Den Kampf um Boden in Uganda verlieren die Kleinbauern
24. Januar 2017An den Ufern des Viktoriasees im Osten Ugandas arbeiten Dorfbewohner auf Gemüsefeldern und erledigen Reparaturen an ihren hölzernen, mit Strohdächern bedeckten Hütten. Rinder und Kühe grasen neben Pinien- und Eukalyptuswäldern. Ein kleines Stück weiter verdienen Arbeiter bei einer norwegischen Holzfirma ihren Lebensunterhalt. Eine vermeintlich idyllische Szene – doch der schöne Schein trügt.
Diverse Dorfgemeinden, die sich einst im heutigen Waldschutzgebiet "Bukaleba Central" und dessen Umgebung angesiedelt hatten, berichten von Landraub. Sie seien von dem Land, auf dem sie seit den 1970er Jahren gelebt und gearbeitet hatten, systematisch vertrieben worden. Damals hatte die Regierung unter Idi Amin Dada sie dazu ermutigt, dort sesshaft zu werden.
Doch die Dörfer, die die Kleinbauern damals gründeten, konnten dem Lauf der Dinge nicht widerstehen. Gegen übermächtige Profitinteressen waren sie machtlos. Ende der 1980er Jahre haben die damaligen regionalen Verwaltungsbehörden damit begonnen, die Leute von den angeblich stark degradierten und ineffizient genutzten Ländereien zu vertreiben.
Eine 2014 veröffentlichte Studie von Kristen Lyons und einem Team von Wissenschaftlern des Oakland Instituts – einer umweltpolitisch ausgerichteten Denkfabrik in Kalifornien – nennt die wahren Hintergründe der Umsiedlungen. Die Dörfer hätten Aufforstungsprojekten von Privatinvenstoren Platz machen müssen, so die Studie.
Eine davon ist die norwegische Firma Green Resources, die im Jahr 1996 von der ugandischen Regierung 9000 Hektar Land für eine Dauer von 50 Jahren gepachtet hat.
Die Firma wirbt für sich selbst als die größte Forstfirma Afrikas mit 45.000 Hektar intaktem Waldbestand in Mosambik, Tansania und Uganda. Auf ihrer Homepage preist sie geradezu euphorisch ihr nachhaltiges, umweltschonendes Geschäftsmodell an. So kann man dort lesen, dass der Druck auf bestehende, naturgewachsene Wälder reduziert würde, weil Green Resources Holz aus eigens angepflanzten Plantagen auf den Markt bringt. Auch die Emissionszertifikate, die die Firma verkauft, trügen zur Nachhaltigkeit bei – damit können Unternehmen und Länder anderswo auf der Welt die von ihnen emittierten Treibhausgase kompensieren.
Hochfliegende Ambitionen, die am Ziel vorbeischießen
Die ambitionierten Umweltziele, gekoppelt mit dem Versprechen auf Investitionen in ortsansässige Gemeinden zum Wohle der Menschen, geben dem Unterfangen einen sozialen und nachhaltigen Anstrich. Doch die Realität liegt weit davon entfernt.
"Es ist ja nicht nur so, dass Tausende von Menschen zuvor auf diesem Land gelebt haben. Auch ihre gesamte Existenz hing von eben jenen Landflächen ab", erläutert die Professorin für Umwelt und Entwicklung Kristen Lyons von der australischen Universität Queensland gegenüber der DW.
"Als Green Resources den Pachtvertrag für das Land übernahm, um Bäume für den CO2-Zertifikatehandel darauf zu pflanzen, bedeutete das für die Menschen faktisch, dass sie von nun an keinen Zugang mehr zu eben jenen Landflächen hatten, die zuvor ihren Lebensmittelpunkt bildeten und auf die sie zum Überleben angewiesen waren."
Sie hält Green Resources zugute, dass die Firma wichtige Maßnahmen eingeleitet hat, darunter die Bereitstellung von Medikamenten und medizinischer Ausrüstung und das Ermöglichen einer Schulbildung für Mädchen. Auch das kostenlose Verteilen von Baumsetzlingen, sowie die Erlaubnis, die Wälder zu betreten, damit die Menschen Äste und Blätter für Brennholz sammeln können, seien wichtige Schritte. Dennoch sieht Lyons in all diesen Maßnahmen nur einen Tropfen auf den heißen Stein. Bei der Beseitigung der grundlegenden Probleme könne das nicht helfen.
