenen Körper auf die Schulter: "Ich hab' geraucht wie ein Schlot und gesoffen wie ein Loch, ich hab' dich superhart geschunden, trotzdem leben wir immer noch." In "Eldorado" setzt er seinen Fans ein Denkmal. Er scheut auch nicht davor zurück, über sein eigenes Ableben nachzudenken und liefert eine humorvolle Betrachtung der Reaktionen, die zwangsläufig auf den Tod eines Popstars aus Politik, Medien und Musikindustrie folgen.
Songs statt Bücher
Die Platte ist, wie sich das inzwischen so gehört, in verschiedenen Studios an verschiedenen Orten der Welt entstanden, in Los Angeles, New York, Berlin, Hamburg und in den Londoner Abbey-Road-Studios, dort sogar mit einem 60-köpfigen Sinfonieorchester. Anderthalb Jahre haben er und sein Produzententeam, das auch schon für das letzte Studioalbum verantwortlich war, an Sound und Songs gefeilt. Die lange Zeit hat sich gelohnt - herausgekommen ist vielleicht eins der besten Lindenberg-Alben überhaupt.
Der Titel “Stärker als die Zeit“ ist hier Programm: Die Songs sind zeitlos, sanft, klingen sehr warm. Udos Stimme ist die 70 Lebensjahre nicht anzuhören, zumindest nicht, wenn man denkt, man könne da die eine oder andere brüchige Stelle hören. Nein, er singt wie zu seinen besten Zeiten, mit all der Erfahrung, die man in seinem Alter nun mal hat. Und davon hat Udo Lindenberg viel. Seine Autobiographie "Panikpräsident" ist schon vor elf Jahren erschienen - jetzt hat er nochmal 15 Songs über sein Leben draufgelegt.
Wie gut Udo auch mit fast 70 Jahren noch drauf ist, zeigt er auch in diesem Jahr auf seiner "Keine Panik"-Tour, die ihn, sein Panikorchester und musikalische Gäste im Mai und Juni duch Deutschlands Mega-Konzerthallen und Fußballstadien führt. Fans und Neugierige dürfen sich auf was gefasst machen - das Motto ist: "Größer, schneller, höher als je zuvor".