Ukraine aktuell: Chinas Staatschef Xi im Kreml empfangen
20. März 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Chinas Präsident Xi hat im Kreml Präsident Putin getroffen
- Putin: China könnte "konstruktive Rolle" spielen
- EU-Staaten wollen Ukraine eine Million Artilleriegeschosse liefern
- Selenskyj: Russland wird zur Rechenschaft gezogen
- EU-Länder wollen Munitionsmangel in Ukraine lindern
- Ukraine-Krieg verhilft Rheinmetall zu Dax-Aufstieg
Russland und China üben inmitten des Angriffskriegs gegen die Ukraine den Schulterschluss: Die Staatsoberhäupter beider Länder, Wladimir Putin und Xi Jinping, bezeichneten sich zum Auftakt ihres Gipfeltreffens in Moskau gegenseitig als "lieber Freund". Putin empfing den Staatsgast im Kreml und dankte ihm für dessen ausbalancierten Ansatz zur internationalen Lage. Die Krieg in der Ukraine und der chinesische Plan zur Vermittlung zwischen beiden Seiten würden Gegenstand ihres bilateralen Gesprächs sein, kündigte Putin an.
Es ist der erste Besuch von Xi in Moskau seit fast vier Jahren. China hat sich bislang bemüht, sich als neutrale Partei im russischen Angriffskrieg in der Ukraine darzustellen.
Xi dankte Putin für dessen Unterstützung Chinas. Mit Blick auf die nächstes Jahr in Russland anstehende Präsidentenwahl sagte Xi, er sei überzeugt, dass die Bevölkerung Putin unterstütze. Die Aussage ließ Russlands Staatsmedien aufhorchen, weil Putin bisher seine Kandidatur überhaupt noch nicht erklärt hat. Der 70-Jährige reagierte nicht auf Xis Worte. Die Wahl ist im März kommenden Jahres geplant. Der Kreml wies hingegen zurück, dass Xi damit gesagt habe, dass Putin zur Wahl antrete.
In einem in Russland veröffentlichten Artikel für die staatliche Tageszeitung "Rossiiskaja Gaseta" schrieb Xi, beide Länder seien dem Konzept der "ewigen Freundschaft und einer gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit" verbunden. Auch Putin lobte die bilateralen Beziehungen und bezeichnete China als Vorbild. Er sei etwas neidisch wegen der schnellen wirtschaftlichen Entwicklung des Riesenreichs in den vergangenen Jahrzehnten.
Putin gibt sich gesprächsbereit
Vor der Ankunft Xis hat Russlands Präsident Wladimir Putin Chinas Bereitschaft gelobt, eine "konstruktive Rolle" bei der Beendigung des Ukraine-Kriegs zu spielen. "Russland ist offen für eine Beilegung der Ukraine-Krise mit politisch-diplomatischen Mitteln", schrieb Putin in einem Beitrag für die chinesische "Volkszeitung" (Renmin Ribao). Darin pochte er jedoch auch darauf, dass Kiew mit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 und vier ukrainischer Regionen im vergangenen Jahr "neue geopolitische Realitäten" anerkennen müsse. Ultimaten an Russland zeigten, dass deren Urheber "weit von diesen Realitäten entfernt sind und kein Interesse daran haben, sich um eine Lösung zu bemühen", fügte der Kremlchef hinzu.
Putin hob in dem Artikel zudem die Bedeutung des Verhältnisses zwischen Moskau und Peking hervor. Die russisch-chinesischen Beziehungen seien auf einem "Höhepunkt" und besser als alle politischen und militärischen Bündnisse während des Kalten Krieges, schrieb Putin. In die Gespräche mit Xi setze er daher "große Erwartungen".
Xi betonte die "objektive und unvoreingenommene" Haltung Pekings zum Krieg in der Ukraine. China unternehme aktive Anstrengungen, um Friedensverhandlungen und eine Versöhnung zu unterstützen, schrieb der Staatschef in einem Artikel für die russische Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta". Wie Putin beschwor auch Xi die enge russisch-chinesische Kooperation.
Eine Million Artilleriegeschosse für Kiew
Die EU-Staaten wollen der Ukraine nach Angaben Estlands eine Million Schuss Artilleriemunition bereitstellen. Die Munition werde binnen zwölf Monaten geliefert, sagte der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur am Rande von Beratungen der EU-Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg."
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius mahnte zur Eile: "Wir müssen auch schnell handeln", sagte er bei seiner Ankunft in Brüssel. "Ziel muss sein, das hat absolute Priorität aus meiner Sicht, dass noch in diesem Jahr eine nennenswerte Zahl von entsprechender Munition in die Ukraine geliefert wird."
Dazu werden die EU-Staaten ein entsprechendes Abkommen unterzeichnen, um die Finanzierung, Koordinierung und Beschaffung von Munition für die Ukraine zu regeln, wie Pistorius ankündigte. Europa müsse seine Marktmacht bündeln.
Um die Kosten gerecht zu verteilen, werden den Planungen zufolge zwei Milliarden Euro an EU-Mitteln mobilisiert, wie mehrere Diplomaten mitteilten. Das Geld soll aus der sogenannten Friedensfazilität kommen. Dabei handelt es sich um ein Finanzierungsinstrument, über das die EU bereits heute Waffen und Ausrüstung liefert sowie die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte fördert. Nach Angaben von Pistorius soll die zusätzliche Munition über bestehende nationale Rahmenverträge, aber auch über ein neues europäisches Beschaffungsprojekt gekauft werden.