"Vor Ort hören wir von einer Mehrheit der Menschen immer wieder, dass all diese Dinge zwar gut sind, aber dass es eigentlich nicht das ist, was sie wirklich brauchen. Was dringend notwendig wäre, ist ein garantierter Zugang zu Land und Boden sowie zu Trinkwasser", erklärt Lyons. Sie gibt Berichte von ortsansässigen Menschen wieder, die von ihren Grundstücken "weggejagt" wurden. Seitdem haben sie keinerlei Zugang mehr zu den Orten, die sie einst ganz selbstverständlich nutzten. Darunter befinden sich spirituelle Stätten in den Wäldern sowie Weideflächen fürs Vieh. Auch der Zugang zu Medizinpflanzen und Wasserstellen bleibt ihnen dadurch verwehrt.
Die Geschichte der Vertreibung reicht weit zurück
Obwohl die Verdrängungsmaßnahmen bis in die späten 80er Jahre zurückreichen, werden diese Praktiken auch heute noch im Rahmen des Pachtvertrags von Green Resources ausgeführt. Das berichteten Ortsansässige gegenüber Lyons und ihren Wissenschaftskollegen. Die ausführenden Stellen der Vertreibungen seien Regierungsangestellte, die Armee sowie die Polizei.
Einige Dorfbewohner berichten davon, dass sie aus ihren Häusern ohne Warnung verbannt wurden, teils auch unter Anwendung von Gewalt. Weil es keinen anderen Ort gibt, an dem sie sich eine neue Existenz aufbauen können, endet es oft so, dass sie ihre Tiere in Naturschutzgebieten weiden lassen müssen. Wenn sie dabei erwischt werden, werden ihre Nutztiere konfisziert. Die Auswirkungen einer solchen Praxis sind für die Menschen lebensbedrohlich.
"Ich habe in meinem kleinen Garten Obst und Gemüse angebaut, was mir das Sicherheitspersonal auch erlaubt hatte. Doch als dann die Erntezeit kam, haben sie alles mit der Begründung, dass ich keine Bäume dazwischen angepflanzt hatte, vernichtet", vertraute sich eine Frau Lyons an. Ihren Namen möchte sie aus Furcht vor Vergeltungsmaßnahmen nicht genannt haben.
"Ich bin dann auf eine etwas höher gelegene, steinige Gegend ausgewichen, um Nutzpflanzen anzubauen, aber dort ist mir der Maniok vertrocknet. Jetzt bin ich auf Almosen der Nachbarn im Dorf angewiesen."
Auf ihrer Homepage erklärt die Firma Green Resources, dass sie selbst keine Zwangsräumungen durchgeführt habe. Jedoch sei es im Jahr 2002 in ihrem Waldschutzgebiet zu Räumungen durch die ugandische Forstbehörde (NFA) gekommen. Dabei seien all diejenigen Menschen umgesiedelt worden, die sich nicht an zuvor getroffene Vereinbarungen für einen friedlichen Umzug gehalten hatten. Die Firma fügt hinzu, dass während dieser Maßnahmen niemand verletzt worden sei, dass sie Gewalt "grundsätzlich" ablehne und "solche Aktivitäten in keinster Weise unterstütze."
Green Resources gesteht ein, dass sie Fehler in Bukaleba begangen haben. Die Firma weist darauf hin, dass sie durchgängig daran arbeitet, ihr Geschäftsgebaren zu verbessern. So stelle man beispielsweise viele Einheimische an. Dagegen hält die Studie des Oakland Institutes. Viele Arbeiter würden aus Protest gegen die Arbeitsbedingungen wieder kündigen.
Land als Gemeingut?
Etwa 500 Hektar wurden durch die NFA innerhalb des Waldschutzgebiets zur Nutzung für die ortsansässigen Gemeinden freigegeben. Das war eine der Auflagen, die Green Resources erfüllen musste, um den Pachtvertrag zu erhalten und die Bukaleba-Waldplantage betreiben zu dürfen.
