Uganda liebt Fahrräder
15. Oktober 200390 Euro kostet es, ein stabiles Fahrrad in Afrika einzukaufen, zu liefern und aufzubauen. In der Stadt Jinja in Uganda tut die lokale Nichtregierungsorganisation "First African Bicycle Information Office", kurz FABIO, genau das. Uganda ist ein Fahrrad-Land - hier gibt es Velotaxis, Ärzte auf Rädern oder selbständige Frauen, die sich mit dem Fahrrad als Lastträger schon ein kleines Unternehmen aufgebaut haben. Mit nichts lassen sich die üblichen Transportprobleme in dem unwegsamen Land so leicht lösen wie mit dem Rad.
Die Welt zu Füßen
Ein Sattel, ein Lenker, zwei Räder - wer Fahrrad fahren kann, dem liegt die Welt zu Füßen. Mit wenig Kraft unterwegs, schnell, beweglich, und Gepäck kann auch noch mit. So etwas ist Luxus in Ländern wie Uganda. Ein Fahrrad ermöglicht Transport aller Art. Damit wird es schlicht zum Überlebensfaktor, zum Beispiel für die Frauen in der Stadt Jinja: "Es ist ganz wichtig, die Frauen in den Familien zu unterstützen und ein Fahrrad zur Verfügung zu stellen", sagt Emmeram Rasshofer, Leiter der deutschen Jugendhilfe Ostafrika. "Die nutzen das zum Wasserholen, um Getreide in die Mühle zu bringen. Wenn sie das Fahrrad nicht unmittelbar selbst nutzen, dann ermöglichen sie so jungen Burschen ein Taxiunternehmen damit."
In der deutschen Jugendhilfe wird Geld gesammelt, das an FABIO geht. FABIO kauft damit die Fahrräder - und zwar vor Ort. Das ist sinnvoller, als europäische Exemplare dort hin zu schicken. "Vom Typ her ist das ein ganz anderes Fahrrad, das ist sehr simpel konstruiert. Da gibt es sogar ein Patent drauf", sagt Rasshofer. Gebaut wird es in Indien. Gangschaltung gibt es keine und es ist richtig schwer - genau richtig für die mitunter enormen Lasten, die damit transportiert werden.
Taxi, Lastschlepper, Ambulanz
Die Leute von FABIO bauen die Räder zu wahren Lastschleppern um. Selbst robuste Gestelle aus Asien sind für Uganda noch nicht hart genug - deshalb wird zwischen Lenker und Hinterachse eine Brücke aufgeschweißt. Diese Arbeit und spätere Reparaturen übernehmen Straßenkinder, die FABIO beschäftigt. Richard Kisamaddu ist Chef des Projekts. Er sieht im Zweirad eine Grundlage für echte Hilfe zur Selbsthilfe. "Im Moment beginnen wir gerade eine neue Sache: Wir haben etwas entworfen, was wir die Fahrrad-Ambulanz nennen." Damit können kranke Leute per Fahrrad von weit her aus den ländlichen Gebieten zu den Hospitälern gebracht werden. "Dazu bauen wir einen Träger, der auf der Rückseite des Fahrrads befestigt ist - der ist so gemacht, dass jemand bequem darauf liegen kann.“ Das hat dort großen Erfolg, wo ärztliche Versorgung weit entfernt ist - normalerweise müssten die Leute dann laufen.
Wer ein Fahrrad braucht, stellt bei FABIO einen Antrag. Alle drei Monate beraten die Mitarbeiter dann, wer es am nötigsten hat. Lehrer etwa, Hebammen und Ärzte. Denn wenn diese Leute mobil sind, nützt das noch vielen anderen. In Seminaren lernen Frauen aus armen Familien, wie sie mit ihrem Rad eine Existenz gründen. Später dann wird auch ein wenig nachkontrolliert: Ob sich nicht die Verwandtschaft des Fahrzeugs bemächtigt hat und ob das Rad den geplanten Zweck erfüllt. So wollte etwa eine der bedachten Familien ihr Fahrrad auf keinen Fall benutzen und behielten es im Haus – es schien ihnen zu wertvoll: "Als wir nach einem Jahr vorbei kamen, stand es immer noch dort, sogar mit der Verpackung", sagt Kisammaddu.
Viele Transportprobleme gelöst
Das Fahrrad soll Aufwind bekommen - als umweltfreundliches und billiges Transportmittel in Afrika. Jede Menge Initiativen arbeiten in Ländern wie Kenia, Tansania und eben Uganda daran. Zusammen bilden sie das so genannte Pan-Afrikanische Fahrrad-Netzwerk. Richard Kisamaddu will, dass die ugandische Regierung das Fahrrad aus seiner Nische holt. Über 5500 Räder hat FABIO schon im Land verteilt und so die Transportprobleme von vielen Menschen gelöst. Das haben inzwischen sogar die Behörden begriffen, wie Kisamddu sagt. "Die Politiker hier vor Ort haben erkannt, was wir mit den Rädern erreichen. Aber der zuständige Minister muss noch überzeugt werden, dass das Fahrrad wirklich Wunder bewirkt - hier und überall auf der Welt."