Mehr Munition aus den USA
Derweil stellen die USA weitere Militärhilfen für die Ukraine im Wert von 350 Millionen Dollar (328 Millionen Euro) in Aussicht. Wie US-Außenminister Antony Blinken mitteilte, umfasst das neue Rüstungspaket unter anderem Munition für Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars, für Schützenpanzer vom Typ Bradley, für Haubitzen und für Panzer-Abwehrwaffen. Russland könne den Angriffskrieg gegen die Ukraine umgehend beenden, erklärte Blinken. "Bis Russland das tut, werden wir solange es dauert vereint mit der Ukraine stehen."
Selenskyj: Russland wird zur Rechenschaft gezogen
Russland wird sich nach Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für alle Verbrechen im Krieg gegen die Ukraine verantworten müssen. "Der böse Staat wird für jeden Terrorakt gegen Ukrainer zur Rechenschaft gezogen werden", erklärte Selenskyj. Es gehe um "Verantwortung für den Angriff auf die Ukraine, für jedes zerstörte Leben, für jedes deportierte ukrainische Kind".
Erneut sprach Selenskyj über den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den russischen Staatschef Wladimir Putin. Der Haftbefehl sei "ein wirklich bedeutendes völkerrechtliches Ergebnis für die Ukraine" und ein Wendepunkt. Von nun an sei klar, dass am Ende des Krieges Russland "die volle Bandbreite seiner Verantwortung" übernehmen müsse, meinte der ukrainische Staatschef.
In seiner Videobotschaft vom Sonntagabend dankte Selenskyj ausdrücklich den Minenräumern in der Ukraine und sprach viele von ihnen namentlich an. "Dies ist eine tägliche mühsame und sehr gefährliche Arbeit." Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hätten die Experten mehr als 100.000 Hektar Fläche durchsucht. Mehr als 400.000 Granaten seien entschärft, mehr als 200.000 explosive Objekte entfernt worden, berichtete Selenskyj.
Ukrainischer Militärgeheimdienst bekennt sich zu tödlichem Anschlag
Der ukrainische Militärgeheimdienst hat sich zur Tötung eines "Verräters" in den russisch besetzten Gebieten bekannt. "Der Organisator von Folterkammern im Gebiet Cherson, Serhij Moskalenko, wurde vor kurzem auf dem zeitweilig besetzten Gebiet liquidiert", teilte der Geheimdienst mit. Der Tote habe mit den russischen Besatzern zusammengearbeitet und sei der Chef eines Untersuchungsgefängnisses im südukrainischen Gebiet Cherson gewesen. Der Anschlag selbst fand demnach am Freitag statt.
Justizminister beraten über IStGH-Unterstützung
Großbritannien will als Gastgeber eines internationalen Ministertreffens die Aufklärung von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine vorantreiben. Justizminister aus aller Welt sind an diesem Montag in London zusammengekommen, um finanzielle und praktische Unterstützung für die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag zu organisieren, wie das britische Justizministerium mitteilte. Man versammele sich "geeint durch das Ziel, Kriegsverbrecher für die Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen, die während dieser ungerechten, nicht provozierten und illegalen Invasion der Ukraine begangen worden sind", erklärte Ressortchef Dominic Raab.
Haftbefehl gegen Putin gilt lebenslang
Der Chefankläger des Strafgerichtshofs, Karim Khan, stellte klar, der Haftbefehl des Gerichts gegen den russischen Staatschef Wladimir Putin sei lebenslang gültig. Es gebe keine Verjährungsfrist für Kriegsverbrechen, sagte Khan dem britischen Sender BBC.
Der Internationalen Strafgerichtshof hatte am Freitag Haftbefehl gegen Putin wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen. Die Ermittler machen ihn für die Verschleppung von Kindern aus besetzten
ukrainischen Gebieten auf russisches Territorium verantwortlich.
London: Russland mit "schleichenden Geländegewinnen"
Die russische Armee kommt nach britischer Einschätzung stückweise in der umkämpften ostukrainischen Stadt Awdijiwka voran. Ihre Einheiten hätten in den vergangenen drei Wochen "schleichende Geländegewinne" gemacht, teilte das Verteidigungsministerium in London unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Die Lage gleiche der Situation rund um die weiter nördlich gelegene Stadt Bachmut. "Ukrainische Kräfte setzen ihre organisierte Verteidigung fort, aber ihre Versorgungswege nach Westen werden zunehmend durch den russischen Umfassungsangriff bedroht." Vor allem das weitläufige Gelände der Kokerei sei bei der Verteidigung der Stadt ein Schlüssel, hieß es in London weiter.
Ukraine-Krieg verhilft Rheinmetall zu Dax-Aufstieg
Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall, dessen Aktienkurs sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs fast verdoppelt hat, rückt an diesem Montag in den Deutschen Aktienindex (Dax) auf. 2022 erreichte der Umsatz des Konzerns mit rund 6,4 Milliarden Euro ein Rekordhoch. Auch für das laufende Jahr erwartet Rheinmetall ein "anhaltend starkes Umsatz- und Ergebniswachstum". Denn: "Der Konzern sieht sich in der veränderten sicherheitspolitischen Lage aussichtsreich positioniert, in Deutschland und in den Partnerländern mit sicherheitstechnischen Produkten eine wichtige Rolle bei der anstehenden Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit zu spielen." Bei Rheinmetall arbeiten weltweit rund 25.000 Menschen.
"Außerordentliches Geschehen" bei Soldatenausbildung
Bei einem Unfall auf einem militärischen Ausbildungsgelände nördlich von Kiew sind nach ukrainischen Angaben vier Soldaten ums Leben gekommen. Es werde ermittelt, wie es zu dem "außerordentlichen Geschehen" am Samstag habe kommen können, teilte das betroffene Ausbildungszentrum im Gebiet Tschernihiw auf Facebook mit. Den Angehörigen und Freunden der Getöteten übermittelte es eine Beileidsbekundung.
uh/hf/se/wa/ack (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kriegsgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.