Bei dem Besuch des Oakland Institutes 2013 jedoch beklagten Dorfbewohner mangelnde Klarheit: Sie hätten keinen garantierten, dauerhaften Zugang zu dem Land, und die "sich stetig verschiebenden Grenzen" sorgten für Verwirrungen. Auch sei nicht transparent, welche Personen berechtigt seien, das Land zu nutzen und welche nicht. Ähnliches berichtet ein Artikel der Nachrichtenagentur Reuters. In einem Besuch 2016 stellte man fest, dass das Land noch immer nicht für die lokale Bevölkerung zugänglich sei.
DW bat Green Resources um einen Kommentar. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels lagen keine Antworten vor.
Auf ihrer Homepage erklärt die von Anteilseignern getragene Firma, dass das Gebiet, auf dem ihre Plantagen stehen, offiziell der Regierung gehört. Deswegen obliege es auch alleine der Regierung, die Nutzungsrechte für das Land zu übertragen.
Green Resources macht außerdem deutlich, dass es das Waldschutzgebiet in Einklang mit ugandischem Recht und internationalen Standards verwalte. Darin sei geregelt, dass nur der Pächter das Land nutzen dürfe und zwar ausschließlich für die Forstwirtschaft. Laut Regularien seien dritte Parteien von der Nutzung der Flächen ausgeschlossen. Das bedeutet, dass das Land eigentlich weder für die Viehzucht oder den Ackerbau genutzt werden darf. Trotzdem erlaubt die Firma den Menschen, laut eigener Angabe, ihr Vieh auf speziell dafür eingerichteten und eindeutig mit Schildern ausgewiesenen Flächen, weiden zu lassen.
Eine typisch afrikanische Geschichte?
Ähnliche Geschichten rund um das Thema Landnutzungsrechte und Besitzverhältnisse hört man derzeit überall aus Uganda und dem Rest Afrikas. Mehr als 66 Prozent der Landflächen des Kontinents befinden sich in traditionellen, informellen Besitzverhältnissen, welche innerhalb der Gemeinden weitergegeben werden, so die Zeitschrift "The Economist". Eine mangelnde Belegbarkeit und Nachweisbarkeit von Landbesitzverhältnissen ist direkt verbunden mit hohen Armutsraten, so die Menschenrechtsorganisation Oxfam.
Weil es keine formellen Landbesitzurkunden gibt, die die Nutzungsrechte dieser Gemeinden auf legale Füße stellen würden, sind sie dem "Landgrabbing" gegenüber hilflos ausgeliefert. Damit ist der Landraub gemeint, der entweder durch ausländische Investoren begangen werden kann, oder aber auch von Regierungen, welche wertvolle Ressourcen abschöpfen wollen, zum Beispiel um eine wachsende Nachfrage nach Lebensmitteln oder Biosprit zu decken.
Belastbare Zahlen für das Geschäft mit den Landnutzungsflächen sind schwer zu erhalten. Doch die Online-Datenbank "Land Matrix", die alle öffentlich bekannten Landnutzungsgeschäfte bündelt, legt offen, dass die Anzahl großflächig angelegter Landverkäufe von allen Kontinenten der Welt in Afrika am höchsten ist. Die meisten dieser Transaktionen finden im südlich der Sahara gelegenen Teil Afrikas statt. Schätzungen zufolge soll dort bereits ein Gebiet so groß wie Spanien an ausländische Investoren verpachtet worden sein.
"Seit der Lebensmittel- und Finanzkrise 2007/2008 haben wir einen Boom bei Landverkäufen und Landvereinnahmungen beobachtet. Land, das dann für die Agrarproduktion oder für den Abbau von Ressourcen genutzt wird", erläutert der Oxfam-Experte für Landrechte, Marc Wegerif, gegenüber der DW. "Investoren nutzen es aus, dass sie ganze Landstriche zu Spottpreisen erwerben können. Wenn man es mal herunterbricht, dann findet hier gerade eine Verwirtschaftlichung, also eine Inwertsetzung, von Land statt, und zwar in Gegenden, wo es keinen funktionierenden Markt für Landverkäufe gibt. Genau damit wird das große Geschäft gemacht. Das bringt für die Menschen vor Ort gewisse Bedrohungszenarien mit sich, vor allem was ihre Lebensgrundlage angeht. Konflikte werden dadurch geschürt und vermehrt."